Frauen ignorieren Lockruf des Geldes

FREISTADT - Gute Zeiten - bessere Zeiten: Mit Jänner 2002 wird das Karenzgeld vom Kinderbetreuungsgeld abgelöst. Heißt auch: Frauen dürfen künftig in der Babypause deutlich mehr verdienen (200.000 S brutto pro Jahr neben Kinder-geld). Der Wunsch der Frauen, vorzeitig an den Arbeitsplatz zurückzukehren, hält sich aber vor allem in ländlichen Regionen sehr in Grenzen - wie ein VOLKSBLATT-Besuch in der Geburtenabteilung des Krankenhauses Freistadt ergab.

Von Harald Gruber

Frisch gebadet landet Daniel wieder in den Armen seiner Mutter. „Na, da ist er ja wieder. Morgen geht es nach Hause", nimmt die frisch gebackene Mutter ihren Knirps der Krankenschwester ab. Christine Vyvadil (32) aus Bad Leonfelden ist eine jener Mütter, die von der Regierung ab 1. Jänner 2002 mit dem auf ein Kinderbetreuungsgeld erweiterten Karenzgeld belohnt werden.

Monatlich 400 S mehr

Heißt: 6000 S monatlich statt bisher 5600 S. Maximale Bezugsdauer 36 Monate (30 der eine, 6 der andere Partner) statt bisher maximal 24 Monate. Zudem wird der Bezieherkreis erweitert. Auch an Schülerinnen Studentinnen, Bäuerinnen, Hausfrauen, Selbstständige und geringfügig Beschäftigte wird künftig Kindergeld ausbezahlt - laut derzeitigen Plänen der Regierung für Geburten ab 1. Jänner 2002. An schon bisher Bezugsberechtigte dagegen wird das aufgefettete Karenzgeld für Kinder, die nach dem 30. Juni 2000 geboren wurden, ausbezahlt. Neben dem Kindergeld dürfen Frauen künftig 200.000 S brutto pro Jahr dazuverdienen statt bisher höchstens 4000 Schilling monatlich. Und: 18 Monate Erziehungsarbeit werden künftig als pensionsbegründende Zeiten angerechnet.

Frauenfalle Kindergeld?

Mehr Geld und das länger - für SPÖ und Grüne eine Verschwö-rung gegen die Frauen: Derzeit sei nur ein 24-monatiger Kündigungsschutz geplant. Zudem drohte Frauen durch längere Erziehungspausen den Anschluss und schließlich den Job zu verlieren. „Das Kindergeld ist die Abzweigung zurück an den Herd", tönte zuletzt etwa die Wiener SPÖ-Frauensprecherin Ludwig.

Andrea Niederberger (26) - sie hat vor wenigen Tagen Lukas zur Welt gebracht - ist da im Grunde anderer Ansicht: „Bei nur einem Kind besteht die Gefahr, nicht mehr in den Beruf zurückzufinden, kaum. Vielleicht bei mehreren Karenzen hintereinander." Da widerspricht Zimmerkollegin Gerlinde Fuchs (26) aus Leopldschlag: „Die jetzige Regierung hat schon die Tendenz, Frauen in die Rolle am Herd zurückzudrängen!" Die Mutter des kleinen Nico hat angesichts des Kindergeldes weitere Bedenken: „Ich glaube nicht, dass sich der Staat das auf Jahre leisten kann."

Nach einer schwer einschätzbaren Übergangsfrist rechnet die Bundesregierung ab 2004 mit jährlichen Aufwendungen von 16 Mrd. S für das Kindergeld. Fließen sollen die Mittel aus dem „Familienlasten-Ausgleichsfonds", in den Arbeitgeber und -nehmer Beiträge einzahlen. Bezogen 1999 rund 79.000 Österreicher(innen) Karenzgeld, wird es laut Berechnungen der Statistik Austria 2002 knapp 127.000 Kindergeldbezieher geben. Darunter 8000 neue „Mitglieder": 3300 Hausfrauen, Studentinnen und geringfügig Beschäftigte sowie 4700 Selbstständige und Bäuerinnen.

In diesem Punkt herrscht nun wieder Einigkeit im Zimmer. Andrea und Gerlinde unisono: „Studentinnen und so weiter haben nie Beiträge eingezahlt, sie sollten daher weniger Kindergeld bekommen!" Sie beide seien dagegen beruftstätig gewesen und hätten nun Anrecht auf eine „ordentliche Lösung". Gerlinde: „Wenn man schon 30 Monate Kindergeld anbietet, sollte auch der Kündigungsschutz so lange gelten!" Kopfnicken bei Zimmerkollegin Andrea, dann ein Abwinken: „Ich weiß gar nicht, ob ich 30 Monate zu Hause bleiben könnte. Mein Chef würde meinen Posten kaum so lange freihalten."

Geld macht keine Kinder

Derartige Bedenken auch im Nachbarzimmer: „Ich glaube nicht, dass ein Chef einen Arbeitsplatz überhaupt 30 Monate aufheben würde", meint die 24-jährige Monika Haubner aus Unterweißenbach - im Arm ihren Daniel. Sie möchte aber „auf alle Fälle so lange wie möglich zu Hause bleiben". Da kann sie auch die höhere Zuverdienstgrenze nicht locken: „Da müsste schon die Armut ausbrechen!" Nun richtet sich Christa Leitner im Nachbarbett auf: „Ich überlege, den Job ganz an den Nagel zu hängen. Erziehung ist wervolle Arbeit, die einen erfüllten Alltag zu Hause bescheren kann." Christa glaubt nicht an eine Geburtenzahl-steigernde Wirkung des Kindergeldes: „Paare lassen sich zu nichts zwingen."

„6000 S sind zu wenig!"

Im Vorjahr konnten in Österreich 77.558 neue Erdenbürger begrüßt werden. Nach Jahren des Rückganges ein Anstieg von 0,2 Prozent gegenüber 1999. In OÖ stieg die Geburtenzahl um 1,4 Prozent auf 13.928. Der Doyen der Soziologie in OÖ, Professor Klaus Zapotoczky, sieht Chancen, den Aufwärtstrend zu erhalten: „Wenn man eine Situation schafft, wo Kinder-Haben die Unabhängigkeit der Frauen nicht beeinträchtigt. Wohlgemerkt, in den Augen der Frauen nicht beeinträchtigt!" Vom Kindergeld erwartet sich Zapotoczky zumindest einen „Wandel in der generellen Einstellung zu Kindern." Mit monatlich 6000 S ist für den Soziologen noch lange keine Gerechtigkeit erreicht: „Ein Sozialhilfeempfänger erhält mehr. Da darf es einen nicht wundern, wenn viele Paare sagen: Wir wollen nicht die Depperten sein, Kinder in die Welt zu setzen!"

Siehe dazu den Gastkommentar: Wichtig ist die Stabilität der Bezugsperson!


(c) 2000 Österreichische Zeitungs-, Verlags und Vertriebsgesellschaft m.b.H. Hafenstraße 1-3, 4010 Linz, Telefon (0732) 7606-782, E-Mail: volksblatt@volksblatt.at

Quelle: Neues Volksblatt vom Samstag, 17. März 2001, S. 6-7 (01-03-17)