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Einige Daten zur Geschichte der Psychologie

Die Psychologie hat eine lange Vergangenheit,
aber nur eine kurze Geschichte.
Herrmann Ebbinghaus

Eine grundlegende Einführung in die Geschichte der Psychologie stellt einen wichtigen Bestandteil eines Studiums der Psychologie dar, denn Einführungsveranstaltungen zur Psychologie als Wissenschaft, zur Geschichte der Psychologie und zur Wissenschaftstheorie können dazu beitragen, bei StudienanfängerInnen ein Bewusstsein für die Wurzeln des modernen, empirisch orientierten Denkens, Forschens und praktischen Handelns in der Psychologie zu schaffen, ein Verständnis für die Ausdifferenzierung der unterschiedlichen psychologischen Teilgebiete und ihre Bezüge zueinander herzustellen und ungenaue oder falsche Vorstellungen von psychologischen Konzepten, Methoden und Handlungsfeldern zu korrigieren. Vorweg: Das Wort Psyche steht für die wissenschaftliche und im rationellen Denken verankerte Betrachtung des menschlichen Innenlebens, während Seele mit Romantik, Gefühlen und Spiritualität in Verbindung steht. Mit dem Rationalismus trat der der religiöse bzw. spirituelle Seelenbegriff in den Hintergrund, sodass man heute unter Psyche und Seele zwei verschiedene Dinge versteht.

NEU: Kleines Glossar zur Psychologie

ca. 390 v. Chr.

Plato differenziert vier Stufen der menschlichen Erkenntnis: Vermutung, Vertrauen, Verstehen und Wissen zur Wahrheit (letzteres werde nur durch das Denken und nicht durch die Wahrnehmung erreicht). Er unterscheidet zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit und entwickelte ein Schichtenmodell der Seele, indem er die Gesellschaftsschichten nicht mehr nach der Tätigkeit (Lehrstand, Nährstand, Wehrstand) unterschied, sondern nach seelischen Bereichen (Vernunft, Begierde, Mut). Die Seele bei Platon war unsterblich und lebte in geistiger Form nach dem Tod des Körpers weiter, bis sie sich erneut inkarnierte. Wie es ihr im Jenseits erging, hing davon ab, wie sich ihr Träger im Leben geschlagen hatte, denn bei gutem Verhalten führen die Seelen ein glückliches Leben in Gegenwart der Götter, bei einem ungerechten Leben werden sie von einem Totengericht geprüft und können in die Unterwelt verbannt werden. Auf diesem Modell beruhen zahlreiche religiöse Vorstellungen vom Wirken der Seele für den Menschen.

ca. 350 v. Chr.

Aristoteles: Erstes Lehrbuch der Psychologie: "Über die Seele". Aristoteles trennt zum erstenmal Psychologie und Philosophie voneinander. Er untersuchte das Verhältnis von Seele und Körper, ging auf das Seelenvermögen der Wahrnehmung, des Denkens und der Vorstellung ein und beschrieb den Aufbau der Seele. Im Vorwort schrieb er mit Bezug auf einige Vorsokratiker, dass es zum Schwierigsten gehört, zuverlässiges Wissen über die Seele zu erlangen, doch es lohne sich wegen der Bedeutung des Themas. Für Aristoteles war es die Seele, die dem Körper erst das Leben verschafft, also etwas Nichtstoffliches, das aber ohne einen Körper nicht existieren kann, sodass sie nicht unsterblich ist, so wie es Platon vermutete. Für Aristoteles ermöglicht die Seele dem Menschen das Denken, ist aber auch für Sinneswahrnehmung und die Emotion zuständig, die sich körperlich auswirken. Die Seele steuert letztlich alle Lebensvorgänge, sodass Aristoteles die Seele im Herzen ansiedelte. Aristoteles gilt heute als der eigentliche Vater der Psychologie.

um 400

Augustinus beschreibt in seinem Werk seine persönliche Entwicklung und führt damit die autobiographische Beobachtungsmethode ein. Augustinus betont die Relevanz der Erfahrung, sich selbst und seiner eigenen Individualität bewußt zu werden.

um 1250

Thomas von Aquin untersuchte die grundlegenden Probleme der Beschaffenheit der Seele und ihrer Verbindung zum Körper ('Leib-Seele Problem').

15./16. Jahrhundert

Im Zeitalter der Renaissance wird der Mensch als Individuum angesehen. Von psychologischem Interesse sind nun die Individualität, der Einzelmensch, die Charaktererfassung.

1590

Begriff psychologia wird von Rudolf Goclenius (1547-1628) erstmals verwendet

um 1630

Der Philosoph Descartes grenzte die menschliche Seele als denkende Substanz und den Körper als räumlich ausgedehnte Substanz voneinander ab.

18. Jht

Begriff Psychologie und Bewußtsein wird von Christian Wolff (1676-1754) in die deutsche Sprache eingeführt, von seinem Schüler Ernst Platner wird der Begriff des Unbewußten das erstemal verwendet.

1785 - 1790 wurde von Karl Philipp Moritz "Anton Reiser. Ein psychologischer Roman" geschrieben. Aus der Vorrede: "Dieser psychologische Roman könnte auch allenfalls eine Biographie genannt werden, weil die Beobachtungen größtenteils aus dem wirklichen Leben genommen sind. - Wer den Lauf der menschlichen Dinge kennt und weiß, wie dasjenige oft im Fortgange des Lebens sehr wichtig werden kann, was anfänglich klein und unbedeutend schien, der wird sich an die anscheinende Geringfügigkeit mancher Umstände, die hier erzählt werden, nicht stoßen. Auch wird man in einem Buche, welches vorzüglich die innere Geschichte des Menschen schildern soll, keine große Mannigfaltigkeit der Charaktere erwarten: denn es soll die vorstellende Kraft nicht verteilen, sondern sie zusammendrängen und den Blick der Seele in sich selber schärfen. - Freilich ist dies nun keine so leichte Sache, daß gerade jeder Versuch darin glücken muß - aber wenigstens wird doch vorzüglich in pädagogischer Rücksicht das Bestreben nie ganz unnütz sein, die Aufmerksamkeit des Menschen mehr auf den Menschen selbst zu heften und ihm sein individuelles Dasein wichtiger zu machen."

1823

Der Astronom F. W. Bessel stellt individuelle Unterschiede in der Reaktionszeit bei der Beobachtung von Sterndurchgängen mit dem Fernrohr fest: "Persönliche Gleichung".

1826

Der Physiologe J. Müller entwickelt die Lehre von den "Spezifischen Sinnesenergien"

1834

Der Physiologe E. H. Weber zeigt an Untersuchungen des Muskelsinns, daß der eben merkliche Unterschied" zweier Gewichte proportional zur Größe der Gewichte ist (Webersche Konstante)

1840

Angelsächsisch wird von Friedrich A. Rauch (1806-1841) der Begriff psychology erstmals erwähnt

1852

 

Der Physiologe H. von Helmholtz stellt im Anschluß an T. Young (1802) seine Drei-Farben-Theorie des Farbsehens auf (Young-Heimholtz-Theorie).

1860

G. Th. Fechner ("Elernente der Psychophysik") entwickelt die wichtigsten psychophysischen Methoden (zur Feststellung der erlebten Intensität eines physikalischen Sinnesreizes) und erweitert Webers Befunde zum "Weber-Fechnerschen Gesetz" (logarithmische Beziehung zwischen physikalischem Reiz und erlebter Intensität).

1872

Ch. Darwin ("Der Ausdruck der Emotionen bei Mensch und Tier") begründet die "vergleichende Verhaltensforschung" und betont die Kontinuität der Entwicklung vom Tier zum Menschen. Seit seinem Buch (1871) "Über die Abstammung des Menschen' wird der Mensch nun ganz und gar als Naturwesen gesehen.

1879

W. Wundt gründet in Leipzig das erste psychologische Laboratorium

1883

Der Engländer F. Galton ("Untersuchungen über die menschlichen Fähigkeiten und ihre Entwicklung") führt die Statistik in die Psychologie ein und begründet die empirische Persönlichkeitsforschung aufgrund von Tests und Fragebogen.

1885

H. Ebbinghaus ("Über das Gedächtnis" entwickelt die wichtigsten Methoden der Gedächtnisforschung und ermittelt aufgrund von Selbstversuchen die "Vergessenskurve"

1890

Ch. von Ehrenfels ("Über Gestaltqualitäten") zeigt an Melodien, daß die Wahrnehmung komplexer Muster sich nicht additiv aus den Elementen herleiten läßt.

1895

S. Freud veröffentlicht zusammen mit J. Breuer die erste Fallstudie einer "psychoanalytisch" behandelten Patientin ("Studien über Hysterie").

1898

E. L.Thorndike publiziert erste Tierexperimente zum Lernen durch Wersuch und Irrtum" in seiner Dissertation über "Tierische Intelligenz: Eine experimentelle Studie der assoziativen Prozesse bei Tieren"

1900

S. Freud ("Die Traumdeutung") stellt die Grundzüge der Psychoanalyse anhand der Analyse seiner eigenen Träume dar

1904

I. F. Pawlow veröffentlicht erste Untersuchungen an Hunden zum "bedingten Reflex" ("Über die psychische Sekretion der Speicheldrüse")

1904

C. Spearman ("Allgemeine Intelligenz, objektiv bestimmt und gemessen") leitet aus einer statistischen Analyse von Intelligenzleistungen ab, daß sich jede Leistung aus einem allgemeinen und einem spezifischen Faktor zusammensetzt

1905

A. Binet erstellt zusammen mit T. Simon in Frankreich die erste Intelligenzskala für Kinder ("lntelligenzalter")

1911

W. Stern entwickelt das Konzept des Intelligenz-Quotienten (IQ)

1912

M. Wertheimer ("Über das Phi-Phänomen") begründet mit seiner Untersuchung von Scheinbewegungen die Gestaltpsychologie

1913

J. B. Watson ("Psychologie aus der Sicht des Behaviorsten") entwickelt programmatisch die methodischen Prinzipien des Behaviorismus

Zum Download eine übersichtliche Zeitleiste der Geschichte der Psychologie von Charles L. Brewer (Furman University) in der deutschen Bearbeitung von Christiane Grosser und Svenja Wahl:
Zeitleiste Psychologie (844 KB, pdf-Datei).

Ursprünge und Anfänge der Psychologie

NEU: Kleines Glossar zur Psychologie

Der Beginn der Psychologie im antiken Griechenland

Überwinden der Erfahrung vom Hier und Jetzt: Die orphische Bewegung im 6. Jahrhundert v.Chr. (Annahme einer jenseitigen, besseren Welt, die im Zustand der Ekstase erkennbar werde, sowie der Möglichkeit des Fortbestehens der Seele nach dem Tode; Seele als das Höherwertige, Körperliches als das Minderwertige) Eindringen in die Geheimnisse der Natur: EMPEDOKLES glaubte, alle Dinge, Unbelebtes wie Belebtes, bestünden aus den vier Elementen Erde, Feuer, Luft und Wasser; die körperliche Welt wird somit auch zum legitimen Gegenstand wissenschaftlichen Interesses; Empedokles als Begründer der Naturlehre; Grundsätze und Regeln für ein gutes Leben: Ökonomie und Politik als neue praktische Lehrgebiete (diese behandelten auch Themen wie Erziehung, zwischenmenschliche Beziehungen, Behandlung von Sklaven, Rhetorik u.a.); manchen ging es um die Mehrung des weltlichen Erfolges, anderen hingegen um die seelische Gesundheit (die Pythagoreer, Schüler des PYTHAGORAS, waren ein Männerbund, der durch Beschäftigung mit Theorie und Kunst und einem Leben in Askese und Freundschaft Zugang finden wollte zu der von ihnen als höherwertig angesehenen geistigen Welt; der Körper galt ihnen, wie zuvor den Orphikern, als Ballast der Seele);

Schon während ihres Entstehens trennte sich die Philosophie in einen theoretischen und einen praktischen Zweig: Ontologie (Seins- oder Wesenslehre) vs. Pragmatik. Erstere ging davon aus, es könne nur eine Wahrheit geben. Sie suchte daher nach allgemein- und ewiggültigen Gesetzmäßigkeiten. Die Pragmatiker strebten vielmehr nach Nutzen und Erfolg im privaten und öffentlichen Leben. Die Sophisten waren Philosophen, die wahrscheinlich als erste für Geld lehrten, und davon ausgingen, es könne mehrere Wahrheiten geben, je nach Standpunkt. Ihr wichtigster Vertreter, PROTAGORAS, meinte, der Mensch sei das Maß aller Dinge (Subjektivität als Prinzip der menschlichen Erkenntnis).

PLATON (427-348 v.Chr.) und ARISTOTELES (384-322 v.Chr.) waren die wohl bedeutendsten Philosophen der griechischen Antike. Platon, Schüler von Sokrates, gründete im Jahre 385 v.Chr. die erste Philosophenschule, die Akademie. Sein Schüler Aristoteles gründete 50 Jahre später das Lykeion. Aristoteles gliederte die Philosophie in verschiedene Fächer (Logik, Epistemologie, Physik, Metaphysik, Ethik, Politik, Ökonomie, Rhetorik, Poetik u.a.), die viele Jahrhunderte später wieder aufgegriffen werden sollte. Platons Theorieansatz ist der Idealismus, in dem von einer höheren Welt der Ideen ausgegangen wird, in welcher alle Dinge in ihrer vollendeten Form (als Ideen) angesiedelt sind. Die materielle Welt und alle in ihr vorkommenden Dinge seien lediglich unvollkommene Nachbildungen der perfekten Ideen. Platon ordnete die Seele in die begehrende, die mutig entschlossene und die Denkseele. Letztere sei unsterblich und ermögliche Zugang zur Welt der Ideen. Platons Dualismus setzte Aristoteles den Monismus entgegen, in dem Körper und Seele untrennbar miteinander verknüpft sind. Auch Aristoteles teilte die Seele in drei Aspekte: vegetative, animalische und Geistseele. Beide Philosophen sahen im Maßhalten das Mittel der Wahl, um zu Tugend und Glück zu gelangen. Für Platon war das Gute die höchste Idee, für Aristoteles das Leben im Einklang mit dem einem individuellen Lebewesen innewohnenden Zweck.

Die Kyniker (Antisthenes, Diogenes) suchten Tugend und Glück durch Autarkie zu erlangen (ihr Lebensstil war geprägt von der Übung handwerklicher Fertigkeiten, körperlicher Bedürfnislosigkeit und der Herabsetzung sozialer Werte).

Zwei weitere bedeutende Schulen im antiken Griechenland waren die Stoa des ZENON (gegründet 308 v.Chr.) und die Gartenschule des EPIKUR (306 v.Chr.). Beide wollten den Menschen von Leidenschaften (belastende Gedanken und Gefühle) befreien und werteten die Naturlehre gegenüber der Metaphysik auf. Epikur war Verfechter des Hedonismus. Dieser sollte ein Leben voll Freude und Lust, frei von Schmerz ermöglichen. Mittel der Wahl war allerdings auch bei Epikur Bescheidung und vernünftiger Verzicht. Die Stoiker strebten nach Harmonie mit den kosmischen Gesetzmäßigkeiten. Statt Hedonismus lehrten sie jedoch die Tugendhaftigkeit der Apathie, der Erregungs- und Emotionslosigkeit. Nur wenige, durch Vernunft begründbare Gefühle galten ihnen als erstrebenswert.

Die Philosophie im alten Rom basierte auf den Lehren der griechischen Vorgänger, wobei die Pragmatik gegenüber der Ontologie in den Vordergrund rückte. SENECA (4 v.Chr.-65 n.Chr.), Lehrer des Nero, stand in der Tradition der Stoa und bezeichnete die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal als den besten Weg zu Freiheit und wahrem Glück. Der Mediziner GALENUS (129-199) übernahm die hippokratische Lehre von den vier Körpersäften und suchte nach dem Zusammenhang zwischen Körper und Persönlichkeit. Die Ontologie erfuhr eine Aufwertung durch PLOTIN (205-270), einen Anhänger platonischer Lehren. Plotin meinte, die Welt sei 5-stufig gegliedert. Die höchste Stufe sei „das Eine" von unübertrefflicher Vollkommenheit, die niedrigste Stufe die Materie. Die Seele steige in die Körperwelt hinab und stehe zwischen Geist und Körper. Das Geistige sei gegenüber dem Körperlichen höherwertig und dem Menschen obliege es, zu den höheren Stufen zurückzustreben. Zu Wissen gelange der Mensch laut Plotin weder durch Denken noch durch Beobachtung, sondern durch unmittelbare Einsicht in „das Eine".

Mittelalter

Während des Mittelalters kam es zu keinen nennenswerten Weiterentwicklungen der Philosophie. Die wesentlichen Richtungen waren allerdings bereits etabliert. So stand die Ontologie der Pragmatik gegenüber und als epistemologische Grundlage standen sich das Denken, die Beobachtung und das Irrationale gegenüber. Die einflussreichsten Denker des Mittelalters waren der Kirchenvater AUGUSTINUS (354-430) und THOMAS VON AQUINO (1225-1274). Augustinus begründete den Glauben nachhaltig als Erkenntnisprinzip. Sein Werk Über den Gottesstaat war eine christliche Version platonischer Lehren, in denen zwischen einer höheren geistigen und einer niedrigeren materiellen Welt unterschieden wird. Glaube an und Liebe zu Gott führen laut Augustinus zur Erkenntnis des Wesentlichen und zu Glückseligkeit. Augustinus hinterließ eine Autobiographie und begründete die für die spätere Psychologie bedeutsame Methode der Introspektion. Thomas von Aquino plädierte für eine Verbindung zwischen Wissen und Glauben. Er entwarf eine Weltordnung mit einer Hierarchie der Wesen, in welcher der Mensch zwischen Engel und Tier stehe. In der Tradition von Aristoteles nahm Thomas eine Einteilung verschiedener (höherer und niederer) seelischer Funktionen vor. Der Mensch sei durch seine körperliche Natur gefährdet und solle seinen Verstand auf das Göttliche richten. Etwa um das Jahr 1500 begann die Zeit des Humanismus, eine wissenschaftliche Richtung, die sich gegen die Jenseitsorientierung und den Dogmatismus der Scholastik (der christlichen Lehre des Mittelalters) wandte und nach geistiger Emanzipation strebte. Ein wichtiger Vertreter war MELANCHTHON (1497-1560), der weltliche Wissenschaft von der Theologie lösen wollte. Circa im Jahr 1520 taucht der Begriff Psychologie erstmals in einer Schrift des Humanisten Marko Maurulic auf. Zu dieser Zeit entstanden europaweit Universitäten, in denen Theologie, Medizin, Rechtswissenschaft und freie Künste (einschl. Philosophie) gelehrt wurden (die erste Universität wurde 1088 in Bologna gegründet).

In den nachfolgenden Jahrhunderten wurde das wissenschaftliche Denken nachhaltig von zwei philosophischen Richtungen geprägt: dem Rationalismus und dem Empirismus. Beide umfassten sowohl eine Epistemologie (die sich damit beschäftigt, wie der Mensch zu Wissen gelangt) und eine Moralphilosophie (die der Frage nachgeht, wie sich der Mensch verhalten sollte).

Philosophische Vorläufer der heutigen Psychologie

Der Rationalismus geht von einer vorgegebenen Vernunftordnung aus. Es gebe eine Ordnung in der Welt, die es zu entdecken gilt. Die Ratio, das vernunftgeleitete Denken, führe zu Wissen. Eine gutes Leben ist ein solches, welches im Einklang mit der vorgegebenen Ordnung steht und auf Vernunft gründet. PETRUS RAMUS (1515-1572) bestimmte Richtlinien für ein wissenschaftliches Vorgehen. Seine Methode war die Vernunftkritik. RENE DESCARTES (1596-1650) zog alle Sinneseindrücke in Zweifel und meinte, nur das Denken verschaffe Gewissheit. Seine dualistische Unterscheidung zwischen materieller und geistiger Welt hatte über viele Jahrhunderte einen nachhaltigen Einfluss auf die abendländische Philosophie. Alle Körper seien Automaten und unterlägen mechanischen Gesetzmäßigkeiten (festgelegt von Gott, dem „Brunnenmeister", der nunmehr die Welt sich selbst überlassen hat). Davon unabhängig sei der Geist. Descartes beschrieb ausführlich den Reflexvorgang und kann in dieser Hinsicht als Vorläufer des behavioristischen Reiz-Reaktions-Paradigmas angesehen werden. Anmerkung: Descartes beschrieb in den Meditationen die verschiedenen Schritte eines Prozesses der Selbstkenntnis, der mit der Prämisse "cogito ergo sum" einsetzt. Dabei ging es Descartes nicht allein um das Denken, wie die übliche Übersetzung nahelegt, sondern um jeden bewussten Wahrnehmungszustand. Die Psychologie beschäftigt sich dabei mit dem Grundproblem, dass objektiv-wissenschaftliche Kenntnis allgemein zugänglich sein muss, Bewusstseinszustände aber ausschließlich privater Natur sind. Als sich die Psychologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als eigenständige wissenschaftliche Disziplin entwickelte, wurde die Selbstbeobachtung noch gemeinhin als unabdingbare Notwendigkeit betrachtet, wobei zwischen verschiedenen Schulen ein lebhafter Methodenstreit darüber geführt wurden, mit welchen Mitteln diese Selbstbeobachtung ausgeführt werden sollte und welche Elemente man dabei entdecken könnte. Die Erfolge von Reflex- und Konditionierungsstudien führten schließlich zu einer Kehrtwende und zum Erfolg der Behavioristen, deren theoretisches Ziel die Voraussage und Kontrolle von Verhalten ist, während Introspektion keine Rolle in ihren Methoden und geradezu verpönt war. Das Bewusstsein und die Überprüfung seiner Inhalte verschwanden in der Folge weitgehend aus der Psychologie, doch mit den neuen technologischen Möglichkeiten wie der funktionellen Magnetresonanztomografie wird es möglich, für gewisse Gehirnaktivitäten die gleiche objektive Zugänglichkeit zu erzeugen, die im Zeitalter des Behaviorismus den äußeren Verhaltensmustern vorbehalten war. Daher ist man neuerdings zu einer Korrelation von Physiologie und Bewusstseinsinhalten zurückgekehrt, wie sie auch in der Anfangszeit der experimentellen Psychologie praktiziert worden ist.

BENEDICT DE SPINOZA (1632-1677) schuf eine Philosophie mit den Eckpfeilern Pantheismus, Determinismus und psychophysischem Parallelismus. GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ (1646-1716) meinte, das Weltganze ließe sich in unendlich viele Einheiten, sogenannte Monaden, gliedern. Leibniz sprach von verschiedenen Bewusstseinsstufen und von „kleinen Perzeptionen", die unterhalb der Bewusstseinsschwelle lägen. CHRISTIAN WOLFF (1679-1754) veröffentlichte umfangreiche Schriften in deutscher Sprache und unterschied explizit zwischen einer empirischen und einer rationalen Psychologie. Das Bekenntnis zur Pflicht und zum Leben in Einklang mit der Vernunftordnung ist der zentrale Aspekt der rationalistischen Ethik. IMMANUEL KANT (1724-1804) sah Moral als Naturgesetz an. Laut Kant gibt es a-priori-Kategorien, die dem menschlichen Geist angeboren seien und ihm ermöglichen, die Sinneserfahrungen zu ordnen und zu interpretieren. Zu diesen a-priori-Kategorien zählten Raum, Zeit und Kausalität, aber auch die Fähigkeit der Unterscheidung zwischen Gut und Böse.

Der Empirismus setzt auf das Primat der Erfahrung: Nur die Sinneswahrnehmung zeige, wie die Welt beschaffen sei. Moralphilosophisch wird das als gut angesehen, was Lust und Freude bringt und Schmerz vermeidet. FRANCIS BACON (1561-1626) unterschied die Gelegenheitsbeobachtung von der systematischen Beobachtung (die er ihrerseits in planmäßige Beobachtung und Experiment unterteilte). JOHN LOCKE (1632-1704) meinte, der menschliche Geist sei zu Beginn des Lebens ein unbeschriebenes Blatt (im Gegensatz zu Rationalisten wie Descartes, die von angeborenen Ideen bzw. Denkkategorien ausgingen). Nur durch sinnliche Erfahrung lerne der Mensch alles, was er später über die Welt weiß. Locke unterschied zwei Arten geistiger Tätigkeit: Sinneserfahrung und Reflexion. Letztere richte sich auf die Erstere. Alle Inhalte des Geistes bezeichnete Locke als Ideen. Von diesen gäbe es einfache und komplexe. GEORGE BERKELEY (1685-1750) behauptete, ohne das Wahrgenommenwerden gäbe es keine Existenz. Das Sein aller Dinge setzt voraus, dass diese Dinge von einem bewussten Geist wahrgenommen werden. DAVID HUME (1711-1776) tilgte alle noch verbliebenen rationalistischen und deistischen Elemente aus dem Empirismus und lenkte diesen in eine materialistische Richtung. Das alleinige Prinzip der geistigen Ordnung sei die Assoziation. Er benannte drei Prinzipien, aufgrund derer Ideen einander anziehen: Ähnlichkeit, raum-zeitliche Nähe (Kontiguität) und Kausalität (wobei dieses Prinzip ein Spezialfall der Kontiguität darstellt). Alle komplexen Denkinhalte ließen sich laut Hume in ihre kleinsten Einheiten zerlegen und analysieren. Seine Philosophie war demnach assoziationistisch, elementaristisch (reduktionistisch) und sensualistisch (alles Wissen gründet auf Erfahrung). JULIEN OFFRAY DE LA METTRIE schrieb im Jahre 1748 sein umstrittenes Buch Der Mensch als Maschine. In diesem Werk geht er einen bedeutsamen Schritt weiter als Descartes: Während Descartes lediglich die körperliche Welt als automatenhaft begriff, übertrug de la Mettrie diesen Gedanken auch auf die geistige Welt. JEREMY BENTHAM (1748-1832) war ein Verfechter des Utilitarismus: Gut sei, was Nutzen bringe. Mit seinem hedonistischen Kalkül wollte er eine Berechnungsformel für Glück und Unglück schaffen. Eine Gesellschaft solle das größtmögliche Glück für die größtmögliche Anzahl von Personen ermöglichen. ADAM SMITH (1723-1790) meinte, jegliches menschliche Verhalten, auch altruistische Taten, ließen sich auf das Streben nach Eigennutzen zurückführen. CLAUDE HELVETIUS übertrug dieses Prinzip auf die Erziehung und empfahl Lohn und Strafe als jene Mechanismen, derer sich die Gesellschaft bedienen müsse, um sozialverträgliches Verhalten zu erzeugen.

Nicht nur Rationalismus und Empirismus, auch der Irrationalismus fand in dieser Zeit seine Fortsetzung. JACOB BÖHME (1575-1624) setzte statt auf Erfahrung oder Vernunft auf Mystik und das Streben nach Verbindung mit gottähnlichen Wesenheiten.

Neben epistemologischen und moralphilosophischen Strömungen gab es auch Weiterentwicklungen der praktischen Philosophie. Die Psychognostik beschäftigte sich damit, wie man aufgrund körperlicher Merkmale Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ziehen könne. JOHANN CASPAR LAVATER (1741-1801) behauptete, es gebe feste Zuordnungen von Körpermerkmalen und Charaktereigenschaften.

Franz Joseph Gall (1758-1828) entwickelte die Phrenologie, eine im 19. Jahrhundert sehr einflussreiche Bewegung, die davon ausging, die Form des Schädels erlaube Rückschlüsse auf die darunter liegenden Hirnregionen und deren Funktionstüchtigkeit. Der seinerzeit berühmte und bis heute berüchtigte Mediziner wurde 1758 in der Nähe von Pforzheim geboren, studierte in Straßburg Medizin und kam 1781 nach Wien, um seine Ausbildung u. a. bei Gerard van Swieten abzuschließen. Neben seiner Tätigkeit als praktischer Arzt beschäftigte er sich intensiv mit dem Gehirn. Er hat etwa den Faserverlauf von Nerven (vom Rückenmark zum Gehirn) entdeckt. Gall feierte in den 90er-Jahren des 18. Jahrhunderts in Wien große Erfolge, denn seine Privatvorlesungen waren sehr beliebt und seine Schriften zählten zu den meistgelesenen. Gall begründete die Lehre von der Schädelvermessung, aus dem an sich richtigen Gedanken heraus, dass im Gehirn spezifische Fähigkeiten an bestimmten Orten lokalisiert sind, etwa im Riech- oder Sprachzentrum. Gall nahm an, dass sich Geistesgaben und Charakterzüge in der Größe der Hirnareale widerspiegeln und dass sich diese durch Buckeln oder Dellen an der Schädeloberfläche äußern. Die Schädellehre faszinierte die Zeitgenossen sehr, u.a. weil sie einen Blick in die Zukunft ermöglichte, denn Gall machte auf Grund der Schädelform Voraussagen, wie weit es ein Kind in seinem Leben bringen würde. 1801 verbot Kaiser Franz II. die Privatvorlesungen als „religionsgefährlich“, 1805 verließ Gall Wien und begeisterte daraufhin Paris mit seinen Ideen. Seine umfangreiche Schädelsammlung ist heute im Rolletmuseum in Baden zu besichtigen. Sein Schüler Johann Caspar Spurzheim popularisierte die Lehre schließlich auch in England und den USA. Forscher hatten schon früh darauf hingewiesen, dass die Phrenologie nicht beweisbar sei, dennoch übte sie große Wirkung aus. Ein frühes Opfe war der Komponist Joseph Haydn, denn nach seinem Tod 1809 wurde der Kopf vom Rest des Körpers abgetrennt, um ihn genau vermessen zu können. Im Rassenwahn des frühen 20. Jahrhunderts sollte mit Hilfe der Kraniometrie der wissenschaftliche Beweis für die Überlegenheit der Europide“ bzw. der arischen Rasse erbracht werden, obwohl schon damals allen Experten klar war, dass die Größe des Schädels und einzelner Areale nicht umittelbar etwas mit den geistigen Fähigkeiten zu tun haben.
Quelle: http://diepresse.com/home/science/falsifiziert/597245/index.do (10-09-25)

AUGUST VON KNIGGE (1751-1796) schrieb über den richtigen Umgang mit Menschen. KARL PHILLIPP MORITZ (1756-1793) war Herausgeber der ersten psychologischen Fachzeitschrift, dem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde, in dem Vertreter verschiedener Berufe über ein breites Spektrum an psychologisch relevanten Themen berichteten. JOHANN JAKOB ENGEL (1741-1802) verfasste popularpsychologische Werke über Körpersprache und geschicktes Erzählen.

Ebenfalls zur praktischen Psychologie lassen sich die Bemühungen um die Behandlung von psychisch kranken Menschen zählen. JOHANN CHRISTIAN REIL führte 1808 die Bezeichnung Psychiatrie ein. Diese sollte neben Chirurgie und Arzneikunde eine der drei Säulen der Medizin sein. Des weiteren forderte Reil eine humanere Behandlung psychisch Kranker, die über Jahrhunderte in Irrenanstalten wie in Gefängnissen untergebracht und teilweise in Ketten gelegt wurden. JOSEF ANTON MESMER (1734-1815) behandelte Kranke mit Magneten. Er ging von einem tierischen Magnetismus aus, welcher auch im menschlichen Körper die Voraussetzung für Gesundheit sei. Mittels Magneten ließe sich die Harmonie dieser Körperströmungen wiederherstellen. EMIL KRAEPELIN (1856-1926) schuf eine Einteilung psychischer Erkrankungen. Er unterschied zwei Formenkreise der Psychosen: Dementia praecox (die später in Schizophrenie umbenannt wurde) und die manisch-depressiven Störungen. In Paris fand die Hypnose große Beachtung. JEAN MARTIN CHARCOT (1825-1893), bei dem auch Freud lernte, behandelte Hysterie mit Hypnose und glaubte, nur Personen mit hysterischer Prädisposition seien hypnotisierbar. In der Hypnose konnte Charcot seinen Patienten Anweisungen geben, welche körperlichen Symptome entstehen und verschwinden sollten. PIERRE JANET (1859-1947) untersuchte das Phänomen der gespaltenen Persönlichkeiten. In diesen Menschen trenne sich ein kohärentes Bewusstsein von einem dissoziierten Unbewussten. HIPPOLYTE BERNHEIM (1840-1914) sah in der Hypnose einen normalen Zustand der Entspannung, in dem weniger Widerstand gegen therapeutischen Anweisungen geleistet würde. Im Zustand der Hypnose könne man Patienten mittels Suggestion zu Heilung von Symptomen verhelfen.

Psychologie als eigenständige wissenschaftliche Disziplin

Im Rationalismus galt das Primat der Vernunft. Im 18. Jahrhundert entstand eine neue Bewegung, die auf die Bedeutung von Natur und Gefühl hinwies: die Romantik. JEAN-JACQUES ROUSSEAU (1712-1778) meinte, Wissenschaft und Gesellschaft verderbe den Menschen und man müsse der Natur ihren freien Lauf lassen. JOHANN GOTTFRIED HERDER verurteilte das Einheitsdenken in der Wissenschaft und forderte die Beachtung von einzigartigen, individuellen Erscheinungsformen. Zur Allgemeinen Psychologie, die nach Gesetzmäßigkeiten sucht, die für alle oder zumindest die meisten Menschen Gültigkeit besitzen, entstand somit im Zeitalter der Romantik eine Alternative: die spezielle Psychologie. Aus dieser ergab sich eine Gliederung in verschiedene Fächer: Tier-, Entwicklungs-, Völker- und Sozial- sowie Persönlichkeitspsychologie.

Der Arzt und Künstler CARL GUSTAV CARUS (1789-1869) betonte die Bedeutung des Unbewussten. Im Unbewussten (z.B. im Traum) sah er den Schlüssel zum bewussten Erleben. Carus kann somit als wichtiger Vordenker tiefenpsychologischer Theorien gelten. Die Wegbereiter der behavioristischen Psychologie waren außer in der empiristischen Philosophie vor allem in der Naturforschung zu finden, vor allem bei CHARLES DARWIN (1809-1882). Seine Theorie der spontanen Mutationen und des „survival of the fittest", in denen es um die Evolution von körperlichen Merkmalen über mehrere Generationen geht, übertrug George Romanes auf die geistige Entwicklung. C. LLOYD MORGAN (1852-1936) schlug eine strenge Forschungsmethodik vor, die vorsah, stets die einfachste aller möglichen Erklärungen für ein bestimmtes Phänomen vorzuziehen (und z.B. von anthropomorphisierenden Aussagen in der Beschreibung tierischen Verhaltens abzusehen). Bei jeder Gattung beruhe das Verhalten auf anderen Grundlagen. Morgan trug dazu bei, die Tierpsychologie zu einer objektiven Wissenschaft zu machen.

Die Entwicklungspsychologie, eine weitere Fachrichtung der speziellen Psychologie, begann mit Aufzeichnungen, die interessierte Forscher über die Entwicklung ihrer eigenen Kinder anfertigten. Wilhelm Preyer sowie die Ehepaare Stern und Scupin sind Beispiele. Binet und Simon entwickelten Intelligenztests, mittels derer Kinder in verschiedene Leistungsstufen in der Schule eingeteilt wurden. Arnold Gesell bemühte sich um die Erstellung von Entwicklungstabellen, die angaben, in welchem Alter ein Kind zu welchen Leistungen befähigt sein sollte. CHARLOTTE BÜHLER (1893-1974) dehnte die vormals auf Kinder beschränkte Entwicklungspsychologie auf die gesamte Lebensspanne aus.

Die Anfänge der Sozialpsychologie liegen in der Beschäftigung mit den Unterschieden zwischen Kulturen. Wilhelm Wundts Völkerpsychologie sah die höheren psychischen Prozesse als sozial bestimmt an und wollte auch den „Volksgeist" bzw. „Volksseele" mit objektiven Methoden untersuchen. AUGUST COMTE (1798-1857) wollte soziale Gebilde wie Gruppen und Nationen ebenfalls mit naturwissenschaftlichen Methoden erfassen und prägte hierfür den Begriff der „sozialen Physik". Zudem begründete er den Positivismus, der zur wissenschaftstheoretischen Grundlage des Behaviorismus wurde und ausschließlich Beobachtbares und intersubjektiv Nachvollziehbares als adäquaten Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung anerkannte. John Stuart Mill schuf den Terminus Ethologie und meinte hiermit die Untersuchung des Einflusses der Umwelt auf das Individuum (später verengte sich dieser Begriff auf die Tierverhaltensforschung). Herbert Spencer übertrug die Theorien Darwins auf die Evolution sozialer Strukturen (Sozialdarwinismus). Ein wichtiger Einfluss auf die Psychologie als Wissenschaft hatte die Entwicklung neuer statistischer Auswertungsverfahren. Als Begründer der sozialwissenschaftlichen Statistik gilt QUETELET (1796-1874), der sich u.a. um die Bestimmung eines Durchschnittsmenschen bemühte und die Verteilungsformen verschiedener individueller und sozialer Merkmale untersuchte. William McDougall erklärte soziale Phänomene auf der Grundlage der individuellen, biologisch fundierten Bedürfnisse. Die Analyse sozialer Phänomene müsse laut McDougall die menschliche Grundausstattung an Trieben und Instinkten berücksichtigen. Die experimentelle Sozialpsychologie begann mit Norman Triplett, der 1898 die Wirkung des Wettstreits mit anderen auf die individuelle Leistung untersuchte.

Die Persönlichkeitspsychologie hat eine lange Tradition insofern, als bereits in der griechischen Antike Versuche unternommen wurden, Typologien zu entwickeln, mittels derer Menschen in Kategorien eingeteilt und voneinander unterschieden werden können. WILLIAM STERN (1871-1938) gilt als Begründer der wissenschaftlichen Persönlichkeits- und Differentiellen Psychologie. Zuvor bemühte sich FRANCIS GALTON (1822-1911) um die Erforschung individueller Unterschiede. Galton beschäftigte sich mit der Frage, ob geistige Fähigkeiten sich ebenso vererben wie körperliche Merkmale. Intensiv beschäftigte er sich mit der Zwillingsforschung. Großen Einfluss hatte über viele Jahrzehnte die von Galton ins Leben gerufene, sehr umstrittene Eugenik-Bewegung, deren Ziel in der Steigerung der körperlichen und geistigen Gesundheit eines Volkes lag. Inhaber des ersten Lehrstuhls für Eugenik in London war Karl Pearson, dem Erfinder der Produkt-Moment-Korrelation. Des weiteren bemühte sich Francis Galton um die Messung von Intelligenz, von der er vermutete, sie würde sich in einer hohen sensorischen und motorischen Leistungsfähigkeit manifestieren.

WILHELM DILTHEY (1833-1911) entwickelte eine Alternative zu der in der 2.Hälfte des 19. Jahrhunderts sich allmählich entwickelnden experimentellen Psychologie: die verstehende Psychologie, die sich statt den Methoden der Naturwissenschaften der Hermeneutik bediente. Dilthey untersuchte sowohl Einzelpersönlichkeiten als auch allgemeine menschliche Phänomene. JOHANN FRIEDRICH HERBART (1776-1841) wollte die Gesetzmäßigkeiten des Psychischen mit mathematischen Methoden bestimmen und entwickelte Formeln, mit denen er die gegenseitige Beeinflussung von Ideen berechnete.

Diverse Forscher bemühten sich um die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen körperlichen und psychischen Vorgängen. Die bedeutendsten Vertreter dieser physiologischen bzw. medizinischen Psychologie waren Rudolf Herrmann Lotze und Hermann von Helmholtz. Bahnbrechend waren GUSTAV THEODOR FECHNERS (1801-1887) Forschungen zur Psychophysik. Fechner untersuchte die Beziehung der subjektiven zur objektiven Innenwelt (innere Psychophysik) und die Beziehung zwischen der subjektiven Innenwelt zur objektiven Außenwelt (äußere Psychophysik). Insbesondere letztere wurde intensiv erforscht. Fechner überprüfte, wie physikalische Reize subjektiv empfunden werden. Seine Forschung bedeutete eine Weiterentwicklung des Ansatzes von ERNST HEINRICH WEBER (1795-1878), der feststellte, dass auf den verschiedenen Sinnesgebieten unterschiedlich starke Veränderungen von Reizen notwendig sind, um das Erlebnis einer Veränderung zu erzeugen. Die Massformel nach Fechner gründete auf dieser Erkenntnis und postulierte, die Stärke oder Größe einer Empfindung sei eine logarithmische Funktion der Reizstärke bzw. &endash;größe.

Als Geburtsstunde der Psychologie als Wissenschaft wird meist das Jahr 1879 und die Gründung des ersten psychologischen Labors an der Universität Leipzig durch WILHELM WUNDT (1832-1920) genannt. Wundt beschäftigte sich u.a. mit Psychophysik und Sinnesempfindungen, Apperzeption und Reaktion sowie Emotionen. Viele der weltweit bedeutendsten Psychologen der folgenden Jahrzehnte waren Wundts Schüler.

HERMANN EBBINGHAUS (1850-1909) war der Begründer der experimentellen Gedächtnisforschung. Viele der grundlegenden Erkenntnisse über das menschliche Gedächtnis wie z.B. die Lern- und die Vergessenskurve gehen auf Ebbinghaus zurück.

Die Würzburger Schule (Külpe, Marbe, Bühler) machte das Denken zum Gegenstand ihrer Untersuchungen.

Quellen

Legewie, Heiner & Ehlers, Wolfram (1992). Knaurs moderne Psychologie. München: Droemersche Verlagsanstalt.
http://www.fu-berlin.de/abcpsych/Kearney/Tutorium_Allgemeine_Psychologie_I.doc (02-09-09)

[siehe auch "namedropping": Daten zu Geschichte, wichtigen Richtungen und Personen der Psychologie]

 



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