[werner.stangl]s arbeitsblätter 

"namedropping":
Daten zu Geschichte, wichtigen Richtungen und Personen der Psychologie

 Siehe auch: Frauen in der wissenschaftlichen Psychologie

Aristoteles (384-322 v. Chr.), griechischer Philosoph, gehört zusammen mit Platon und Sokrates zu den berühmtesten und bedeutendsten Philosophen des Altertums. Aristoteles war Erzieher Alexanders des Großen. Als Alexander 335 v. Chr. König wurde, kehrte Aristoteles nach Athen zurück und gründete seine eigene Schule, das Lykeion. Da die Gespräche zwischen Schülern und Lehrern häufig während Spaziergängen auf dem Schulgelände des Lykeion stattfanden, wurde Aristoteles' Schule als die der Peripatetiker (Wandelschule) bekannt. Aristoteles verfasste ein Wörterbuch philosophischer Begriffe und eine Zusammenfassung der Lehren von Pythagoras, von denen kurze Auszüge erhalten blieben. Dafür sind seine Unterrichtsnotizen als sorgfältig ausgeführte Kursunterlagen zu fast allen Zweigen von Wissenschaft und Kunst nahezu vollständig erhalten.

Unter diesen Schriften befinden sich Abhandlungen über die Logik, genannt Organon ("Werkzeug"), da sie die Mittel aufzeigen, mit Hilfe derer rechtes Wissen erreicht werden kann. Seine Schriften bezüglich Natur, Zweck und Eigenschaften der Dinge, die ursprünglich von Aristoteles Erste Philosophie genannt wurden, erhielten in der ersten veröffentlichten Ausgabe seiner Werke (um 60 v. Chr.) den Titel Metaphysik, da sie in jener Ausgabe unmittelbar hinter der Physik standen. Die Metaphysik enthält auch seine Betrachtungen über den "Ersten Beweger", oder die erste Ursache. Er nennt das erste Prinzip auch reines Denken, vollkommene Einheit, unveränderlich und "das Denken des Denkens". Seinem Sohn Nikomachos widmete er sein ethisches Werk, die Nikomachische Ethik.

Für Aristoteles bestand die Welt aus Individuen (Substanzen), die in bestimmten natürlichen Gattungen (Spezien) auftreten. Jedem Individuum ist ein spezifisches Entwicklungs- und Wachstumsmuster gegeben, aufgrund dessen es sich zum Exemplar seiner Gattung entwickeln kann. Wachstum, Zweck und Richtung sind somit Bestandteile des innersten Wesens. Obwohl die Wissenschaft, laut Aristoteles, das Allgemeine untersucht, äußert sich dieses Allgemeine in der Existenz einzelner Individuen. Demnach müssen Wissenschaft und Philosophie einen Ausgleich zwischen dem Anspruch des Empirismus (Wahrnehmung und Sinneserfahrung) und dem des Formalismus (rationale Deduktion) schaffen und nicht bloß zwischen ihnen wählen.

Einen wesentlichen philosophischen Beitrag erbrachte Aristoteles mit seinem neuen Begriff der Kausalität. Seiner Überlegung entsprechend gibt es für jedes Ding oder Ereignis mehr als einen "Grund", der erläutert, was, warum und wo etwas existiert. Frühere griechische Denker neigten eher zu der Annahme, dass bloß eine einzige Ursache für eine tatsächliche Erklärung aufschlussreich sei. Aristoteles empfiehlt vier. (Der von Aristoteles verwendete Begriff aition, "ein verantwortlicher, erklärender Faktor", deckt sich nicht mit dem Begriff Ursache im heutigen Sinn.) Die vier Ursachen sind: die materielle Ursache, der Stoff, aus welchem ein Ding gefertigt wird; die Wirkursache, die Quelle für Bewegung, Entstehung oder Veränderung; die formale Ursache, die Form, Art oder Typus angibt; und die Zweckursache, das Ziel, z. B. die volle Entwicklung eines Individuums oder die geplante Funktion eines Gebäudes bzw. einer Erfindung. So z. B. besteht ein junger Löwe aus Gewebe und Organen, seine materielle Ursache; die Wirkursache sind seine Eltern, die ihn zeugten; die formale Ursache wird von der Gattung des Löwen bestimmt und die Zweckursache besteht in seinem angelegten Drang, sich zu einem erwachsenen Löwen zu entwickeln. In unterschiedlichen Zusammenhängen werden die vier gleich bleibenden Ursachen analog angewendet. Somit ist die materielle Ursache einer Statue der Marmor, aus dem sie gehauen wurde, die Wirkursache ist der Bildhauer, die Formursache ist die vom Bildhauer erzielte Gestalt - Hermes oder Aphrodite - und die Zweckursache besteht in ihrer Funktion, ein Werk der schönen Künste darzustellen. Aristoteles glaubte, sein Muster der Ursachen sei der ideale Schlüssel zur Organisation des Wissens.

Für Aristoteles bedeutete Psychologie die Untersuchung der Seele. Seinem Grundsatz treu bleibend, dass Form und Stoff immer als Einheit existieren, definierte Aristoteles die Seele als "Funktionsweise eines Körpers, die so organisiert ist, dass sie Träger vitaler Funktionen sein kann". In seiner Annahme von der essenziellen Verbundenheit von Seele und Körper widerlegte er die Pythagoreische Lehre von der Seele als einer spirituellen, im Körper gefangenen Einheit. Aristoteles' Lehre ist eine Synthese der früheren Vorstellung, dass die Seele nicht unabhängig vom Körper existieren kann, und der platonischen Idee von der Seele als einer gesonderten, nichtkörperlichen Ganzheit. Aufgrund der Funktionsweise der Seele werden die moralischen und intellektuellen Seiten der Menschheit entwickelt. Nach Aristoteles ist das menschliche Denken in seiner höchsten Form (griechisch: nous poetikos, "aktives Denken") nicht auf einen bloßen mechanisch-physischen Vorgang reduzierbar. Jedoch setzt ein solches Denken auch ein individuelles "passives Denken" voraus, welches über die physische Natur der Dinge nicht hinausgehen kann. Somit hat Aristoteles die Beziehung zwischen dem menschlichen Verständnis und den Sinnen, entsprechend der späteren empirischen Auffassung, dass sich Wissen auf Sinneserfahrung stützt, klar dargelegt. Er schrieb: "Nichts existiert im Denken, was nicht schon vorher in den Sinnen existiert hätte" (siehe Empirismus).

Die Grenzen der praktischen Wissenschaft sind aus Aristoteles' Konzept über das menschliche Wesen klar ersichtlich. Das menschliche Wesen entwickelt sich durch Gewohnheiten. Diese sind abhängig von der Kultur eines bestimmten Individuums. Alle menschlichen Wesen wollen "Glückseligkeit", wobei dieses Ziel auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden kann.

Aristoteles' Nikomachische Ethik ist eine Untersuchung des Charakters und der Intelligenz sowie deren Verhältnis zum Glück. Der Philosoph unterscheidet innerhalb seiner Ethik dabei zwischen zwei Arten von Tugenden: die moralische und die des Denkens. Die moralische Tugendhaftigkeit ist eine Ausdrucksform des Charakters, der aufgrund von Gewohnheiten entstanden ist. Eine moralische Tugend ist immer der Mittelweg zwischen zwei Extremen. Tapferkeit z. B. ist der Mittelweg zwischen Feigheit und Tollkühnheit; Freigebigkeit das Mittelding zwischen Verschwendung und Geiz. Die Tugend des Denkens jedoch ist nicht denselben Gesetzen des Mittelweges unterworfen. Nach Aristoteles kann nur von einem reifen, männlichen Erwachsenen die vollkommene Tugend erlangt werden, niemals aber von einer Frau oder Kindern oder Barbaren (also den Nichtgriechen).

Im 20. Jahrhundert schließlich erfuhr die aristotelische Methode und deren Bedeutung für die Erziehung, die literarische Kritik, die Analyse menschlichen Handelns und für die politische Analyse eine neue Würdigung.

Positivismus und Empirismus, die auch heute noch vorherrschenden wissenschaftstheoretischen Ansätze, gehen zurück auf den englischen Aufklärer David Hume (1711-1776). Zur Philosophie ausgebaut wurde der Positivismus bzw. naive Empirismus im 19. Jh. durch August Comte, Hyppolite Taine (Frankreich), John Stuart Mill, Herbert Spencer (England) und Ludwig Feuerbach, Ernst Mach, Hans Vaihinger (deutscher Sprachraum). Es herrschte ein beträchtlicher Fortschrittsglaube und die Annahme, der Forscher könne durch Beobachtung und Experiment wahre Erkenntnisse über die Natur und deren Gesetze gewinnen. In der Tat konnte die Naturwissenschaft (bes. Biologie, Chemie und Medizin) zu dieser Zeit gewaltige Fortschritte vorweisen.

Charles Darwin (1809-1982) entwickelte die Lehre des Evolutionsprozesses auf Basis eines natürlichen Ausleseprozesses. Die Humanwissenschaft zog später daraus den Schluß, dass primitive Völker auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe stünden und somit den Europäern intellektuell unterlegen seien. Heute wissen wir, dass Intelligenz sich kulturunabhängig gar nicht messen läßt.

Bereits als Kind sammelte der am 12. Februar 1809 in England geborene Charles Robert Darwin Mineralien und beobachtete Tiere. Nach einem abgebrochenen Medizinstudium begann er auf Drängen seines Vaters ein Theologiestudium, doch nebenbei beschäftigte er sich intensiv mit naturwissenschaftlichen Themen und unternahm zahlreiche Exkursionen in die Natur. Im Dezember 1831 startete Darwin die von ihm bereits langersehnte Forschungsreise auf dem Vermessungsschiff «HMS Beagle», auf der er die Erkenntnisse gewann, die er später zu seiner Evolutionstheorie ausbaute. Die Reise führte ihn fast fünf Jahre lang unter anderem nach Südamerika, zu den Galapagos-Inseln und nach Neuseeland. Der detailversessene Jungforscher sammelte massenhaft geologische, zoologische und fossile Proben, seine Notizen umfassten am Ende weit über 1.000 Seiten. Nach und nach reiften in Darwin - der sich nach der Rückkehr mit Büchern über seine geologischen Entdeckungen als Wissenschaftler etablierte - die Ideen vom Wandel der Arten, die er später zur Evolutionstheorie zusammensetzte. Damals war noch der Glaube weit verbreitet, Tiere und Pflanzen seien seit ihrer Entstehung beziehungsweise Erschaffung unverändert und unveränderbar. Im Sommer 1837 zeichnete der nun in London wohnende 28-Jährige in eines seiner Notizbücher eine berühmt gewordene Skizze: Unter der Überschrift «I think» (»Ich denke») ist eine Art Stammbaum zu sehen, der das Entstehen, Variieren und Aussterben von Arten in Grundzügen zeigt. Neben seinen geologischen Veröffentlichungen arbeitete Darwin seine Theorie der Entwicklung der Arten durch natürliche Selektion nach und nach aus. Die unterschiedlichen Arten stammen demnach von gemeinsamen Vorfahren ab und haben sich von Generation zu Generation auseinanderentwickelt. Dabei setzten sich jeweils die am besten an ihre Umwelt angepassten Individuen einer Art durch und pflanzten sich fort. Darwin fasste dies in den Prinzipien Variation und Selektion zusammen. Gedrängt von den Erkenntnissen des Forschers Alfred Russel Wallace, der zu den gleichen Schlüssen gekommen war, begann Darwin in den späten 1850er Jahren mit der Ausarbeitung eines Manuskripts für sein Hauptwerk. Am 24. November 1859 veröffentlichte Darwin das Buch «Über die Entstehung der Arten» (»On the Origin of Species»). Trotz der auch in Wissenschaftskreisen geäußerten Zweifel galt die Theorie schon bald als weitgehend anerkannt und wurde von ihren Befürwortern verbreitet. Kritik kam allerdings weiterhin von Kirchenvertretern, die die Schöpfungslehre in Gefahr sahen. Darwin verfasste noch weitere Werke, die sich unter anderem mit der Evolution des Menschen beschäftigten. Am 19. April 1882 starb er im Alter von 73 Jahren. Darwins Evolutionstheorie wurde in der Folge weiterentwickelt und untermauert. Sie ist die Grundlage der modernen Biologie geworden und gilt längst nicht mehr als Theorie, sondern als Tatsache, die auch weitere Disziplinen beeinflusst hat, wie etwa die Psychologie.

Als Psychologe und Philosoph führt William James ein Phänomen in das moderne Geistesleben ein, das man als „stream of consiousness“ oder „Bewusstseinsstrom“ kennt. William James prägte damit die empirische Psychologie, während sein Bruder Henry James die moderne literarische Fiktion begründete. Dessen Werke kreisen um eine provokante Frage, die er in der berühmten Erzählung „The Turn of the Screw“ bis ins Unerträgliche zuspitzt: Wie weit kann die Vorstellungskraft gehen? William James nahm Unterricht bei dem berühmten Maler William Morris Hunt und fühlte sich auch zum Künstler berufen. Eine Reise durch Deutschland führte ihn von Berlin, wo er den Philosophen Wilhelm Dilthey kennenlernte, weiter nach Heidelberg, wo er Vorlesungen des bewunderten Physiologen Hermann von Helmholtz hörte. Nachdem er sein Medizinstudium beendet hatte, etabliert er sich an der Universität Harvard, indem er schrittweise die medizingeschichtliche Ausrichtung seiner Vorlesungen in eine eigene Thematik überführt, die er Physiologische Psychologie nennt. Für ihn zielt das Forschen auf Daten, Fakten, Beispiele und experimentiert mit Stoffen und Themen, wobei der frühe Aufsatz über das Gefühl der Rationalität zeigt, wie intensiv seine Forschungen um Formen subjektiven Erleben kreisen. Sein Hauptwerk „The Principles of Psychology“ umfasst mehr als 100 Kapitel und 1400 Seiten. In dem Buch wird zum ersten Mal die Idee entwickelt, dass es ausgehend von der Willensfreiheit moralische Äquivalente zu Krieg und Gewalt geben könne. Der radikale Empirist William James hat „seine Kräfte restlos verbraucht“, wie es seine Frau Alice ausdrückt, als er am 26. August 1910 in seinem Sommerhaus am Mount Chocorua das Bewusstsein verliert und stirbt.

Quelle: http://de.news.yahoo.com/1/20081228/ twl-wissenschaftliche-revolution-vor-150-1be00ca_1.html (08-12-29)

Völkerpsychologie

Das Interesse an Unterschieden zwischen verschiedenen Kulturen und Rassen entwickelte sich zur Zeit der Kolonialisierung, wobei man recht bald feststellte, dass die seelischen Eigenschaften in erster Linie von der sozialen Umwelt geprägt werden.  Wilhelm Humboldt (1767-1835) prägte den Begriff der "Völkerpsychologie" und stellte die These auf, die später von Benjamin Lee Whorf unterstützt wird, dass das Denken im wesentlichen von der Sprache bestimmt wird, die letztlich auch Ursache der unterschiedlichen Weltansichten der Völker ist.  Als Begründer der Völkerpsychologie gelten jedoch weniger Humboldt oder Wundt, sondern eher der Philosoph Moritz Lazarus (1824-1903) und der Philosoph und Linguist Herman Steinthal (1823-1899), die in ihrer "Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft" ein Programm entwickelten, wodurch das vergleichende Studium der Völker die Entwicklung des Menschen, der Sprache und das Entstehen sozialen Verhaltens studiert werden.

Ruth Benedict (1887-1924) und Margaret Mead (1901-1978) prägten später die Richtung der sog. personality oder culture-Schule, die heute eher als psychologische oder ethnologische Anthropologie bezeichnet werden. Untersuchungen noch lebender primitiver Kulturen sollen Aufschluß geben über das Verhältnis von Persönlichkeit und Kultur. Besonders die Psychoanalyse hatte großen Einfluß auf die Ethnologie. Freud weist z.B. in "Totem und Tabu" auf die Ähnlichkeit zwischen bestimmten neurotischen Störungen und primitiven Vorstellungen hin. Heute versuchen Psychoanalytiker wie Abram Kardiner Zusammenhänge zwischen Sozialisationspraktiken und Persönlichkeitsstrukturen zu untersuchen.

George Herbert Mead studierte kurze Zeit auch in Deutschland (Leipzig, Berlin) und lehrte als Sozialphilosoph und Sozialpsychologe in den USA (Chicago). Zu Lebzeiten veröffentlichte Mead kein einziges Buch, aber seine Vorlesungen und Manuskripte wurden von Schülern nach seinem Tod herausgegeben. Dadurch wurden Meads Theorien in Europa erst in den sechziger und siebziger Jahren bekannt. Meads Vorstellungen von menschlicher Sozialisation und Kommunikation sind - in spezifischer, fortentwickelnder Weise - dem Behaviorismus und dem Pragmatismus verpflichtet. Der Begriff "symbolischer Interaktionismus" stammt nicht von Mead selbst, sondern von seinem Schüler Herbert Blumer, der diesen Begriff 1937 zur Bezeichnung der Theorie Meads einführte. Für Mead stellt die Geste - vor allem die sprachliche - das Grundelement sozialer Interaktion dar: "... sie ist einer jener gesellschaftlichen Reize, der das sie gebrauchende Wesen auf die gleiche Weise beeinflußt, wie er es beeinflussen würde, wenn er von einem anderen Wesen käme. Das heißt, dass wir uns selbst sprechen hören können, wobei die Bedeutung des Gesagten für uns die gleiche ist wie für andere."
Sprachliche Gesten (gesprochene Worte) bezeichnete er als signifikante Symbole. Mead betonte die grundlegende Bedeutung der Sprache bei der Vermittlung sozialer Standards, wobei diese vor allem in der Kindheit vermittelt werden. Neben der Sprache hat Mead die Nachahmung und das Rollenspiel (role play) des Kindes für den Erwerb von Verhaltensstandards verantwortlich gemacht, denn in diesem übernimmt das Kind immer auch die Rolle anderer, d.h., es übt einerseits allgemein übliche Verhaltensstandards ein, wandelt sie aber andererseits nach den eigenen Erfordernissen ab. Vom Rollenspiel vollzieht Mead einen Schritt zum Wettkampf (game), in welchem man bereits die zu erwartenden Reaktionen von Gegnern vorausdenken muß. Mead versuchte zu erklären, dass erst durch eine universale Rollenübernahme (role taking) Kommunikation möglich wird. Mead glaubte auch, dass die Gemeinschaft die Kontrolle über das Verhalten ihrer einzelnen Mitglieder ausübt. Hauptwerk: Mead, G.H. (1995). Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt.

Charlotte BühlerCharlotte Bühler (1893-1974) z.B. hat 1933 auf der Basis von (Auto-) Biographien versucht, eine Phasenlehre der menschlichen Entwicklung zu erarbeiten und typische Lebensläufe herauszufinden. Aufgrund einer Fülle an quantifizierten Daten stellte sie schon früh das Streben des Menschen nach Erfüllung heraus.

Charlotte Bühler erhielt 1918 ihren Dr.phil. in München und arbeitete mit ihrem Ehemann Karl Bühöer am Dresdner Institut für Technologie, dort wurde sie 1920 die erste Frau, die Vorlesungen hielt. 1923 ging sie über das Rockefeller Austauschprogramm in die USA, um mit Edward Thorndike an der Columbia University zu arbeiten. Nachdem sie nach Wien zurückkehrte, gründete sie zusammen mit ihrem Ehemann Karl Bühler ein psychologisches Institut an dem sie das "Herz" der Abteilung Kinder - Psychologie war. Ihre Arbeiten in der Kinder - Psychologie hatten großen Einfluss auf den amerikanischen Kinderpsychologen Arnold Gesell. Viktor FranklAls die Nazis die macht ergriffen, floh sie mit ihrem Mann nach Oslo und später (1940) in die USA. Dort galt ihr psychologisches Interesse der neu entstandenen Humanistischen Psychologie. Zusammen mit Abraham Maslow, Carl Rogers und Viktor Frankl (bild rechts), nahm sie 1964 an der Gründung der Association For Humanistic Psychology teil. Dann identifizierte sie sich sehr stark mit dem, was Maslow die "dritte Kraft" in der amerikanischen Psychologie nannte (neben dem Behaviorismus und der Psychoanalyse). Sie diente in dieser Organisation als Präsidentin von 1965-1966. Als Mitglied der "dritten Kraft" veröffentlichte sie zwei Bücher zu jenem Thema: The course of human life und in Zusammenarbeit mit Melanie Allan, Introduction to human psychology.
Der Exilnachlass und die Exilbibliothek von Karl und Charlotte Bühler wurden 2017 von der Universitätsbibliothek der Universität Wien erworben. Sie konnten nur wenige ihrer wissenschaftlichen Materialien ins Exil bringen, denn der Großteil wurde von Nationalsozialisten geraubt. In den USA haben beide wieder gesammelt und ihre Bestände aufgebaut, später haben die Bühlers auch Material zurück erhalten, das in der Nachkriegszeit gefunden und identifiziert wurde. Über seine Kontakte zu den Kindern des Ehepaars Bühler istder deutsche Semiotiker Achim Eschbach (Universität Essen), der sich intensiv mit dem Werk der Bühlers auseinandergesetzt hattw, in den Besitz des Nachlasses gekommen, von dem die Wiener Uni-Bibliothek diesen nun erworben hat. Zudem hat das Institut Wiener Kreis auch eine Sammlung von Sonderdrucken der Bühlers sowie Bücher, Korrespondenz, Manuskripte und persönliches Material wie Fotos bekommen, die über einen ungarischen Assistenten von Bühler nach Budapest gelangt und dort deponiert waren. Der Nachlass wurde anlässlich der Buchpräsentation “Karl Bühlers Krise der Psychologie” am 7. Dezember 2017 im Archiv der Universität Wien vorgestellt.

Als Begründer der Völkerpsychologie gelten jedoch weniger Humboldt oder Wundt, sondern eher der Philosoph Moritz Lazarus (1824-1903) und der Philosoph und Linguist Herman Steinthal (1823-1899), die in ihrer "Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft" ein Programm entwickelten, wodurch das vergleichende Studium der Völker die Entwicklung des Menschen, der Sprache und das Entstehen sozialen Verhaltens studiert werden. Wilhelm Wundt (1832-1921) vertrat die Ansicht, dass nur individuelles Verhalten experimentell erforscht werden kann. Völkerpsychologie umfaßte für ihn Kultur, Religion, Sprache, Mythos, Sitte und Kunst. Sein 10-bändiges Werk zur Völkerpsychologie ist eine nur beschreibende Völkerkunde, die heutigen Forschungsansprüchen nicht entspricht und die damalige Forschung eher aktiv behindert hat. 

Massenpsychologie

Berühmtester Theoretiker der Massenpsychologie ist der französische Arzt und Soziologie Gustave LeBon (1841-193) mit seinem berühmten Buch "Psychologie der Massen" (1895). Eigentliches Ursprungsland der Massenpsychologie ist jedoch eher Italien. Ende des 19.Jh. war das Bedürfnis nach der Behandlung dieses Themas sehr groß, da seit der französischen Revolution 1789 Europa von bedeutenden Umwälzungen betroffen war: Industrialisierung, aufkommende Massenfertigung, Landflucht, Massen- transportmittel in den Städten, Massenkommunikationsmittel wie Tagespresse, erstarkender Nationalismus, aber auch sozialistische Internationale, Gewerkschaftsbildung, Maidemonstrationen (seit 1890). Das Interesse an diesem Thema beruhte natürlich zunächst darauf, Massenbewegungen vorherzusehen und evtl. zu lenken, um etablierte Gesellschaftsschichten zu schützen. Die sog. "Lateinische bzw. Römische Schule" wollte zunächst die ..verminderte Zurechnungsfähigkeit des einzelnen in der Masse nachweisen (kriminologisches Interesse) . Scipio Sighele bespricht in seinem Buch "Psychologie des Auflaufs und der Massenverbrechen" 1891 das Phänomen "entgleister Mengen", wo der einzelne in einen veränderten Bewußtseinszustand gerät und für sein Handeln nur noch begrenzt verantwortlich ist. Gustave LeBon begründet das Verhalten in Massen damit, dass höhere psychische Funktionen des Individuums in der Masse gebremst und niedrigere Funktionen verstärkt würden. Als Resultat ist die Masse somit "dümmer" als die Individuen im Durchschnitt. LeBon übte nicht nur auf Laien sondern auch auf z.B. Freud einen großen Einfluß auf. Aufgrund methodischer Schwächen wurde seine Theorie später jedoch nicht weiter beachtet. Heute werden Fragen der Massenpsychologie innerhalb der Massenkommunikationsforschung oder der Soziologie bzw. innerhalb der Ökologischen Psychologie (crowding-Forschung) behandelt, wobei auffälligerweise die alte Massenpsychologie völlig ignoriert wird.

Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (1821-1894) wurde in Potsdam geboren, begann im Alter von 17 Jahren als militärärztlicher Stipendiat das Studium der Medizin in Berlin. Nach dem Abschluss war er zuerst Chirurg an der Charité, dann Militärarzt bei den Gardehusaren in Potsdam. Trotz der intensiven Arbeit richtete er sich in der Kaserne ein kleines Zimmer ein, in dem er mit bescheidenen Mitteln experimentierte. Nach seiner Laufbahn als Militärarzt, war er Professor der Physiologie in Königsberg, Bonn und Heidelberg und seit 1871 Professor der Physik in Berlin.

Hermann von Helmholtz gehört zu den wichtigsten Wissenschaftlern des 19. Jahrhunderts, denn für eine Vielzahl von Fachgebieten hat er Großes geleistet und Entwicklungen auf den Weg gebracht, von denen wir bis heute profitieren. Er inspirierte nachhaltig Physiologie, Medizin und Physik und leistete einen großen Anteil an der Entstehung einer naturwissenschaftlich orientierten Psychologie.

Helmholtz wurde 1888 erster Präsident der neugegründeten Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin. Zunächst analysierte er den Stoffwechsel bei der Muskelarbeit (1845) und den Zeitverlauf der Muskelzuckung (1850). Die nötigen Apparaturen entwarf er selbst. Helmholtz ermittelte damit die Geschwindigkeit, mit der sich ein Reiz an einem Nerv entlang bewegt. Auf diese Weise belegte er, dass Prozesse der Informationsverarbeitung im Körper messbar sind. Das war letzten Endes eine Grundlage für die Entstehung einer empirischen Psychologie. Er maß 1850 erstmals die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung (ca. 30 - 50 m/sec).
1850 erfand Helmholtz den Augenspiegel. Damit hatten Augenheilkundler erstmals ein Instrument an der Hand, mit dem sie Netzhauterkrankungen feststellen konnten. Mit noch nicht einmal 30 Jahren wurde Helmholtz 1849 Professor in Königsberg. Dort wandte er sich immer mehr den Sinnesempfindungen zu. In seinem Habilitationsvortrag verteidigte er erfolgreich eine Theorie des Farbensehens, die als Young-Helmholtzsche Theorie bekannt wurde. Später, an der Universität Heidelberg, befasste sich der Wissenschaftler verstärkt mit den Grundlagen des Hörens. Er untersuchte unter anderem die Physik des Trommelfells und erkannte die Funktion der Gehörknöchelchen als Schallverstärker

Auf dem Gebiet der Musik wurde er mit seinem Werk "Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik" (1863) Begründer der modernen musikalischakustischen Forschung. Im Forschungsbereich der Physik klärte Helmholtz die Bedeutung des Energieprinzips, behandelte die Hydrodynamik der Wirbelbewegungen (1858), wurde durch Untersuchungen zur Elektrodynamik seit 1870 zum Vorkämpfer der Maxwellschen Theorie und stellte die Bedeutung des Prinzips der kleinsten Wirkung (1884-94) klar heraus. Er war auch Erfinder des Augenspiegels.

Er entdeckte auch das "Prinzip des Verarbeitungsortes" von Reizen bei der Codierung von Sinnes-Modalität und -Qualität: Der Ort, an dem eine bestimmte nervöse Erregung verarbeitet wird, bestimmt dessen subjektives Empfinden. Das bedeutet, dass das Gehirn dasjenige als "Sehen" interpretiert, was jene Areale der Hirnrinde erregt, die für die visuelle Informationsverarbeitung zuständig sind. Dementsprechend wird das als "Hören" interpretiert, was die auditorischen Hirnrindenareale erregt usw. Die Konsequenz dieser Hypothese: Könnte man die für das Sehen und Hören verantwortlichen Nervenbahnen austauschen, so dass das Auge in das Hör-, das Ohr jedoch in das Sehzentrum projizierte, dann könnten wir Blitze hören und Donner sehen. Konstruktivisten berufen sich daher immer wieder auf dieses Prinzip, wenn sie begründen wollen, dass das Gehirn die Welt streng genommen nicht abbildet, sondern sie eigentlich neu erschafft, wenn Umweltreize in die Sprache der Neuronen übersetzt werden.
Mit Werner von Siemens begündete Helmholtz auch die Physikalisch-Technische Reichsanstalt, den Vorläufer der heutigen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, und wurde deren Präsident.

Gustav Theodor Fechner (*1801) prägte den Begriff der Psychophysik. In ihm vereinigten sich Rationalismus und mystisches Denken und er betrachtete das Universum als beseeltes Wesen und ging davon aus, dass das Weltganze einer höheren, kosmischen Ordnung zustrebt. Er suchte die Verbindung zwischen Philosophie und Physik, welche er in der Psychophysik sah. Als Vater der Psychophysik gilt 

Ernst Heinrich Weber (1795-1878) erforschte die Funktion der Sinnesorgane. Die Empfindungen betrachtete er als Rohmaterial für unsere Wahrnehmungsurteile. Zunächst beschäftigte er sich mit den Reizschwellen. Die Tastempfindlichkeit der Haut untersuchte er mit dem Stechzirkel: Ab welcher Entfernung werden an welcher Körperstelle 2 Berührungspunkte gefühlt? Weber wollte Empfindungen arithmetisch darstellen und setzte den Reizzuwachs in ein Verhältnis zum Ausgangsreiz. Fechner knüpfte an dieser Beobachtung an und stellte schließlich fest, dass eine Veränderung eines Reizes, die notwendig ist, um noch erkannt zu werden, im konstanten Verhältnis zur Standardgröße steht. Für die verschiedenen Sinne erkannte Fechner unterschiedliche Konstanten. z.B. Gewicht 100/102, d.h. 1/50 . Weitere Werte: Helligkeit: 1/60 Temperatur 1/30 Weber-Fechnersche Gesetz:.. Salzgeschmack 1/3 Gilt jedoch nur ungefähr im mittleren Bereich der Sinnesreize.

 

Hermann Ebbinghaus (1850-1909) Studium der Geschichte und Philosophie, lernte mehrere Sprachen und arbeitete auch als Sprachlehrer. Fechners Buch "Elemente der Psychophysik" veranlaßten ihn, die psychophysikalischen Methoden auf Gedächtnisleistungen anzuwenden. Hermann Ebbinghaus publizierte im Jahr 1885 das Buch "Über das Gedächtnis." In dieser Pionierschrift der experimentellen Psychologie konnte er u.a. für das Gedächtnis folgendes Gesetz feststellen: "Die Quotienten aus Behaltenem und Vergessenem verhalten sich etwa umgekehrt wie die Logarithmen der verstrichenen Zeit."

Er wirkte in Berlin (1880 - 1893), Breslau (1894 - 1905) und Halle (1905 - 1908). Ohne Anhänger eines psychologischen Atomismus zu sein, hielt er die Zerlegung des Bewußtseins in Elemente für notwendig. Seiner Meinung nach gibt es keine einfachen Willensakte, sondern nur Kombinationen von Empfindung bzw. Vorstellung und Gefühl. Er faßte Gedächtnisinhalte als Vorstellungsreihen auf, die, wenn sie von einer Person fehlerfrei reproduziert werden können, als gelernt gelten, nach gewisser Zeit jedoch teilweise wieder vergessen werden. Die Zeit, die für ein wiederholtes Lernen benötigt wird, ist immer geringer. Man spricht hier von der Ersparnismethode. Ebbinghaus verwandte später sinnlose Silben-Reihen für seine Experimente. Dabei entdeckte Ebbinghaus eine spezifische, nicht-lineare Vergessenskurve. Ebbinghaus gilt als Pionier der Gedächtnisforschung.

Elias Müller (1850-1934) führte später weitere Gedächtnisexperimente unter strengeren experimentellen Bedingungen weiter.

Wilhelm Wundt *1832 in Mannheim als Sohn eines Pfarrers - Medizinstudium in Tübingen  - 1858 Assistenz im Institut für Physiologie bei Hermann von Helmholtz, Heidelberg - 1864 Professor für Anthropologie und medizinische Psychologie, verfasste ein Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Wilhelm Maximilian Wundt gründete im Jahre 1879 nach seiner Berufung zum Professor für Philosophie an die Universität Leipzig, das weltweit erste Psychologische Institut an einer Universität. In Lehrbüchern des Fachs gilt diese Institutsgründung als Geburt der modernen wissenschaftlichen Psychologie. Wundt war auch ein überragender Philosoph, der schon zu Lebzeiten mit Aristoteles und Gottfried Wilhelm Leibniz verglichen wurde. Der studierte Mediziner habilitierte 1857 in Heidelberg, nach verschiedenen Stationen im In- und Ausland folgte er 1875 schließlich dem Ruf auf eine Professur für Philosophie an die Universität Leipzig, wo Wundt bis 1917 tätig war. Leipzig zählte im 19. Jahrhundert zu den bedeutendsten Handelszentren, war gleichzeitig Stadt der Kultur und des Buch- und Verlagswesens, des Bürgertums und der Wissenschaft, sodass das von ihm neu gegründete Psychologische Institut umgehend zahlreiche Mitarbeiter und Schüler anzog, die ihrerseits zu internationalen Gründungsfiguren psychologischer Denkschulen und Teildisziplinen wurden. Wundt trug maßgeblich zur akademischen Etablierung einer Disziplin bei, die heute nicht nur durch die Forschung in ihren vielfältigen Grundlagenbereichen, sondern vor allem auch durch berufspraktische Tätigkeiten in diversen Anwendungsfeldern prägend ist. Der einzigartigen Bedeutung Wundts als Gründer der modernen wissenschaftlichen Psychologie wurde bereits zu seinen Lebzeiten mit einer Reihe hochrangiger Ehrungen Rechnung getragen, etwa den Ehrendoktorwürden und Ehrenmitgliedschaften der Universitäten Budapest, Göttingen, Leipzig und Moskau, zahlreiche Ehrenmitgliedschaften in internationalen Wissenschaftsgesellschaften und -akademien. Wenige Monate vor Wundts Tod wurde auf Geheiß der Stadt Leipzig eine Eiche zu Ehren des Ehrenbürgers Wundt gepflanzt und mit einer hölzernen Tafel versehen. Originalgerätschaften, Möbel und Schriftstücke aus der Frühzeit des Instituts werden in einer Sammlung im „Wilhelm-Wundt-Gedenkzimmer“ aufbewahrt und regelmäßig einer interessierten internationalen Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Aufgrund seines naturwissenschaftlich-materialistischen Standpunktes fordert Wundt die experimentelle Methode und die statistische Auswertung für die Physiologie und Psychologie. Trotzdem wirkt er ab 1875 als Philosoph - 1879 gründet er in Leipzig das erste Experimentalpsychologische Institut - 1883 begründet der die Zeitschrift "Philosophische Studien"  (Er betrachtet die Psychologie als Teilgebiet der Philosophie) Er verfasst zahlreiche philosophische Schriften, u.a. eine mehrbändige Ethik. Später folgt die 10-bändige "Völkerpsychologie" Noch in hohem Alter hält er Vorlesungen. Junge Wissenschaftler aus USA, England, Japan, etc. arbeiten und promovieren bei Wundt. An verschiedenen Hochschulen entstehen Psychologische Institute nach dem Leipziger Vorbild. Zugang zum Psychischen soll die Erfahrung und nicht die Metaphysik bilden. Zunächst wurden die "direkten" Erfahrungen, d.h. die Sinneseindrücke exakt gemessen, wofür zahlreiche Geräte entwickelt wurden. (z.B. Reaktionsgeschwindigkeiten) Erinnerungen, Gefühle, etc. sollten durch Introspektion zugänglich gemacht werden. Durch Beschreibung sollten die Elemente des Bewußtseins und deren Verbindungen festgestellt werden. (Elementenpsychologie). Ziel waren nicht die interindividuellen Unterschiede sondern allgemein Gesetze. Zentraler Begriff ist die Apperzeption, die er als innere Willenshandlung und Prototyp aller psychischen Prozesse beschreibt. (Apperzeption = Vorgang, durch den ein psychischer Inhalt zur klaren Auffassung gebracht wird). Später nennt Wundt seine Psychologie Voluntaristische P. oder Voluntarismus., da psychische Erlebnisse nicht Ereignisse, sondern Ergebnisse von Willenshandlungen sind. 

Apparate zur Erforschung der Seele: Wundt und Mitarbeiter im Labor
Apparate zur Erforschung der Seele: Wundt und Mitarbeiter im Labor

Zu seinen Methoden gehörten ursprünglich neben dem Experiment und der Statistik auch die entwicklungsgeschichtliche Methode (u.a. die Analyse des Unbewußten, Tierpsychologie), auf die er jedoch später verzichtet. Da die Psychologischen Institute stets in den Philosophischen Fakultäten beheimatet waren, waren sie meist schlecht ausgestattet und es gab die Psychologie nicht als Diplomstudiengang oder Prüfungsfach. Auch Wundt war der Ansicht, dass eine Psychologie ohne die Philosophie nicht existenzfähig sei. In den USA hatte sich die Psychologie bereits von der Philosophie emanzipiert.  Der fördernde Einfluß der Leipziger Schule auf die Psychologie beruht in erster Linie auf der Methodenlehre, wenn sie auch andere Entwicklungen, wie z.B. die Sozialpsychologie oder die Ausweitung des Experiments auf höhere Bewußtseinsebenen eher verhindert hat. Weiter ignorierte er interindividueller Unterschiede. 

Während die Leipziger Schule davon ausging, dass alle seelischen Vorgänge anschauliche Elemente enthielten, die auch Verbindungen eingehen, wurden Denkprozesse als solche wenig untersucht, zumal man die Introspektion als wissenschaftliche Methode nur sehr eingeschränkt gelten ließ. Grundlage der Würzburger Schule ist die Denkpsychologie Oswald Külpes (1862-1915) und seiner Schüler Narziß Ach (1871-1946), Karl Bühler (1879-1963), Karl Marbe (1869-1953) u.a. Külpe betont die Einheit des Seelenlebens: Die eigene Erfahrung ist die Grundquelle, die systematische, experimentelle Selbstbeobachtung die Grundmethode der beschreibenden Psychologie. Külpe fordert die Ausbildung der Versuchspersonen. U.a. werden Assoziationen und Gedankenprozesse, die Vpn auf bestimmte Reizwörter äußerten untersucht. Die Würzburger fanden dabei heraus, dass viele Gedanken unanschaulichen Charakter haben, dass das Denken zielgerichtet verläuft und durch unbewußte Kräfte gesteuert wird. Narziß Ach bezeichnete diese Kräfte als determinierende Tendenzen. Das Erlebnis des Problemlösens nennt er auch Aha-Erlebnis. Wundt kritisierte diese Art von Experimenten, da sie seiner Meinung nach nicht den methodischen Anforderungen entsprechen: Der VL hat keinen Einfluß auf den zu beobachtenden Sachverhalt, der Versuch kann nicht repliziert oder modifiziert werden. Einwände, die sicherlich nicht völlig unbegründet sind. Dennoch hatte die Würzburger Schule großen Einfluß auf die Gestaltpsychologie und hat die Kognitive P. erst möglich gemacht. Der Behaviorismus hatte diese Richtung dann recht schnell verdrängt. Erst heute, u.a. durch die Attributionsforschung, wurden ihre Methoden wiederentdeckt.

Der von vielen vergessene Karl Marbe war war als vielfältig tätiger Wissenschaftler auch Entwickler verschiedener psychologischer Apparate und Methoden. Er war 1869 als Sohn eines deutschen Geschäftsmanns in Paris geboren, in Freiburg aufgewachsen, hatte erst Germanistik und dann in Freiburg, Bonn, Berlin und Leipzig Psychologie studiert. 1896 war Marbe nach Würzburg gekommen und hatte als Privatdozent an der Seite von Oswald Külpe das Würzburger Institut für Psychologie mit aufgebaut. 1905 wurde er an die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften in Frankfurt berufen, wo er das Institut für Psychologie gründete. Ab 1909 bis zu seiner Emeritierung 1935 lehrte Marbe dann wieder in Würzburg, als Leiter des Psychologischen Instituts der Universität. Früh beschäftigte sich Farbe mit massenpsychologischen Phänomenen, Gedankenlesen und Suggestion. Er entwickelte eine „Lehre der Gleichförmigkeit“ im Verhalten des Menschen, erforschte als einer der ersten Psychologen Werbung und Konsumentenverhalten. Er war Gerichtsgutachter, schrieb über die Urteilsfähigkeit und „Praktische Psychologie der Unfälle und Betriebsschäden“, zeigte, wie einfach es ist, Menschen mit Suggestivfragen zu manipulieren. Und er führte am Psychologischen Institut am Würzburger Röntgenring auch Untersuchungen für die Industrie durch – über Kölnisch Wasser 4711 zum Beispiel, über Geruch von Seifen, über Shampoo-Reklame, Tuben-Typen und über schäumende und nichtschäumende Zahnpasta.

Zentrale Persönlichkeiten der Gestalt- und Ganzheitspsychologie sind Max Wertheimer, Wolfgang Köhler und Kurt Koffka. Die Hauptthese dieser Richtung ist, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile sei (Übersummativität), Die Abkehr vom elementaristischen zum holistischen Denken erreichte ihren Höhepunkt in Philosophie und Psychologie in den 20er Jahren und wirkte sich auch auf Nachbardisziplinen, die Medizin aus. Der Berliner Arzt Ernst Schwenninger (1850-1924) betrachtete Leib und Seele als Einheit und befürwortete individuelle Behandlungsmethoden für seine Patienten. Sein Schüler Georg Groddeck (1866-1934) begründete unter seinem Einfluß und dem von Freud die Psychosomatik.  Wichtigstes Arbeitsgebiet der Gestaltpsychologie ist die Wahrnehmung, bes. die optische, wobei das phänomenologische Vorgehen typisch ist, wobei man vom dynamischen Charakter des menschlichen Verhaltens ausgeht.

Die wichtigsten Persönlichkeiten der Produktionstheorie der Grazer Schule: Alexius Meinong: arbeitete auf dem Gebiet der Erkenntnistheorie und erkannte bereits Ende des 19.Jh., dass die Summe der Bestandteile (z.B. einer Wahrnehmung) sich von zusammenhängenden Gesamtheiten (Komplexionen) unterscheidet, was durch die Aktivität (Produktion) des Betrachters zustande kommt.

Christian von Ehrenfels entdeckte am Beispiel einer Melodie die Gestaltkriterien der Übersummativität (die aus Einzeltönen zusammengesetzte Melodie ist etwas völlig neues )und aufgrund der Transponierbarkeit ist die Melodie, selbst wenn alle Töne um einen halben Ton höher gespielt werden und somit alle Bestandteile ausgetauscht wurden, als solche noch erkennbar. Vittorio Benussi (1878-1927): Arbeiten über die Wahrnehmung von Kippfiguren. Fritz Heider (1896-1988) begründete die Attributionstheorie, nach der jede Person Ereignisse als verursacht erlebt.

Max Wertheimer (1880-1943) gilt als Begründer der experimentellen Gestaltpsychologie. Im Gegensatz zur Grazer Schule betrachtete er Gestalten als ursprünglich, d.h. sie bilden sich nicht parallel zu den Sinnesdaten sondern sind selbst die Grundeinheiten des Seelenlebens. Klassische Untersuchung über das Sehen von Bewegungen 1912: 2 Reize, die in schneller Folge hintereinander dargeboten werden, erscheinen als Bewegung (Scheinbewegung= Phi-Phänomen). Ist das Zeitintervall zu kurz, wird eine Simultaneität der Reize erlebt, ist es zu lang, entsteht der Eindruck der Sukzessivität. Wertheimer bezeichnet das Phi-Phänomen nicht als Wahrnehmungstäuschung, da es nicht verschwindet, wenn die Vpn. aufgeklärt wurde.

Phi-Phänomen

Wolfgang Köhler (1887-1967) versuchte, die Sinnesphysiologie i.S. von Helmholtz und seine Konstanzannahme einer eins-zu-eins Beziehung zwischen Reiz und Sinneseindruck zu widerlegen. Bei seinen Untersuchungen von Schimpansen auf Teneriffa kam er zu der Erkenntnis, dass auch das Handeln durch Gestaltprinzipien bestimmt wird. Nach Köhler sind Schimpansen in der Lage, komplexe Probleme zu lösen, wobei sie die richtige Lösung nicht wie bei Thorndike durch Versuch und Irrtum zufällig, sondern durch Einsicht finden: Ziel und Hilfsmittel bilden eine Gestalt und das Erkennen dieser Gestalt ist die Einsicht. Seine Beobachtungen hatten erhebliche Auswirkungen auf die Psychologie des Problemlösens und die Verhaltensforschung.

Kurt Koffka (1886-1941) weitet die Prinzipien der Gestaltpsychologie auf weitere Bereiche aus, v.a. die Lern- und Gedächtnispsychologie (Gedächtnisspuren sind nach Gestaltgesetzen organisiert), Entwicklungspsychologie (Entwicklungsprozeß ist das Ergebnis des Zusammenwirkens von inneren und äußeren Entwicklungsbedingungen) und Sozialpsychologie. Während in Deutschland der wissenschaftliche Gegner die Wundtsche Psychologie war, war es in den USA der aufkommende Behaviorismus. Weitere bedeutende Vertreter der Gestaltpsychologie: Wolfgang Metzger (1899-1979), Kurt Gottschaldt (*1902), Edwin Rausch (* 1906)

Außer den Gestaltpsychologen vertraten auch andere Psychologen eine ganzheitliche Sicht: Narziß Ach, Erich R. Jaensch und v.a. die Vertreter der "Genetischen Ganzheitspsychologie" in Leipzig. Führender Kopf dieser sog. 2. Leipziger Schule war Felix Krueger (1874-1948), der zusammen mit Charles Spearman die Methode der Faktorenanalyse angeregt hatte. Krueger ging von der Gefühlstheorie seines Lehrers Cornelius aus, der Gefühlen Gestaltqualitäten im Sinn von Ehrenfels zuschrieb, wobei Krueger darüber hinausgehend die Theorie der Komplexqualitäten entwickelte, d.h. der Qualitäten seelischer Ganzheitsgebilde und die Lehre vom Primat des Erlebnisganzen über die Teile. Das psychische Ganze wird für ihn zum bestimmenden Moment, wobei Gefühle und Denkprozesse - basierend auf früheren Erlebnissen (dispositionelle psychische Strukturen ) - als Wirkungskomplex zu einer den Augenblick überdauernden Einheit zusammengeschlossen sind. Konkrete Forschungsbeiträge liegen in der Entwicklungspsychologie: Friedrich Sander (1889-1971) prägte den Begriff der Aktualgenese: Entstehung von Gestalterlebnissen aus diffusen Vorgestalten. Das Individuum kann diesen Vorgang durch verstärkte Zuwendung begünstigen; betrifft u.a. das produktive Denken.

Während Köhler in seiner Feldtheorie bemüht war, Parallelen zwischen psychischen und physiologischen Prozessen aufzuzeigen, kann man die Feldtheorien Edward Tolmans (-->) und Kurt Lewins als rein psychologisch bezeichnen. 

Die Feldtheorie Kurt Lewins (1890-1947) wurde aus der Gestalttheorie entwickelt und gewann besonders für die Sozialpsychologie erhebliche Bedeutung: Seine Arbeit begann mit willenspsychologischen Fragestellungen im Anschluß an Ach. Nach seiner Emigration in die USA wandte er sich mehr angewandtpsychologischen Fragestellungen im Bereich der Entwicklungs- Erziehungs- und Sozialpsychologie fort. Über seine Schüler entstanden später mehrere neue Richtungen der Psychologie, wie Gruppendynamik, Aktionsforschung, Handlungstheorie und Ökologische Psychologie. Beginn seiner Feldtheorie war seine frühe Arbeit über das Erleben der Kriegslandschaft (1917). Lewin definiert den Lebensraum als erlebnismäßig strukturierter Raum und geht von einer phänomenologischen Betrachtung aus. Zentrale Begriffe sind schon früh Grenze, Zone, Gerichtetheit. 

Bevor Lewin sich für den Begriff "Feldtheorie" entschied ,versandte er Begriffe wie dynamische Theorie, topologische Psychologie und Vektorpsychologie. In seiner "Feldtheorie des Lernens" stellt Lewin 6 grundsätzliche Charakteristika der Feldtheorie dar:

  1. Die konstruktive Methode: Übergang von einer klassifizierenden Methode zu einer "konstruierenden" oder "genetischen" Methode sei notwendig (wie auch in anderen Wissenschaften, z.B. Linne > Darwin)
  2. Der dynamische Ansatz: Ähnlich wie in der Psychoanalyse, aber mit größerer methodischer Strenge, sollen Konstrukte und Methoden entwickelt werden, welche die dem Verhalten zugrunde liegenden Kräfte behandeln.
  3. Der psychologische Ansatz: Das Feld, welches ein Individuum bestimmt, soll nicht in objektiven, physikalischen Begriffen beschrieben werden, sondern so, wie es für das Individuum zu der gegebenen Zeit existiert. Wichtige Aufgabe ist die Entwicklung wissenschaftlicher Konstrukte und operationaler Definitionen.
  4. Der Ausgang von der Analyse der Gesamtsituation: I.d.R. ist es vorteilhafter, mit der Charakterisierung der Gesamtsituation zu beginnen, bevor Teilaspekte einer Situation analysiert werden: Z.B. die Atmosphäre der Freundlichkeit, die Lewin für durchaus meßbar hält.
  5. Das Verhalten als eine Funktion des je gegenwärtigen Feldes: Nicht Vergangenes als solches bedingt gegenwärtiges Verhalten, sondern nur indirekt dadurch, dass das vergangene psychologische Feld einer der Ursprünge des gegenwärtigen Feldes ist.
  6. Mathematische Darstellungen psychologischer Situationen: Lewin sieht in den topologischen und Vektorbegriffen die notwendige Präzision, die allen anderen Hilfsmitteln der Psychologie überlegen ist. 

Topologie: ist die allgemeinste Wissenschaft von den räumlichen Beziehungen, die auf dem Verhältnis von Teil und Ganzem begründet ist. Lewin erfaßt damit die Struktur eines psychologischen Feldes. Vektormathematik: benutzt Lewin, um die Veränderungen und damit die dynamischen Eigenschaften eines psychologishen. Feldes zu klären. Gebundene Vektoren sind durch Größe, Richtung und Angriffspunkt bestimmt. Die psychologischen. Kräfte, auf die Veränderungen der Feldstruktur zurückzuführen sind, werden Vektoren zugeordnet. Konflikte und deren Bewältigung sind für Lewin ein zentrales Thema gewesen. Konflikte entstehen, wenn etwa gleich starke Kräfte gleichzeitig auf ein Individuum einwirken. Lewin unterscheidet 3 prinzipiell verschiedene Fälle:

Ist die Konfliktsituation besonders stark, kann die Person dem Konflikt ausweichen und "aus dem Feld gehen". Die Umgebung einer Person besteht aus einer Fülle quasiphysikalischer und quasisozialer Natur. Ausschlaggebend sind jedoch letztlich die funktionellen Möglichkeiten und deren fordernden Umwelttatsachen (Aufforderungscharaktere bzw. Valenzen) Das jeweilige Vorzeichen eines Aufforderungscharakters ist abhängig vom jeweiligen Lebensraum, der ständigen Änderungen unterworfen ist. Manche positiv positive Region des Lebensraums ist nur zu erreichen, wenn Regionen mit negativen Valenzen vorher durchschritten werden. Mit Hilfe der Topologie wollte Lewin seine Theorie untermauern. So stellte er den Lebensraum als sog. Jordankurve dar (ovale, begrenzte Fläche), der durch diverse Feldkräfte ständig verändert wird.. Regionen im Lebensraum mit positiver Valenz ziehen eine Person an, negative stoßen ab. Das Durchschreiten des Lebensraums bezeichnet Lewin als Lokomotion. Als solche müssen auch die oben geschilderten Konflikte betrachtet werden. 

Lewins universelle Verhaltensgleichung beschreibt er als V = f(P,U) bzw. f(Lr).: Verhalten ist also eine Funktion von Person und Umwelt bzw. des Lebensraums.  Für Lewin kann nur die gegenwärtige Situation Verhalten beeinflussen. Vergangenheit und Zukunft haben nur insofern Erklärungs- und Prognosewert, als sie unmittelbaren Einfluß auf die Gegenwart haben.

Der Wiener Psychologe Walter Toman, geboren 1920 in Wien, gestorben 2003, lehrte, forschte und praktizierte an der Universität Wien, der Harvard University und Brandeis University in Boston, sowie seit 1964 an der Universität Erlangen-Nürnberg. Mit jährlichen Vortrags- und Konsultationsreisen. in die Vereinigten Staaten und Visiting Professorships an der Brandeis University und London University blieb er in ständigem Kontakt mit der angelsächsischen klinischen Psychologie und Psychotherapie. International bekannt wurden seine Forschungen über Familienstrukturen und deren Auswirkungen auf die Entwicklung der Persönlichkeit, der sozialen Beziehungen und deren Störungen ("Family Constellation" 1961).

Die Entwicklungspsychologie untersucht die unterschiedlichen Lebensräumen von Kindern und Erwachsenen, mehr oder weniger begabten Kindern, jeweilige Grenzen, unterschiedliche zeitliche Erstreckung (für Kinder ist die Gegenwart dominierend), Verhältnis von Realitäts- und Phantasieebenen. Regression im psychoanalytischen Sinne bedeutet hier, Rückkehr in einen weniger differenzierten Lebensraum einer früheren Lebensphase. Lewin ist bekannt für seine Filme, in denen er Lebensräume und Konfliktsituationen demonstriert. (z.B. Barrieren, die ein Kind von seinem Ziel trennen). Der Begriff Lebensraum war auch später für William Stern und seine Schüler von Bedeutung, wobei die Umwelt, speziell die Großstadt in den Mittelpunkt geriet. (Martha Muchow, Otto Rühle). Lewin war als emigrierter Jude in den USA später politisch engagiert und beschäftigte sich u.a. auch mit Fragen des Judentums. Später beschäftigte er sich mit den verschieden sozialen Problemen und der Frage nach verantwortungsbewußter sozialer Intervention. Als Wissenschaftler konnte er diese nur als sinnvoll ansehen, wenn Intervention auf Forschungsergebnissen beruhte und wenn sie mit Begleitforschung (Evaluation) gekoppelt war. Aktions- oder Handlungsforschung beruhte für ihn auf den drei Säulen Forschung, Intervention und Training. Kritisiert wird an der Feldtheorie ihr hoher Allgemeinheitsgrad (Metatheorie). Versuche der Weiterentwicklung der Feldtheorie gibt es im Bereich der Hilfeleistung. In seinen letzten Jahren begründete Lewin die Gruppendynamik als Methode der gesteuerten Selbsterfahrung in Form der sog. sensitivity trainings. Wenngleich hier kein direkter Zusammenhang zur Feldtheorie besteht, so geht es jedoch auch hier um die ganzheitliche Betrachtung des Individuums und seines Lebensraums. 

Der Einfluß des Behaviorismus war besonders groß im Bereich der psychologischen Methodologie, in den Lerntheorien und deren Nutzanwendung, z.B. in der Verhaltenstherapie. John Watson (1878-1958) verwendete den Begriff als erster in programmatischer Weise (1913), obwohl seine Wurzeln weiter zurück in die Vergangenheit reichen. Grundlage für später entwickelten Behaviorismus.

Iwan P. Pawlow (1849-1936), "der Mann mit dem Futter-Gong" war Physiologe, stellte in Untersuchungen den Unterschied zwischen unbedingten und bedingten Reflexen heraus. Später folgte das berühmte Hunde-Experiment zur Entstehung des bedingten Reflexes durch Konditionierung.  In späteren Versuchen entdeckte Pawlow die Phänomene der Löschung, spontaner Erholung, Reizgeneralisierung.

Edward Lee Thorndike (1874-1949) Seine Tierexperimente in den USA führten zur Theorie vom Lernen durch Versuch und Irrtum (trial and error). Er sperrte Katzen in Kisten, aus welchen sie sich durch Betätigung bestimmter Hebel selbst befreien konnten. Nachdem zunächst die richtige Lösung eher zufällig gefunden wurde, gelang es den Tieren sich immer schneller zu befreien. Es hatte also aufgrund des Erfolges Lernen stattgefunden. Thorndikes Effektgesetz (law of effect) besagt, dass eine befriedigende Reaktion (Erfolg) den Lernerfolg verstärkt. Triebkraft ist hier das Luststreben, während bei Pawlow die Reflexe das Verhalten auslösen. Köhler kritisierte Thorndikes Versuche, da hier intelligentes Verhalten der Tiere gar nicht möglich gewesen sei, und es kaum möglich sei, auf diese Weise zu erfahren, wie Tiere wirklich lernen. Er war bei seinen Versuchen mit Schimpansen zu der Theorie gekommen, dass Tiere durch Einsicht lernen.

John B. Watson (1878-1958) promovierte schon mit 24 Jahren und lehrte zunächst die konventionelle Psychologie. Nach einem Nervenzusammenbruch aufgrund von Überarbeitung beschäftigt er sich vorübergehend mit Freuds Neurosenlehre, die er aber aufgrund ihrer unwissenschaftlichen Methoden ablehnt. Er wendet sich auch gegen die von Wundt benutzte Methode der Introspektion und vertritt ein rein naturwissenschaftliches Vorgehen, das sich allein am sichtbaren Verhalten von Tier und Mensch orientiert. 1919 stellt er in einem Lehrbuch "Psychology from the standpoint of a Behaviorist" die Grundlagen seiner Lehr vor. Berühmt und aus sowohl ethischen als auch methodischen Gründen umstritten ist sein Experiment zur Entstehung von Phobien, wozu er offensichtlich angeregt wurde durch Freuds Darstellung der Phobie des "kleinen Hans". Er gelang ihm, beim "kleinen Albert" mittels Pawlowscher Konditionierungstechnik eine Phobie vor Ratten u.ä. zu erzeugen. Nachdem seine Karriere aufgrund seiner Scheidung und diverser Gerüchte hinsichtlich seiner Experimente einen deutlichen Knick erhält, arbeitet er für eine Werbefirma und schreibt Artikel in einer Illustrierten, wo er Ideen seiner Utopia einem Laienpublikum vorstellt. Er fordert in der Erziehung handwerkliche Tätigkeit, warnt vor zu viel Zärtlichkeit zu den Kindern und Entstehung von engen Bindungen. Krank geborene Kinder sollen seiner Meinung nach "schmerzlos" getötet werden oder für Experimente den Ärzten zur Verfügung gestellt werden. Berühmt ist seine Behauptung, er würde aus einer Anzahl Kinder alles machen können, sei es Genies oder Kriminelle.  Seine radikale Milieutheorie stand in krassem Gegensatz zur früher vertretenen Theorie (z.B. Galtons), die Bedeutung der genetischen Merkmale hervorhob und paßte zur amerikanischen Lebensphilosophie der Chancengleichheit 

Grundlage für die Institutionalisierung behavioristischen Denkens war die leicht erkennbare Nutzanwendung für Erziehungsfragen und Psychotherapie. Da Köhlers Affen-Experimente (Lernen durch Einsicht) aufgrund der äußeren Umstände (Weltkrieg) den US-Wissenschaftlern erst später zugänglich waren, bauten diese zunächst nur auf den Untersuchungsergebnissen von Pawlow u. Thorndike auf. 

R. Guthrie (1886-1959) war eher ein Pawlow-Anhänger und entdeckte die Bedeutung der raumzeitlichen Nähe (Kontiguität) von Reiz und Reaktion: Diese und nicht das Effektgesetz, seien für Lernvorgänge verantwortlich.

Clark L. Hull (1884-1952) formulierte ein "Verstärkungstheorie des Lernens" in Form des Lernens am Erfolg. Verstärkung definiert er als (relative) Bedürfnisbefriedigung, wobei der Lernvorgang sowohl vom Auftreten des Reizes als auch vom Organismus und dessen Bedürfnissen abhängt. Hull zog sich in seiner Kindheit eine Kinderlähmung zu, wodurch ein Bein Zeit seines Lebens gelähmt blieb. Er spielte eine wichtige Rolle in der akademischen Psychologie, denn nur Freud wird in psychologischer Literatur häufiger zitiert als er. Auch wurde er zum wichtigsten psychologischen Forscher in der Zeit von 1930 bis 1950 gewählt. Zu Beginn beschäftigte er sich vor allem mit Eignungstests und statistischen Verfahren, dann mit der Hypnose, von der er sich, wie Freud, später wieder abwandte. Danach widmete er sich der Erforschung des Lernens und der Motivation. Hull verbrachte den Großteil seines Lebens an der Yale Universität, wo er die Führung des Institute of Human Relations innehatte.

Robert S. Woodworth (1896-1962) regte schließlich an das sog. S-R Schema durch ein S-O-R Schema zu ersetzen, wobei der jetzt dazwischen geschaltete Organismus allerdings weder meß- noch manipulierbar ist. Die klassischen Behavioristen betrachteten den Organismus weiter als "black box", in die man nicht hinein schauen konnte.

Burrhus Frederic Skinner (*1904) gehört neben Guthrie, Hull und Tolman zu den großen Lerntheoretikern. Er unterschied scharf zwischen der Typ S-Konditionierung (Klassische oder respondente Konditionierung) gemäß Pawlow und Watson und der Typ-R-Konditionierung (Operante Konditionierung) entsprechend der Thorndike Versuche. Von Hull übernahm Skinner das Konzept der Verstärkung. Ein bekannter Versuch Skinners zur Operanten Konditionierung ist der in der Skinner-Box, wo das Verhalten von Tauben durch Verstärken in sehr differenziert Form beeinflußt werden kann. (Einzelverstärkung, Verstärkungsprogramme). Skinner gilt als Erfinder der heute umstrittenen Programmierten Unterweisung (Verstärkung gewünschten Verhaltens in Einzelschritten) und der sog. "Token Economy" (Belohnung durch Bonbons, Geld o.ä.), die im pädagogischen oder klinischen Bereich (Psychiatrie) angewandt wird. Der Vorwurf, der vor allem seitens der Studentenbewegung 1968 erhoben wurde, richtet sich gegen die Gefahr des Mißbrauchs als Machtinstrument über Kinder und Hilflose. Es ist jedoch keine Frage, dass behavioristische Techniken zur Stabilisierung unbefriedigender gesellschaftlicher Verhältnisse geeignet sind.

Da es sich immer wieder zeigt, dass gleiche Reize nicht immer gleiche Reaktionen auslösen, sah man ein, dass auch Persönlichkeitsmerkmale, Erfahrungen, emotionale Zustände und andere Faktoren einzubeziehen waren, um sinnvolle Prognosen wagen zu können. Albert Bandura (*1925) stellte 1974 die Behauptung auf, dass Lernen erst dann auftritt, wenn bestimmte Ereignisse zusammen auftreten. Individuen antizipieren Ereignisse und lernen durch Beobachten von Erfolg und Mißerfolg bei anderen.

Edward C. Tolman (1886-1959) stellte jedoch schon 1932 heraus, dass Verstärkung nicht automatisch erfolgt, sondern kognitiv vermittelt sei. Er spricht in seiner kognitiven Lerntheorie von kognitiven Landkarten (cognitive maps), d.h. kognitive Strukturen oder Plänen, die durch Erfahrung gebildet und in bestimmten Situationen aktiviert werden. Frühere Lernerfahrungen geben bestimmten Reizen durch sog. "Zeichen" Bedeutung ("Zeichen - Gestalt - Theorie"). Verhalten ist so nur zu erklären, dass Individuen Ziele anstreben (Purpositivismus). Die Theorie Tolmans wurde vor der sog. Kognitiven Wende in der Psychologie nur wenig gewürdigt. Soziale Modelle eröffnen für den Beobachter Verhaltensmöglichkeiten, zeigen oft Konsequenzen, bilden Normenbewußtsein. Ein klassisches Experiment wurde von Bandura und den Geschwistern Dorothea und Sheila Ross durchgeführt, wo geprüft wurde, wie das Verhalten von Kindern nach dem Zeigen von aggressiven Verhaltensweisen beeinflußt wurde: Aggressives Verhalten wurde mehr imitiert, wenn die Kinder vorher erlebten, wie dieses belohnt wurde. Diese Untersuchungen werfen ein besonderes Licht auf die Wirkung der Medien.

Juan Huarte (1520-1598) verfaßt die erste psychodiagnostische Arbeit, indem er die Temperamentenlehre der Antike aufgreift und v.a. auf humorale und klimatische Faktoren sowie die Ernährung hinweist. Er möchte mit seinen Ratschlägen die Berufswahl der Eltern für ihre Söhne erleichtern. 

J.G. Herder (1744-1803) greift später seine These auf, dass nur gemäßigte Klimazonen höhere Kulturen entstehen lassen. (s. W. Hellpapch in "Geopsyche" von 1911) Allen gemeinsam ist die Annahme kausaler Beziehung für die Unterschiede zwischen den Menschen. 

Bedeutende persönlichkeitspsychologischer und diagnostischer Ansätze fielen in die 2. Hälfte des 18. Jh, bes. die Physiognomik des Schweizer Theologen + Schriftstellers Johann Caspar Lavater (1741-1801) , in welcher er von einer Analogie zwischen Charakter- und Gesichtszügen ausging, wurde zu einer Modewissenschaft. 

Auch Knigge (1752-1796) knüpft an die Typenlehre der Antike an, die Choleriker, Phlegmatiker, Sanguiniker und Melancholiker unterscheidet. Er beschreibt Mischformen und gibt Empfehlungen über den Umgang mit solchen Menschen.

Im 20. Jh. findet man Übereinstimmungen in der Typenlehre von Hans-Jürgen Eysenck (1916 - 1997), der aus den Dimensionen Emotionale Labilität vs. Stabilität und Introversion versus Extraversion ein Koordinatensystem entstehen läßt. Eysencks Persönlichkeitstheorie stützt sich jedoch im Ggs. zur Antike, Lavater und Knigge auf standardisierte diagnostische Verfahren, die den Gütekriterien Validität, Reliabilität und Objektivität entsprechen. 

Hans Eysenck wurde am in Deutschland geboren. Seine Eltern waren Schauspieler, die sich jedoch scheiden ließen, als Hans 2 Jahre alt war. Er wuchs dann bei seiner Großmutter auf, die er jedoch mit 18 Jahren verließ, als die Nazis an die Macht kamen. Da er ein aktiver Judensympathisant war, war sein Leben in Gefahr. In England setzte er seinen Bildungsgang fort und erwarb dort 1940 seinen Dr.phil in Psychologie an der Londoner Universität. Während des 2. Weltkriegs diente er als Psychologe in einem Notfall- Krankenhaus, wo er Forschung betrieb über die Zuverlässigkeit von psychiatrischen Diagnosen. Seine Ergebnisse führten dazu, dass er in lebenslanger Feindschaft zu der klinischen Mainstream Psychologie stand. Nach dem Krieg lehrte er an der Universität London , ebenso diente er als Direktor der psychologischen Abteilung des Institute of Psychiatry, verbunden mit dem Bethlehem Hospital. Er hat 75 Bücher und 70 Artikel geschrieben. Er ging 1983 in den Ruhestand, schrieb jedoch weiter bis zu seinem Tod am 04.09 1997.

Die ersten psychophysiologischen Experimente (individuelle Reaktionszeiten) wurden Ende des 18.Jh. durchgeführt Die ersten Tests entstanden um die Jahrhundertwende durch Sir Francis Galton (1822-1911). Er erhob Daten von Versuchspersonen, die Hinweise auf ihre Leistungsfähigkeit gaben, wobei er von einer Anthropometrie zu einer Psychometrie fortschreiten wollte, d.h. aus physischen Eigenschaften des Menschen auf psychische zu schließen. Dies war der erste Schritt zu standardisierten Intelligenz- und Persönlichkeitstests. 

James McKeen Cattell (1860-1944) hatte sich bei Wundt in Leipzig gutes methodisches Rüstzeug zugelegt. Durch Galton angeregt, veröffentlichte er bereits 1890 ein Buch über Intelligenztests.

Alfred Binet (1857-1911) entwickelte zusammen mit dem Mediziner Simon die ersten Testreihen für Kinder von 3-15 Jahren, wo die durchschnittlich zu erwartenden Leistungen eines bestimmten Alters erfaßt wurden und individuelle Entwicklungsrückstände oder - vorsprünge diagnostiziert werden konnten. 

Aufgegriffen wurde dieses Thema von der Psychiatrie (Emil Kraeplin), der Pädagogik (Ernst Meumann oder Hermann Ebbinghaus und William Stern. 

William Stern (1871-1938) gilt als Begründer der Differentiellen Psychologie. Stern, aufgewachsen in einer Familie des jüdischen Bildungsbürgertums, studierte ab 1888 in Berlin Psychologie – eine junge Disziplin, die noch in der Philosophie verwurzelt war, sich jedoch schon für empirische Methoden interessierte. Sie beschäftigte die Frage, was Menschen eignet, Leistungen zu vollbringen, und wie man Begabungen diagnostizieren kann. Sterns Lehrer Hermann Ebbinghaus war ein bedeutender Intelligenz- und Gedächtnisforscher. Ihm war Stern an die Universität Breslau gefolgt. Seit 1897 wirkte Stern dort als Privatdozent; seit 1907 als Extraordinarius für Philosophie und Psychologie. Für Stern blieb diese doppelte Widmung immer Programm. Denn ohne Fundierung in einer Philosophie des „Kritischen Personalismus“, die den Menschen als denkendes, ebenso seine Umwelt beeinflussendes wie von ihr beeinflusstes Subjekt sieht, ist Sterns Begabungskonzept nicht zu verstehen.
Sterns Breslauer Institut wurde zu einem Zentrum der Kindheits-, Bildungs- und Begabungsforschung. Auch Stern fragte, was die Psychologie zu Schule, Arbeitsleben und Gesellschaft beitragen kann. Dabei ging er immer vom Kind und dessen eigenen Entwicklungsschritten aus – gerne auch in der Beobachtung der Entwicklung seiner eigenen Kinder im gemeinsam mit seiner Frau Clara unternommenen Tagebuchprojekt. In der steten Auseinandersetzung mit der Entwicklung kindlicher Intelligenz fand er schließlich 1912 den Intelligenzquotienten (IQ). Er löste damit das seit 30 Jahren bestehende Problem der Testdiagnostik zur Verbindung von differierendem Lebens- und Intelligenzalter. Ungeachtet der Nutzung und Weiterentwicklung vieler Testverfahren durch Stern warnte er vor der „Verabsolutierung“ ihrer Ergebnisse und forderte deren Ergänzung durch weitere Methoden. In seinem die Teildisziplin bis heute begründenden Werk „Die differentielle Psychologie und ihre methodischen Grundlagen“ (1911) führte er dies aus.
1916 wechselte William Stern an das Hamburger Kolonialinstitut – Keimzelle der 1919 von ihm mitbegründeten Universität. Sein „Jugendkundeinstitut“ wurde zu einem internationalen Zentrum der Erforschung, Empfehlung und Entwicklung der Begabungsdiagnostik und Begabtenförderung, die er als Schlüssel zu einem modernen individualisierenden Bildungssystem verstand. Sterns Kritik an einer sozial undurchlässigen, Drill statt Persönlichkeitsbildung betreibenden Schule sowie an einer höheren Schulbildung, die privilegierten Ständen statt den Begabten offensteht, kann nun in der Weimarer Republik wirksam werden. Bereits 1916 beteiligte sich Stern mit einem Plädoyer an der Programmschrift „Der Aufstieg der Begabten“. Einerseits verweist er hier auf die „Normalverteilung“ der Begabung und mahnt, dass „experimentelle Prüfungen“ in den „unteren Schichten“ ergeben hätten, dass diese „den Kindern aus höheren Schichten ebenbürtig oder überlegen waren“. Und Stern folgerte: „Eben diese Kinder sind dazu berufen, den Aufstieg aus der unteren in die höhere Kulturschicht zu vollziehen, und hierzu muss ihnen pädagogisch jeder Weg gebahnt werden.“ „Dabei sind Begabungen immer nur die Möglichkeiten zu Leistung.“ Damit sich Begabungen in Leistungen entfalten, bedarf es des Interesses und der Motivation des Kindes. Weiter konstatierte er die Notwendigkeit der vorsorglichen Identifikation solcher Potentiale und einer Schule, die diese fördert. Bleibt Leistung aus, kann das viele Gründe haben – eine Hochbegabung schließt das keineswegs aus.
Stern erhielt in Hamburg Gelegenheit, die Übergänge im Bildungssystem mit Eignungsverfahren zu organisieren. Der schon in Breslau geübte Anwendungsbezug führte zur flächendeckenden Einführung der heute existierenden Schulpsychologie und Reformierung der Lehrkräftebildung. Unter anderem Helmut und Loki Schmidt waren Produkte von Sterns Begabungsdiagnostik sowie von begabungssensiblen Lehrkräften – wie Sterns Biograph Martin Tschechne feststellt. Noch das gegenwärtige deutsche Bildungssystem hält jedoch bestimmte Gruppen weithin für ein Problem, unterstellt ihnen erst gar keine hohen Potentiale, geschweige denn macht sie sich dort auf die Suche nach Begabten.
Um 1930 war William Stern international ein hochgeachteter Wissenschaftler und Ratgeber, besuchte die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion. 1931 wurde er schließlich zum Präsidenten der „Deutschen Gesellschaft für Psychologie“ gewählt, die er 1904 mitbegründet hatte. Kurz darauf war alles vorbei: Nach der Machtergreifung 1933 wurde Stern unmittelbar aus der Universität Hamburg entfernt und sein Institut zerschlagen. Die Nazis bevorzugen Blut und Volksgemeinschaft, nicht Intellekt und Individuum. Stern ging in die Emigration, lehrte später an der Universität in Durham, North Carolina, wo das psychologische Institut nach ihm benannt wurde und wo er 1938 starb. In seiner Heimat finden sich dagegen nur wenige Spuren.

Auf seine Initiative erfolgt die Adaption des heute noch verwendeten Binet-Simon-Tests durch Otto Bobertag (1879-1934). W. Stern schlägt vor, einen Quotienten aus Intelligenzalter und Lebensalter zu bilden: IA/LA = IQ. Der IQ sollte besonders für die Schulbahnberatung von Bedeutung sein. Die breite Resonanz, die neben W. Stern auch die Arbeiten von Otto Lipmann, Ernst Meumann u.a. fanden, war auch in den gesellschaftlichen Veränderungen begründet: (Ausleseverfahren im 1. Weltkrieg sowie später in den 60er und 70er Jahren die Schul- und Bildungsreform). Sterns Differentielle Psychologie mündete schließlich im "Kritischen Personalismus", dessen Kernstück das Konvergenzprinzip ist, welches besagt, dass das Seelenleben durch das Zusammentreten von Erleben und Erwerben entstehe. (Anlage-Umwelt-Diskussion) Der Mensch bedarf der Umwelt als Anreiz und Hilfsmittel, die er zur Definition und Erreichung seiner Ziele benötigt. 

Anfang des 20. Jh. kam v.a. durch Ludwig Klages (1872-1956) die Charakterologie in Mode, die sich mit Graphologie, dem menschlichen Gesicht- und sprachlichen Ausdruck beschäftigt. Auch Eduard Spranger (1882-1963), Albert Wellek, Phillip Lersch u.a. versuchten mit geisteswissenschaftlichen Methoden der Hermeneutik dieses Thema verständlich zu machen. Heute ist die Charakterkunde ohne Bedeutung. Ihr damaliger Erfolg beruht zum einen auf der aufkommenden Leipziger Ganzheitspsychologie, zum andern auf der Konstitutionslehre des Psychiaters Ernst Kretschmers (1888-1964) , der statistische Korrelationen zwischen den Konstitutionstypen: Pykniker, Leptosomen und Athleten und manisch-depressiven Erscheinungen (Pykniker) und schizophrenen Erscheinungen (Athleten) feststellte.

C.G. Jung hat eine weitere Typenlehre (Introversion vs. Extraversion) entwickelt. Er stellt dabei diese Extreme in Beziehung zu den vier psychischen Funktionen des Denkens, Fühlens, Empfindens und Intuierens, worauf acht Typen entstehen. Neuere Persönlichkeitstheorien gehen meist von einer Vielzahl von Einzeldimensionen aus, die mit standardisierten Tests erfaßt und mit aufwendigen mathematisch-statistischen Verfahren ausgewertet werden. (mit positiven bzw. negativen Konsequenzen) (mit positiven bzw. negativen Konsequenzen) 

Im Mittelalter gab es noch gar keine Vorstellung von Jugend als Übergangsstadium zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Mit 12 Jahren galten Kinder als erwachsen. Seit dem 17. Jh. finden sich pädagogische Vorstellungen in der Literatur (Rousseau, Karl Phillipp Moritz, Wieland, Goethe). Dietrich Tiedemann (1748-1813) veröffentlicht Beobachtungen über die Entwicklung seines Sohnes und begründet damit eine Tradition von biologisch-medizinischen und Kinderpsychologischen Studien. 

Karl Philipp Moritz, geb. 15.9.1756 Hameln, gestorben am 26.6.1793 in Berlin. war Verfasser von Romanen, kunsttheoretischen Abhandlungen und Schriften über Grammatik und Sprachphilosophie, Mythologie und Altertumskunde, Psychologie und Pädagogik, Poetik und Stilistik. Moritz gab von 1783 bis 1793 die erste psychologische Zeitschrift in Deutschland heraus - ein Meilenstein auf dem Weg zur modernen Psychologie. Anknüpfend an die Experimentalseelen-Lehre des Halleschen Arztes Johann Gottlob Krüger markiert die neue Wissenschaft der Erfahrungsseelenkunde einen entscheidenden Entwicklungsschritt in der Geschichte der empirischen Psychologie. Das Magazin ist eine Sammlung von Lebensgeschichten, Therapiebeispielen und Beobachtungen, die sich in bester popularphilosophischer Tradition als "Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte" versteht. Nach seinen Beobachtungen sind Kinder keine kleinen Erwachsenen, hängen Sprache und Denken eng zusammen, sind psychische Leiden nicht gottgegeben sondern heilbar. Moritz suchte in seinen Schriften nach dem "inneren Triebwerk" der Seele, wobei sein Interesse vor allem dem kindlichen Denken, der Sprache und der Natur seelischer Erkrankungen galt. Seine nachhaltige Wirkung geht auf einen empirischen Ansatz zurück: Für ihn reichte es nicht, über die Seele zu spekulieren, vielmehr müsse man handfeste Fakten sammeln, um dem Geist auf die Spur zu kommen. Wer sich zum eigentlichen Beobachter des Menschen bilden wollte, der müsste von sich selber ausgehen. Eine gestörte Persönlichkeitsentwicklung, wie er sie an sich selbst diagnostizierte, resultiere aus ungenügender emotionaler Zuwendung der Eltern. Der daraus folgende Mangel an Selbstwertgefühl mache extrem abhängig von der Umwelt. Die Hinnahme der Verachtung führe zu körperlicher Vernachlässigung und moralischer Gleichgültigkeit. Zahlreiche Fallberichte, Studien und Beobachtungen ließ er in dem von ihm ab 1783 herausgegebenen "Magazin zur Erfahrungsseelenkunde" sammeln. Die Zeitschrift regte nicht nur den damaligen Diskurs über psychische Phänomene wie Träume, Hellseherei oder Formen der "Unmoral" an, sondern sie verkündete vor allem den Vorrang von Experiment und Erfahrung bei der Untersuchung der Seele. Erst hundert Jahre später sollte diese mit der Begründung der akademisch-experimentellen Psychologie realisisert werden. Schon zu seinen Lebzeiten war Moritz vor allem als der Verfasser des Anton Reiser (4 Bände entstanden 1785-1790) bekannt, einem historisch aufschlussreichen und menschlich erschütternden Text. Laut Untertitel "ein psychologischer Roman" ist er aber zugleich Autobiographie. Bemerkenswert ist der psychologische Scharfblick, mit dem er die seelischen Regungen des Kindes und des Jugendlichen Protagonisten durchdringt und analysiert. Immer wieder überrascht die psychologische Beschreibung durch die Vorwegnahme späterer Erkenntnisse der modernen Individualpsychologie, denn zahlreiche Phänomene des Unbewussten (Minderwertigkeitskomplex, Verdrängung, Ersatzbefriedigung, Kompensation) sind hier der Sache nach präzise erkannt und beschrieben.

Charles Darwin leistet ebenfalls einen Beitrag in Form von Aufzeichnungen über die Entwicklung eines Kindes, da er sich dem Verhältnis zwischen phylogenetischer und ontogenetischer Entwicklung beschäftigt. 

Ernst Haeckel (1834-1919) stellt 1866 das "biogenetische Grundgesetz" auf, nach dem die embryonale Entwicklung eine Rekapitulation der Stammesgeschichte darstellt.

Thierry Preyer (1841-1897) führte systematischere physiologische und entwicklungspsychologische Studien durch. In seinem grundlegenden Werk "Die Seele des Kindes"- für die biographische Methode vorbildlich - befaßte er sich vorwiegend mit der Entwicklung der Reflexe, der Instinkte, der Leistung der Sinnesorgane sowie aber auch der Sprache, Emotionen und sonstigen körperlichen Leistungen.

James Sully (Engländer) greift die Methoden Preyers auf und dehnt sie auf das Kindergarten- und Vorschulalter aus.

Stanley Hall (1846-1924) und James Mark Baldwin (1861-1934) greifen Haeckels These auf und Hall belegt sein sog. "psychogenetisches Grundgesetz" mit alterstypischen Kinderspielen wie das Buden-Bauen. 

Die Einführung der Schulpflicht wirft die Frage nach der Schulreife auf. Das Verfahren von Binet und Simon wird von Stern und in den USA von Lewis M. Terman (1877-1956) aufgegriffen. Terman wurde auch mit seiner Längsschnittstudie über den Lebenslauf begabter Kinder berühmt.

Otto Selz stand am Anfang der Entwicklung der Denkpsychologie, war ein Pionier der kognitiven Psychologie und beeinflusste das Werk seiner Zeitgenossen wie etwa das Karl Poppers. Selz untersuchte vor allem die kognitiven Leistungen, die beim Denken zusammenspielen, und versuchte sie in einer umfassenden Theorie zu integrieren. Entgegen der Prämissen des Assoziatismus, einer Forschungsrichtung, die annimmt, dass Gedanken und Begriffe vor allem auf elementaren Sinneseindrücken beruhen, berücksichtigte Otto Selz, dass Menschen zielgerichtet vorgehen um Probleme zu lösen. Er forschte und lehrte zehn Jahre an der Handelshochschule Mannheim, der Vorgängerin der heutigen Universität. Von 1929 bis 1930 stand er ihr als Rektor vor, wurde aber 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Amt entfernt. Trotz starker politischer Bedrohung und wissenschaftlicher Isolation arbeitete Selz jedoch auch in den folgenden Jahren an seiner Theorie weiter und lehrte sogar noch im Amsterdamer Ghetto. 1943 wurde er schließlich in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er am 27. August ermordet wurde. Erst in jüngerer Zeit wurde die Bedeutung seiner Forschung wiederentdeckt.

Charlotte BühlerAuch Charlotte Bühler (1893-1974), vorher ihr Mann Karl Bühler führten eine Reihe standardisierter Untersuchungen zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen durch, deren primäres Ziel die standardisierte Erfassung von Entwicklungsphasen war. Später dehnte sie ihre Untersuchungen auf den gesamten menschlichen Lebenslauf aus, indem sie eine biologische Lebenskurve mit fünf Lebensphasen aufzeigte, wie Berufsfindung, Eheschließung, Ausscheiden aus dem Beruf, etc. Charlotte Bühler entwickelt unterschiedliche Lebenslauftypen in Abhängigkeiten von persönlichen Leistungen und dem individuellen Streben nach einem erfüllten Leben. Weitere berühmte Phasenlehren der Entwicklungspsychologie sind die psychoanalytische Phasenlehre Sigmund Freunds und die Theorie der kognitiven Entwicklung von Jean Piaget.

Karl BühlerKarl Bühler (1879-1963) galt als einer der bedeutensten Vertreter der Würzburger Schule. Er wirkte 1909 in Bonn, 1913 in München und ab 1918 in Dresden. Den Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Aktivität bildete die Zeit von 1922-1938, die Bühler in Wien verbrachte. 1938 wurde Bühler von den Nationalsozialisten verhaftet, konnte jedoch 1940 in die USA emigrieren. Seine Beiträge zur Denkpsychologie, die vorwiegend in die Zeit der Würzburger Schule fallen, trugen zur Überwindung des Sensualismus der klassischen Psychologie und zur Durchsetzung der Ganzheitzpsychologie bei. Spätere Arbeiten, wie "Sprachtheorie" und "Ausdruckstheorie" waren für die Sozialpsychologie bedeutsam. Durch Veröffentlichung wie "Die geistige Entwicklung des Kindes" hat Bühler auch entscheident die Entwicklungspsychologie beeinflußt. Aufgrund seiner grundlegenden und weitreichenden Forschungsarbeiten zählt Bühler zu den Gründerpersönlichkeiten der modernen Psychologie.

Introspektion - Bühlers Denkexperimente

Mariele Schulze berichtet in "Die Presse" vom 19. November 2016 von der Forschung des Psychologen Gerhard Benetka, der untersucht, wie die Wiener Psychologie mit den Nationalsozialisten kooperierte. Vor allem konnten in Wien entwickelte psychologische Testverfahren gewinnbringend vermarktet werden, um Euthanasie und den effizienten Einsatz von Zwangsarbeitern und Soldaten zu ermöglichen. Zwar ist allgemein untersucht worden, wie stark österreichische Universitäten und ihre Institute in das System verstrickt waren und dass die Kontinuitäten in die Zweite Republik hineinreichen, allerdings ist unbekannt, in welchem Ausmaß und wo Forschungsergebnisse dem Regime ausdrücklich und freiwillig zur Verfügung gestellt wurden, um daraus Vorteile für die eigene Karriere zu ziehen. Nach Benetka erlebte die Wiener Psychologie auf diesem Hintergrund in den Dreißigerjahren ihre Blütezeit, wobei ethische Aspekte für die Wissenschaftler keine Rolle spielten, etwa in Bezug auf die Selektionsdiagnostik. Hoch angesehene Wissenschaftler wie Charlotte und Karl Bühler, die vor den Nationalsozialisten fliehen mussten, werden bis heute nicht als verantwortlich für die Verwendung der von ihnen entwickelten Tests betrachtet. Bereits in den Zwanzigerjahren ist im Roten Wien der Bühler-Hetzer-Test erstmals verwendet worden, der bis heute zur Feststellung des Entwicklungsniveaus vom Säuglingsalter bis zum Vorschulalter zum Einsatz kommt. Das städtische Fürsorgesystem setzte damals auf Pflegefamilien und hat nur deshalb funktioniert, wenn Kinder mit unangepasstem Verhalten früh in spezielle Heime gebracht wurden. Damals ist das psychologische Institut personell stark gewachsen, weil dort die Testkoffer mit speziellem Spielzeug produziert und verkauft wurden. Die Mitarbeiter von Charlotte Bühler führten entwicklungspsychologische Testreihen in der Wiener Fürsorge und den angegliederten Beobachtungsstellen durch, worauf etwa die Tötungsmaschinerie im Spiegelgrund später aufbauen konnte, indem Mitarbeiter des psychologischen Instituts testeten, welche Kinder als ,aufwandunwürdig‘ ermordet wurden. Auch sollten Leistungen und Zuwendungen nur denjenigen zugute kommen, die in rassen- bzw. erbbiologischer und eben auch entwicklungspsychologischer Hinsicht als förderungswürdig eingestuft wurden. Die Bühler-Hetzer-Tests wurden sowohl von der Wehrmacht als auch von der Wirtschaft gekauft, um die eingezogenen Soldaten oder die kriegsgefangenen Zwangsarbeiter effizient einzusetzen. Für solche Tests stellte die Wehrmacht insgesamt 450 Psychologen an, sodass sich nicht zuletzt dadurch der Beruf des Psychologen etablieren konnte.

Sigmund Freud unterscheidet drei Phasen in der frühen Kindheit, die orale, die anale und die phallische Phase. Nach einer sexuellen Latenzzeit kommt er erst in der Pubertät zur genitalen Phase. Störungen in der Entwicklung können zu Regressionen führen. Diese Phasenlehre erwies sich auch bedeutungsvoll für die Kulturanthropologie, in der Freunds entwicklungspsychologische Überlegungen auf Sozialisationsverläufe in verschiedensten Kulturen angewandt wurde. 

Jean Piaget (1886-1990) beschäftigte sich zunächst ebenfalls intensiv mit der Psychoanalyse. Seine zentrale Frage war, wie der Mensch zu Wissen und Erkenntnis gelangt und die Entwicklungsstufen zu beschreiben, die dem abstraktlogischen Denken des Erwachsenen vorausgehen. Angeregt von den psychodiagnostischen Untersuchungen Binets entwickelte Piaget später seine Stufenlehre, wobei er annimmt, dass auf jeder Stufe der Entwicklung ein Gleichgewicht zwischen den kognitiven Schemata und dem Objekt der Erkenntnis hergestellt wird. (Äquilibration). 1. Die sensumotorische Intelligenz: bis 1 bis 1 1/2 Jahre: früheste Form der Auseinandersetzung mit der Umwelt: Greifen nach Gegenständen, Vorstellungen von Gegenständen und Geschehensabläufen, erstes Erkennen von Ursachen, Objektpermanenz. 2. Die Stufe des voroperationalen, anschaulichen Denkens: 1 1/2 - 6 oder 8 Jahren: Verinnerlichung des Handelns, Das Denken ist noch an die Anschauung gebunden, Sichtweise anderer Personen kann das Kind noch nicht übernehmen (Egozentrismus) 3. Das konkret-operationale Denken: 8 - 10 Jahre: Fehler des voroperationalen Denkens liegen nicht mehr vor, Unterschied zum späteren formaloperationalen Denkens besteht darin, dass nur solche Operationen möglich sind, die im Prinzip auch als Handlungen ausgeführt werden können. 4. formal-operationale Denken: 11 - 15 Jahre: das Denken ist hypothetisch-deduktiv und nicht mehr an konkrete Operationen gebunden.  Piaget und seine Mitarbeiter haben versucht, auch eine Phasenlehr für die moralische Entwicklung zu entwerfen. Man hat dabei herausgefunden, dass kleinere Kinder Lügen oder sonstige Vergehen eher nach der Schadenshöhe beurteilen als nach der Absicht bzw. Vorsatz des Handelns. 

Die Pädagogische Psychologie ist stärker auf die Anwendung bezogen als die Entwicklungspsychologie und eng mit der Geschichte der Pädagogik verknüpft. Vornehmliche Aufgabe der Psychologen-Philosophen war um die Jahrhundertwende die Ausbildung von Lehrern höherer Schulen. Pädagogisch-psychologische Forschung war nicht auf die Universitäten beschränkt; auch Volksschullehrer als Nicht-Akademiker, stellten das interessierte Auditorium für die pädagogisch-psychologische Weiterbildung dar. Schließlich wurde der erste Lehrstuhl für pädagogische Psychologie in Leipzig eingerichtet. Als treibende Kraft setzt sich Ernst Meumann für die experimentelle Pädagogik bzw. eine Psychotechnik der Erziehung ein.

Aloys Fischer (1880-1937) fordert und entwirft eine pädagogische Psychologie als eigenständige Disziplin. 

Maria Montessori und Peter Peterson wenden sich als Reformpädagogen zwischen den Weltkriegen gegen die naturwissenschaftliche Orientierung der pädagogischen Psychologie. Der Pädagoge Peter Petersen wollte ein anderes Lernen an den Schulen etablieren und entwickelte die Jenaplan-Pädagogik, benannt nach seiner Hauptwirkungsstätte Jena. Hier entwickelte er einen Lehrplan mit vier strukturierenden Elementen: Arbeit, Gespräch, Spiel und Feier. An seiner Schule war der Unterricht jahrgangsübergreifend und mit viel Freiraum gestaltet. Jena wurde so zum reformpädagogischen Zentrum und Petersens Ideen verbreiteten sich weltweit. Doch in den 1930er-Jahren diente sich der gefeierte Pädagogen den Nationalsozialisten an, verfasste Schriften mit rassistischen und antisemitischen Aussagen.

Die geisteswissenschaftliche Psychologie Sprangers, obwohl sie im Gegensatz zur Elementenpsychologie, zur Personalistischen Psychologie als auch zur Gestaltpsychologie drängt die experimentelle Pädagogik dann in den Hintergrund. Erst seit der Reform des Pädagogikstudiums nach dem 2. Weltkrieg ist die Pädagogische Psychologie wieder stärker in die Psychologie mit ihrem empirisch-analytischen Vorgehen verbunden. Kennzeichnend für diese Phase sind die zahlreichen Untersuchungen seit den 60er Jahren zum Lehrerverhalten durch Anne-Marie und Reinhard Tausch und deren Schülern. Ihre Arbeiten belegen, dass Lehrer in kritischen Unterrichtssituationen zu lenkendem und autokratischem Verhalten neigen. Diese Arbeiten belegen den Nutzen psychologischer Forschung für die Aus-und Weiterbildung von Lehrern. 

Unter Sozialpsychologie versteht man weder Massenpsychologie noch Völkerpsychologie sondern sie erfaßt die Bedeutung der sozialen Umgebung für das Individuum. Geprägt wurde der Begriff 1871 durch den Herbertianer Gustav Adolf Lindner. Die moderne Sozialpsychologie geht zurück auf französische und amerikanische Soziologen, die erste empirische Untersuchungen auf diesem Gebiet durchführten.. 

Charles H. Cooley (1864-1929) prägte den Begriff der Primärgruppen, die durch Kontakte von Angesicht zu Angesicht geprägt sind und für die Formung der sozialen Persönlichkeit von entscheidender Bedeutung sind. Der multi-kulturelle Hintergrund der amerikanischen Gesellschaft förderte die Beschäftigung nach der Frage sozialer Einflüsse.

Eine der ersten zentralen Themen der experimentellen Sozialpsychologie war der Einfluß, den die Anwesenheit anderer Personen auf individuelle Leistungen ausübt. 

Walter Moede (1888-1958) stellte dabei in Experimenten fest, dass Motive wie Geltungsstreben leistungssteigernd wirken. 

Hugo Münsterberg kannte die Untersuchungen Moedes und regte selbst wiederum

Floyd H. Allport zu weiteren streng behavioristischen Untersuchungen von Gruppenwirkungen an. Er unterschied dabei soziale Aktivierung (social facilitation) von direkter Konkurrenz. 

Willy Hellpach gründete 1920 das erste "Institut für Sozialpsychologie" in Deutschland, das aber nur kurzen Bestand hatte. Erst in den 60er Jahren wurden die ersten Lehrstühle für Sozialpsychologie eingerichtet, um Anschluß an die amerikanischen Forschungen zu erlangen, wo bereits in den 30er Jahren durch Jakob L. Moreno, William F. White, Muzafer Sherif und v.a. Kurt Lewin die Kleingruppenforschung als ein Kerngebiet der Sozialpsychologie entwickelt wurde. 

Jakob L. Moreno machte mit seiner Technik der soziometrischen Befragung Gruppenstrukturen sichtbar (Soziogramme)

William F. White studierte als teilnehmender Beobachter das Verhalten von Jugendbanden.

Muzafer Sherif ermittelte in Laborexperimenten die Entstehung sozialer Gruppennormen.

Kurt Lewin (1890-1947) führte die berühmten Experimente über den Einfluß autokratischer und demokratischer Führung auf die Gruppenatmosphäre durch, wodurch sich Hinweise auf Gruppenführung, Erziehungswirkungen und auf gesellschaftliche Bedingungen insgesamt ergaben. (Gruppendynamik)

Louis Leon Thurstone (1887-1955) wirkte durch die Entwicklung von Fragebögen und standardisierte Einstellungsskalen analog zu persönlichkeitsdiagnostischen Verfahren bei der Entwicklung der Einstellungs- und Attitüdenforschung mit, was wichtig war für die Vorurteils- und Stereotypenforschung sowie alle Bereiche der angewandten Sozialpsychologie. Schon zwischen den zwei Weltkriegen befaßte man sich in USA mit historischen und theoretischen Fragen der Autorität und Familie und der Wechselwirkung zwischen autokratischer Erziehung und dem politischen System. Die Erfahrungen mit dem Nazi-Deutschland ließen die Fragen nach antidemokratischen Persönlichkeitszügen aufkommen (Authoritarian Personality).

Die Wiener Psychologenschule

An der Universität Wien wurde eine für die Entstehung der modernen Psychologie ausschlaggebende Verbindung zwischen Philosophie und Denk- und Forschungsweisen der Naturwissenschaften durch Franz Brentano hergestellt (Hauptwerk "Die Psychologie vom empirischen Standpunkte" 1874), der das Programm einer allein auf Erfahrung gestützten, "deskriptiven“ Psychologie entwar.

Eine detaillierte Geschichte der Psychologie "Vom Anfang bis zur Nachkriegszeit" stammt von Gerhard Benetka, der auch diese einleitende Passage entnommen wurde. Gerhard H. Fischer erzählt in "Ein halbes Jahrhundert Geschichte des Instituts für Psychologie" die Nachkriegsgeschichte. Beide Texte finden sich auf der homepage der nunmehrigen Fakultät für Psychologie unter dem URL
http://psychologie.univie.ac.at/fakultaet-fuer-psychologie/die-fakultaet/geschichte-der-fakultaet/
und können dort nachgelesen werden.

Kurz eingegangen werden sollen nur auf die beiden "Doktorväter" des Autors der Arbeitsblätter:

Hubert Rohracher

24.4.1903

Geboren in Lienz (Osttirol)


Studium der Psychologie und Recht in München und Innsbruck

1926

Promotion zum Dr. phil

1930

Wissenschaftliche Hilfskraft an der Uni Innsbruck

30.11.1931

"Theorie des Willens auf experimental-psychologischer Grundlage" eingereicht an der Uni Innsbruck zur Habitilation

1932

Habitilation

1934

Lehrbuch: "Kleine Einführung in die Charakterkunde" entsteht

1934-1937

Studium der Medizin

1937

Gehirnelektrische Untersuchungen bei Agostino Gemelli (Mailand)

1939

Heerespsychologe in Salzburg

1940

Entlassung aus dem Heerespsychologischen Dienst und Fronteinsatz

1941

Freistellung vom Heer für eine Dozentur an der Uni Innsbruck

1943

Berufung zum außerordenlichen Professor und Leiter des Psychologischen Instituts an der Uni Wien

1945

Bestätigung der Professur

18.12.1972

Rohracher stirbt in Kitzbühel

Rohracher begann angeregt durch die gehirnelektrischen Experimente Bergers, sich für diese Phänomen zu interessieren, in der Hoffnung, diese innere Psychophysik (Fechner) zu erschließen. Er baute mit von Ottenthal einen funktionstüchtigen Röhrenverstärker und konnte bereits in den 30er Jahren nachweisen, dass kleinste Veränderungen unseres Bewußtseins sich im EEG widerspiegeln: Konzentration: kleine, rasche Wellen; Gedankenleere Entspannung: langsamere, sehr regelmäßige Schwingungen (alpha-Wellen).

Rohracher hat erstmals Schlafregistrierungen vorgenommen und zeigte, dass Potentiale sich deutlich ändern: langsamere und größere Wellen wurden sichtbar. Somit gibt es objektive Daten über die Bewußtseinslage und die Schlaftiefe kann erkannt werden, die ja der Selbstbeobachtung vorenthalten ist. 1937 unternahm er Versuche, über die hirnelektrische Ebene einen Zugang zum Erleben zu finden. Rohracher versuchte hirnelektrische Begleiterscheinungen von spezifischen Erlebnisinhalten sichtbar zu machen und nach den Auswirkungen eines Sinnesreizes auf das EEG zu suchen. Dafür sind jedoch Computer notwendig, wie wir heute wissen, und Rohracher blieb deshalb der Erfolg versagt.

Rohrachers viersemestriger, vierstündiger Vorlesungszyklus "Allgemeine Psychologie“ ("Hauptvorlesung") und die damals viersemestrig abgehaltenen zweistündigen "Experimentalpsychologischen Übungen" stellten den Grundbestand der in Wien gelehrten Psychologie dar. Die detailgenaue Kenntnis des Inhalts dieser Lehrveranstaltungen war für Studierende mit dem „Hauptfach“ Psychologie verpflichtend. Diese Vorlesung galt gemessen an der Hörerzahl als größte Vorlesung der Universität Wien. Der Autor dieser Arbeitsblätter wurde dabei von der faszinierenden Ausstrahlung Rohrachers zum Studium der Psychologie gebracht, der mit leiser Stimme sprechend und auf dem Podium des Auditorium Maximum hin- und hergehend vermitteln konnte, welches Potential in dieser Wissenschaft steckt.

Giselher Guttmann schließlich hat erstmals die Möglichkeit genützt, mit Hilfe der Gehirnpotentiale die Hörfähigkeit eines Menschen zu überprüfen: EEG-Audiometrie (Computer-Audiometrie). Das akustisch evozierte Potential tritt erst bei Tönen auf, die überschwellig sind und vom Untersuchten gehört werden, während unterschwellige Töne kein Potential auslösen. Dadurch ist es möglich, einen Säugling auf seine Hörfähigkeit zu prüfen. Ende der 60er-Jahre gelang der Nachweis, dass die durch akustische Reize ausgelösten Hirnrindenpotentiale tatsächlich mit dem aktuellen Erleben übereinstimmen, auch wenn zwischen Reiz und Erleben eine beobachtbare Diskrepanz besteht.
Kurze Biographie: Giselher Guttmann, am 2. Oktober 1934 in Wien geboren, hat den Entwicklungsgang der Psychologie in Österreich von den späten fünfziger Jahren bis zur Gegenwart entscheidend mitgeprägt. Als junger Mitarbeiter an dem von Hubert Rohracher geleiteten Institut für Psychologie der Universität Wien begann von den frühen sechziger Jahren an mit dem Aufbau eines EEG-Labors, in dem unter seiner Leitung in den folgenden Jahrzehnten unter großer internationaler Beachtung neuropsychologische Grundlagenforschung betrieben wurde. Kennzeichnend für Guttmanns eigene Beiträge ist sein Bemühen, Ergebnisse der Grundlagenforschung auch für praktische Anwendungsbezüge - etwa im Bereich der psychologischen Diagnostik, der Psychotherapie, des Schulunterrichts etc. - nutzbar zu machen. Von 1973 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2002 hatte Guttmann als Nachfolger von Hubert Rohracher den Lehrstuhl für "Allgemeine und Experimentelle Psychologie" an der Universität Wien inne. Generationen von Studierenden sind in diesen Jahren von seinen - auch aufgrund des glänzenden Vortragsstils berühmten - Vorlesungen für die Psychologie gewonnen worden. An der Sigmund Freud PrivatUniversität hat 2009 Giselher Guttmann als Studiendekan die Aufsicht über die gesamte Lehre an dieser Hochschule.

Brigitte Rollett, die Entwicklungspsychologin, Familienforscherin und Mitbegründerin Österreichischen Gesellschaft für Psychologie, prägte über Jahrzehnte hinweg das Bild ihres Faches mit. Rollett wurde im Jahr 1934 in Graz geboren und studierte an der Universität Graz Psychologie, Pädagogik und Philosophie und promovierte 1957. In der Folge wurde sie Studienassistentin am Psychologischen und Pädagogischen Institut der Uni. Nach ihrer Psychotherapeutischen Ausbildung habilitierte sie sich 1964 für das Gesamtfach Psychologie in ihrer Heimatstadt. Nach Professuren in Osnabrück, Kassel und Bochum wurde sie 1979 als Leiterin der Abteilung für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie am Institut für Psychologie der Uni Wien berufen. Dort entwickelte sie das Psychologie-Institut, das 2002 zur Fakultät wurde, auch über einige Jahre hinweg als dessen Leiterin federführend weiter. Immer wieder mahnte Rollett die bessere Ausstattung ihres und anderer universitärer Institute in Österreich ein. Das tat sie u.a. auch als Chefin der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie (ÖGP), der sie nach der Gründung im Jahr 1993 als Gründungspräsidentin vorsaß. Über viele Jahrzehnte hinweg setzte sich Rollett u.a. intensiv mit dem Thema Autismus und vor allem mit Bildung, Lernen und Motivation auseinander. So prägte sie etwa den Begriff der Anstrengungsvermeidung, also das aktive Einsetzen von Vermeidungsstrategien gegenüber Anforderungen, die die Umwelt an einen Menschen stellt. Auf Rolletts Forschungsarbeit basiert nicht nur der in der psychologischen Diagnostik breit eingesetzte Anstrengungsvermeidungstest (AVT), sondern auch eine entsprechende Therapiemethode, mit der diese Lernstörung behandelt werden kann. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Erziehungsberatung und Familienentwicklung. Auch nach ihrer Emeritierung ist die Wissenschafterin als Betreuerin aktiv und hält Lehrveranstaltungen. Rollett fungierte auch als Präsidentin der 1977 gegründeten Gesellschaft gegen Sekten und Kultgefahren und warnte vielfach vor dem Gefährdungspotenzial etwa für junge Menschen.

Herbert Hyman prägte den Begriff der Bezugsgruppe (reference group) und wies auf deren Bedeutung für den sozialen Vergleich und den Erwerb von Einstellungen hin. 

In den 50er Jahren wurden weitere Laboruntersuchungen in der Kleingruppenforschung unternommen. Im einzelnen ging es um Interaktionsprozesse (Robert F. Bales), Einfluß einer Majorität auf das Urteil des einzelnen (Solomon E. Asch), das Bedürfnis nach Kontakt mit anderen in bedrohlichen Situationen (Stanley Schachter), die Risikobereitschaft in Gruppen im Vergleich von Einzelpersonen (Kogan & Wallach), der Einfluß der Kommunikationsstruktur auf die Gruppenleistung (Bavelas und Leavitt).

Eine der ersten Demonstrationen des Gruppenzwangs in einem Laborexperiment lieferte 1951 der amerikanische Psychologe Solomon Asch. Dabei mussten Probanden angeben, welche von drei Linien die gleiche Länge wie eine Referenz aufwies. Die Abschnitte waren so gewählt, dass es nicht schwer sein sollte, die richtige Lösung zu finden. Doch angeblich neutrale Gruppenmitglieder, die zuvor instruiert worden waren, verkündeten bei zwei Dritteln der Schätzungen eine falsche Lösung. Tatsächlich beeinflusste die offensichtlich falsche Gruppenmeinung die neutralen Probanden derart, dass jeder in mindestens einer von achtzehn Konfliktsituation danebentippte. Im Durchschnitt ließen sich die Personen mehr als ein von drei Mal zu einer falschen Angabe verleiten.

Fritz Heider hatte schon in den 40er Jahren ein Modell entwickelt, welches den Zusammenhang von Einstellungen und Sozialbeziehungen zum Ausdruck brachte (Balancemodell) . 

Leon Festinger hatte mit seiner Theorie sozialer Vergleichsprozesse und der kognitiven Dissonanz ein plausibles Modell entworfen, nach dem Einstellungsänderungen vorhergesagt werden konnten. (angewandt in der Markt- und Werbeforschung)

In Deutschland wandt man sich nach dem Krieg der Untersuchung von sozialen Folgen des Krieges zu, später stehen mehr sozialpädagogische Absichten im Vordergrund. Bedeutende Sozialpsychologen der Nachkriegszeit sind Kripal Sodhi (1911-1961), der Untersuchungen zum konformen Verhalten und sozialer Stereotypen durch Peter Hofstätter (*1913), der die Sozialpsychologie breiten Kreisen zugänglich gemacht hat. 

Eine Bewährungsprobe bestand die deutschsprachige Sozialpsychologie in der Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse, insbesondere der Aggressionstheorie. In Konrad Lorenz' Trieblehre, die er 1963 veröffentlichte, gibt es vier bedeutende Triebe, darunter den Aggressionstrieb, der mehrere biologische Funktionen erfüllt. Nach Lorenz gilt weder tierische noch menschliche Aggression reaktiv. Aggressionen werden nicht zu jedem Zeitpunkt geäußert, sondern sie haben arterhaltende Funktion und sollen, in Form von Flucht oder Angriff, in erster Linie das Überleben sichern. Auch spricht Lorenz davon, dass sich die Aggressionsenergie ständig neu nachbildet, und nach Abfuhr drängt, die von auslösenden Reizen stark abhängt. Sollten solche Reize zu lange ausbleiben, kann es zu sogenannten "Leerlaufhandlungen" kommen; die Aggressionen laufen auch ohne spezifischen äußeren Reiz ab. Lorenz führt einen folgenschweren Analogieschluß durch, indem er sein an Tieren (hauptsächlich Graugänsen) beobachtetes Verhalten einfach linear auf den Menschen überträgt. Beim Menschen soll sich der Aggressionstrieb besonders verhängnisvoll auswirken, da ihm die neuzeitliche Zivilisation kaum sinnvolle Entladungsmöglichkeiten biete. In der Folge entstünden beim Menschen Störungen in der physischen wie auch psychischen Gesundheit. Lorenz schlägt zur Regulierung des Aggressionstriebes vor, die Energie auf Ersatzhandlungen umzuleiten.

Alexander Mitscherlich (1908-1982) vertrat - ähnlich wie der Verhaltensforscher Konrad Lorenz - eine vereinfachte Triebtheorie.

Die sozialpsychologische Betrachtung der Aggression lehnt dagegen jegliche Triebtheorie ab und befürwortet lerntheoretische und neobehavioristische Ansätze. Die Frustrations- Aggressionstheorie nach Dollard versuchte die im psychoanalytischen Konzept enthaltenen dynamischen Eigenschaften ohne die verschwommene und unnötige Annahme eines Aggressionstriebes zu erhalten. Die von Dollard entwickelte Theorie besagt in ihrer strengsten Form: Frustration führt in jedem Fall zu irgendeiner Form von Aggression und das Auftreten von Aggression setzt in jedem Fall eine vorhergegangene Frustration voraus. Als Frustration gilt in diesem Konzept die Störung einer bestehenden zielgerichteten Aktivität, und Aggression wird als Verhaltenssequenz verstanden, die auf eine Verletzung einer Person oder eines Organismussurrogats (Ersatzobjekt) abzielt. In einer späteren Weiterentwicklung wurde auf eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen offener Aggression und dem Anreiz zur Aggression (instigation to aggression) besonderes Augenmerk gelegt. Daher heißt es hier: Frustration schafft Anreize zu irgendeiner Form von Aggression. Es kommt daher nach diesem erweiterten Konzept nur dann zur Aggression, wenn der durch Frustration erlangte Reiz zur Aggression in der Hierarchie der unterschiedlichen Reize an oberster Stelle steht. Stehen andere Reize dieser Hierarchie an oberster Stelle, so wird Aggression zumindest zeitweilig verhindert und durch andere Verhaltensweisen ersetzt. Daraus geht hervor, dass je mehr nicht-aggressive Reaktionen durch lang andauernde Frustrationen gelöscht werden, es wahrscheinlicher wird, dass die Möglichkeit einer aggressiven Verhaltensweise immer stärker ist.

Heute betrachtet man Aggression eher als Form sozialer Interaktion. Die kognitive Wende hat auch hier zu einer stärkeren Beachtung der Wahrnehmungsprozesse geführt. Weniger Beachtung erfährt die Gruppendynamik, wobei Intergruppenprozesse nach wie vor untersucht werden. Dominierende Theorien sind die Attributionstheorie, die Austauschtheorie und die Gleichgewichtstheorien wie Heiders Balancemodell und Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz. 

Die Wirtschaftspsychologie steht mit ihren Bereichen Arbeits-, Betriebs- Organisations- und Marktpsychologie im Spannungsfeld ökonomischer Interessen. Das Ideal der Neutralität der Psychologie ist gerade im Bereich der Angewandten Psychologie unerreichbar.

Das Programm zur Arbeitsintensivierung und -rationalisierung des amerikanischen Ingenieurs Frederik Winslow Taylor (1856-1915) begünstigt ein naturwissenschaftliches Psychologieverständnis. Der Taylorismus degradiert den Arbeiter zum Ausführenden, der durch entsprechende Anreize zu höheren Leistungen motiviert werden soll.

Hugo Münsterberg (1863-1916) spielt bei der Entstehung der amerikanischen Wirtschaftspsychologie eine große Rolle. Er popularisierte den von William Stern eingeführten Begriff der (industriellen) Psychotechnik als "Wissenschaft von der praktischen Anwendung der Psychologie im Dienste der Kulturaufgaben". Münsterberg entwickelt die ersten Berufseignungstests für Straßenbahnfahrer. Erst im Zuge der späten Professionalisierung der Psychologie in Deutschland entsteht in den 30er Jahren der Beruf des Betriebspsychologen. Die ersten werbepsychologischen Untersuchungen wurden Anfang des Jahrhunderts von Walter Dill Scott durchgeführt. Auch Münsterberg führt später Untersuchungen zur Behaltensleistungen von Werbung (aufbauend auf der Lerntheorie von Ebbinghaus) durch. Während die Problemstellung der Wirtschaftspsychologie der Praxis entstammt, kommen die Theorien aus der Allgemeinen Psychologie. 

Edmund Lysinski, der bereits vor dem 1. Weltkrieg unter Leitung des Betriebswirtschaftlers Heinrich Nicklisch werbepsychologische Untersuchungen durchgeführt und gehört in Deutschland zu den Pionieren auf diesem Gebiet.  Wichtige Pionierarbeit leistete die Angewandte Psychologie in der Methodenlehre. Auch das Feldexperiment entstammt daher. 

Auch die Klinische Psychologie, der sich heute der größte Teil der berufstätigen Psychologen widmen, eigene Methoden entwickelt. Hauptbereiche sind die Diagnose und die Behandlung von Störungen des Erlebens und Verhaltens. Eine Klinische Psychologie als Wissenschaft und Forschungsmethode entsteht erst in der zweiten Hälfte des 19. Jh.

Wilhelm Griesinger (1817-1868) und andere Psychiater betrachteten Geisteskrankheiten nicht mehr als Strafe Gottes sondern als Krankheiten mit somatischen Ursachen.

Lightner Witmer (1867-1956) gründete an der Universität von Pennsylvania eine "Psychologische Klinik". Als Nachfolger von James McKeen Cattel, Erfinder der mental tests, übernahm er dessen diagnostischen Methoden, wollte darüber hinaus jedoch Beratung, Psychotherapie und Rehabilitationsmaßnahmen für schwach begabte Kinder durchführen.

Emil Kraeplin (1885-1926) entwickelte eine Systematik der Geisteskrankheiten, die in ihren Grundzügen heute noch verwendet wird und wendete erstmals experimentelle Methoden in der Psychiatrie an. Er baute ein eigenes Institut auf, wo er zahlreiche Untersuchungen über Schlaftiefe, Ermüdung, Wirkung von Tee, Alkohol auf geistige Prozesse, etc. durch. Seine Befunde hatten für die Diagnostik (Reaktionszeiten, Additionsmethode, Schreibdruckmessung mit der sog. Schriftwaage usw.), für die Arbeitspsychologie (Ermüdung, Erholung, Arbeitspausen) und für die Psychiatrie (Pharmazie) großen Wert.

Nachdem Reflexologie und Behaviorismus wichtige Hinweise auf die Entstehung von neurotischen Störungen gegeben hatte, wurden bereits in den 20er Jahren die Lerntheorie zur Beseitigung von Symptomen genutzt. Der Siegeszug der auf den Lerntheorien beruhenden Verhaltenstherapie begann jedoch erst lange nach dem zweiten Weltkrieg. 

Von der Psychoanalyse beeinflußt ist die von Carl R. Rogers (1902-1987) begründete klientenzentrierte oder nicht-direktive Therapie, die das Bedürfnis des Menschen nach Anerkennung und Erfüllung in den Vordergrund stellt. Diese Ziele soll der Klient selbst in sich finden. Bei der so praktizierten Gesprächstherapie ist es die Aufgabe des Therapeuten, emotionale Wärme, Echtheit und einfühlendes Verstehen zu entwickeln und sich jeglicher lenkenden Maßnahmen zu enthalten. Die Gesprächstherapie hatte erheblichen Einfluß auf die Entwicklung von Gruppentherapien, Beratungsformen und auf die Pädagogik. Grundzüge der GT finden sich heute auch in anderen Therapieformen. 

Heute ist die Klinische Psychologie durch eine Annäherung der unterschiedlichen theoretischen Ansätze (bes. auch der Tiefenpsychologie) gekennzeichnet, wobei es eine kaum mehr zu überschauende Vielzahl von Therapierichtungen gibt. Es fällt heute wesentlich schwerer Schulen oder markante Richtungen innerhalb der psychologischen Forschung zu erkennen. Sie ist gegenwärtig durch eine Pluralität der Lehrauffassungen gekennzeichnet, wobei jedoch informelle Netze zwischen ähnlich denkenden Psychologen vorhanden sind. Gemeinsam ist den meisten eine Überwindung des Behaviorismus. Die neueren kognitiv-psychologischen Richtungen heben ab auf Wahrnehmung, Denken und Informationsverarbeitung, die kritisch-psychologischen Richtungen stellen die politisch-gesellschaftliche Einbindungen des handelnden Menschen heraus. Bei der humanistisch-psychologischen Richtung geht es um die Suche des Menschen nach Selbstverwirklichung.

Während Descartes ein mechanistisches Menschenbild vertreten hat, wurde in der Romantik die Seele des Menschen mit dem Wasser(dampf)) verglichen und nach der Entdeckung der Nervenfunktionen um die Jahrhundertwende zog man Parallelen zwischen dem menschlichen Denken und dem Funktionieren eines Telefons oder Radios (nachrichtentechnische Metapher) Heute dominiert die Computer-Metapher, d.h. das Funktionieren des menschlichen Verstandes wird mit einem Roboter oder Computer verglichen. Um eine weitergehende Antwort auf die Frage nach der Ähnlichkeit zwischen Gehirn und Computer zu erhalten, erhielten George A. Miller, Eugene Galanter und Karl H. Pribram eine Forschungsstipendium, um zu prüfen, welchen Nutzen die Kybernetik für die Psychologie hatte. Sie nehmen an, dass kybernetische Systeme Ziele (Sollwerte) haben, über Wissen (Speicher) verfügen und zur Zielerreichung Pläne (Computerprogramme) verwenden. Auch das menschliche Handeln wird ihrer Meinung nach als kompliziertes Netzwerk von Regelkreisen aufgefaßt, wobei Verhalten das Resultat sowohl externer Bedingungen (siehe Behaviorismus) als auch interner Handlungsziele (siehe v.a. Motivationstheorien und neuere Gestaltpsychologie) ist. Diese Abkehr von der Modellvorstellung eines passiv reagierenden Menschen zu einem planenden, selbsttätig handelnden und wahrnehmenden Individuum wurde als "Kognitive Wende" bezeichnet, die in den 70er Jahren zur dominierenden Richtung wurde, wobei der Begriff Wende eher auf die amerikanische Psychologie zutrifft, da es besonders in Deutschland schon vorher zahlreiche Vorläufer dieser Richtung in der wahrnehmungs-, gestalt-, ganzheits-, denkpsychologischen Strömungen gegeben hat, wie z.B. Wundts Bewusstseinspsychologie, die Willenspsychologie Narziß Achs, die Denkpsychologie der Würzburger Schule, Karl Bühlers Sprach- und Ausdruckstheorie, die Gestaltpsychologie, Lewins Feldtheorie, Dunckers Psychologie des Problemlösungsverhaltens, Wertheimers und Metzgers Arbeiten über produktives und schöpferisches Denken, die sozialpsychologischen Balance- und Dissonanztheorien, etc. 

Im klassischen Experiment von Karl Duncker (1935) hatten Probanden die Aufgabe, im Versuchsraum eine Kerze an der Wand zu befestigen. Es lagen dazu eine Kerze, Streichhölzer und eine Schachtel mit Reißnägeln im Raum. Die richtige Lösung bestand darin, die Kerze in der ausgeleerten Reißnagelschachtel zu befestigen und diese dann mit einem Reißnagel an der Wand zu fixieren. Viele Probanden hatten Schwierigkeiten bei der Lösung dieser Aufgabe, was darauf zurückzuführen war, dass man die Reißnagelschachtel in einer anderen als der üblichen Funktion verwenden musste. Zunächst nimmt man eine Reißnagelschachtel nur in ihrer Funktion als Behältnis und nicht in ihrer ebenfalls möglichen Funktion als Kerzenständer wahr. Durch das Wissen über die übliche Funktion eines Objektes wird das Erkennen neuer Funktionen verhindert. Diesen Effekt bezeichnet man als funktionale Fixierung.

Siehe dazu auch Dunckers Rätsel zu Moses auf dem Berg Sinai!

Biografische Anmerkung: Karl Duncker war Schüler von Max Wertheimer und Wolfgang Köhler und gehört damit zur zweiten Generation der Berliner Schule der Gestaltpsychologie. Sein Werk auf dem Gebiet der Denkpsychologie fällt in die Zeit politischer, sozialer und wissenschaftlicher Umbrüche, sodass Duncker in der Psychologiegeschichtsschreibung bisher nur sporadisch berücksichtigt wird, was auch mit dem frühen Todes Karl Dunckers 1940 zusammenhängt.

Jedenfalls erhalten viele traditionelle Bereiche der Psychologie durch die Hinzunahme kognitionspsychologischer Konzepte eine neue Qualität (v.a. die Lerntheorien wie das operante Konditionieren.) Das forschungsmethodische Problem liegt darin, dass Kognitionen nur mittelbar aus dem Verhalten erschlossen werden können.  Vielleicht wird es bald eine neue Disziplin der "Kognitiven Wissenschaften" geben, die Informationsverarbeitung, künstliche Intelligenz, Psycholinguistik etc. umfaßt.

Russische Psychologen, wie Sergej Rubinstein hatten auf der Grundlage marxistischer Gesellschaftstheorie die Bedeutung zielgerichteter Tätigkeit des handelnden Menschen im gesellschaftlichen Leben herausgestellt. Tätigkeiten lassen sich demnach in einzelne zielgerichtete Handlungen aufteilen, sie sind hierarchisch organisiert und werden durch (Teil-)ergebnisse reguliert. Diese Gedanken Rubinsteins wurden erst in den 70er Jahren von Winfried Hacker (Dresden) und Walter Volpert (West-Berlin) in direkten Bezug zu Miller, Galanter und Pribram als Modell der hierarchisch-sequentiellen Handlungsregulation formalisiert und auf berufliche Tätigkeit angewandt. 

Die sog. Berner Schule, die diese Auffassung auf Handlungen jeder Art überträgt, entwickelte die sog. Selbstkonfrontationsmethode, wobei Personen Filme über ihre eigene Handlungssituation gezeigt werden, die anschließend über ihre Gedanken und Absichten während der Handlungen befragt werden.

Kritische Wissenschaftstheorien befassen sich im allgemeinen auf die Gesellschaftstheorie von Karl Marx. Im Jahr 1923 wurde an der Universität Frankfurt das Institut für Sozialforschung gegründet mit der Aufgabe, Wechselwirkungen von Gesellschaft und Kultur (Philosophie, Literatur, Musik und Film) zu untersuchen. Dazu kamen Studien zu Autorität und Faschismus 1933 wurde das Institut geschlossen und die führenden Mitglieder dieser Einrichtung, wie Theodor W. Adorno (1903-1969), Erich Fromm (1900-1980), Max Horkheimer (1895-1973) und Herbert Marcuse (1898-1979), mußten ihre Studien in der Emigration fortsetzen. Nach der Wiedereröffnung 1951 setzten sie die philosophische, historische und psychoanalytische Interpretation der Gesellschaftstheorie von Marx fort. In den 60er Jahren kam es dann zu einer wissenschaftstheoretischen Diskussion mit Vertretern des Neopositivismus wie Karl Popper (*1902) und Hans Albert (*1921), dem sog. Positivismusstreit. Die Neopositivisten (Kritische Rationalisten) forderten eine Trennung von Werturteilen und wissenschaftlichen Sätzen und vertraten somit eher eine "liberale" Psychologieauffassung, die der Ansicht war, die Psychologie könne Wege aufzeigen zu Zielen, die sie nicht selbst setze, sondern die heteronom gesetzt würden. Auf der anderen Seite stellte Vertreter der Frankfurter Schule heraus, dass jeder Theoriebildung ein Erkenntnisinteresse vorausgeht (Habermas) und dass Theorien von Herrschaftsinteressen bestimmt und durchsetzt sind (Adorno). 

Erich Fromm (1900 - 1980) wurde in Frankfurt geboren. Sein Vater war ein Geschäftsmann und nach Erich´s Angaben sehr launisch. Seine Mutter war häufig deprimiert. In anderen Worten, seine Kindheit verlief nicht sehr glücklich. Erich kam aus einer sehr religiösen Familie, orthodoxen Juden. Fromm selbst wurde später etwas, was er als mystischen Atheisten bezeichnete. In seiner Autobiographie spricht Fromm von 2 Erfahrungen in seiner frühen Jugend, die ihn prägten: In die erste Erfahrung war eine Freundin der Familie involviert: " Sie war vielleicht 25 Jahre alt; sie war schön, attraktiv und zusätzlich eine Malerin, der erste Maler, den ich kennen lernte. Ich erinnere mich, dass ich hörte, dass sie ein Engagement hatte, es aber nach einiger Zeit abgebrochen hatte. Ich erinnere mich, dass sie in der Firma ihres verwitweten Vaters beschäftigt war. Ich erinnere mich an ihn als alten, uninteressanten und sehr unattraktiven Mann, oder so ähnlich ( vielleicht wurde mein Urteil irgendwie durch Eifersucht beeinflusst). Eines Tages hörte ich die schrecklichen Neuigkeiten: ihr Vater war gestorben und kurz darauf brachte sie sich selbst um. In ihrem letzten Willen legte sie fest, dass sie neben ihrem Vater beerdigt werden wollte." Wie sie sich denken können, trafen diese Nachrichten den 12 Jahre alten Erich sehr, und er fragte, was sich viele von uns fragen würden: Warum ? Später begann er einige Antworten zu finden, teilweise in Freud. Die zweite Erfahrung war sehr viel länger: er 2. Weltkrieg. In dem sensiblen Alter von 14 Jahren, sah er die Extreme, die der Nationalsozialismus nehmen könnte. Er hörte überall um sich herum die Botschaft: Wir ( die Deutschen, genauer, die deutschen Christen) sind großartig; die anderen ( die Engländer und ihre Alliierten) sind billige Söldner. Der Hass, die Kriegshysterie, beängstigte ihn. So versuchte er ein weiteres Mal das irrationale zu verstehen - die Irrationalität des Massenverhaltens - und erfand einige Antworten, diesmal in den Schriften Karl Marx. Um Fromm´s Geschichte zu beenden: Er erwarb seinen Ph.D. in Heidelberg 1922 und begann eine Karriere als Psychotherapeut. Der Psychoanalytiker Erich Fromm war der Überzeugung, dass eine Gesellschaft, die Profit über Glück und Entfaltung der Menschen stellt, seelisch erkrankt. Daher müsste man nicht den Einzelnen behandeln, sondern vor allem wirtschaftliche und soziale Strukturen verändern.

Erich Fromm über Glück und Freude

 

[Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=AAbKIvpALmg]

Er ging 1934 zurück in die USA und ließ sich in New York nieder, wo er auf viele andere große Denker, die sich dorthin geflüchtet waren, traf. Auch Karen Horney, mit der er eine Affäre hatte. Gegen Ende seiner Karriere ging er nach Mexiko City, um dort zu lehren. Er betrieb wichtige Forschung über die Beziehung zwischen der economic class und den dort vorkommenden Persönlichkeitstypen. Er starb 1980 in der Schweiz.

Klaus Holzkamp (*1927) erarbeitete eine wissenschaftstheoretische Orientierung, die zunächst als Konstruktivismus, heute allgemein als "Kritische Psychologie" bezeichnet wird. Teilweise noch radikaler als die "Frankfurter Schule" fordert Holzkamp mit Marx ein dialektisches Verhältnis von Mensch und Gesellschaft und vertritt die Ansicht, Psychologie sei als Einzelwissenschaft möglich, jedoch der marxistischen Gesellschaftstheorie unterzuordnen. Heute ist eine Annäherung von kritischer, geisteswissenschaftlicher und neopositivistischer Psychologie festzustellen. 

Die humanistische Psychologie grenzt sich sowohl vom Behaviorismus als auch von der Psychoanalyse ab und bezeichnet sich so als "dritte Kraft" der Psychologie. Dazu gehören: Abraham Maslow, Charlotte Bühler, Carl Rogers, Fritz Perls Sidney M. Jourard, Rollo May, Fred Massarik u.a. Man wollte eine Psychologie entwickeln, die das aktive Streben des Menschen nach einem erfüllten Leben, nach Anerkennung und Selbstverwirklichung in den Mittelpunkt stellte. 1961 wurde unter dem Vorsitz von Abraham Maslow die American Association of Humanistic Psychologie gegründet, die v.a. folgende 4 Thesen vertritt: 1. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die erlebende Person (nach theoretischen Erklärungen und sicht barem Verhalten). 2. Der Akzent liegt auf spezifisch menschlichen Eigenschaften wie der Fähigkeit zu wählen, der Kreativi tät, Wertsetzung und Selbstverwirklichung. 3. Die Auswahl der Fragestellung und Forschungsmethoden erfolgt nach Sinnhaftig keit (weniger nach Objektivität). 4. Ein zentrales Anliegen ist die Aufrechterhaltung von Wert und Würde des Menschen, und das Interesse gilt der Entwicklung der jedem Menschen innewohnenden Kräfte und Fähigkeiten. Rogers geht davon aus, der Mensch sei von Natur aus gut und verfüge über Selbstheilungskräfte. Nach Bühler strebt er nach einem erfüllten Leben und nach Maslow nach Selbstverwirklichung. Die von Charlotte Bühler (mit Allen) angeführte historische Wurzel des Humanismus und des Existentialismus sind nicht sehr überzeugend. Größere Ähnlichkeiten finden sich in der Reformpädagogik (Georg Kerschensteiner, Peter Petersen, Maria Montessori) und zur geisteswissenschaftlichen Psychologie, da bei diesen 3 Richtungen die starke Betonung der Eigengesetzlichkeit menschlichen Denkens und Handelns und die Annahme dynamischer Kräfte im Menschen im Mittelpunkt stehen. Auch in ihrem Methoden greifen die humanistischen Psychologen auf altere Ansätze zurück, wie z.B. die phänomenologischen Methoden wie sie von Edmund Husserl, Theodor Lipps und Ludwig Klages benutzt wurden. Der Psychologie soll allem Seelischen ohne voreilige Deutung, Wertung oder Kritik mit derselben Aufmerksamkeit begegnen. Auf Grundlage der Humanistischen Psychologie sind mehrere Therapie- und Beratungsformen entwickelt worden.

Der Begriff der Transpersonalen Psychologie wurde von Abraham Maslow und Stanislaw Grof geprägt und umfaßt verschiedene sehr heterogene Ansätze. Hauptanliegen ist die Untersuchung des Bewußtsein einschließlich bewußtseinserweiternder Prozesse wie insbesondere spirituelle Erfahrungen, Ekstase, Grenz- und Sterbeerfahrungen. Die Fragen haben teilweise religiösen Charakter, die Methoden umfassen neben der Meditation auch bewußtseinsverändernder Stoffe. Beeinflußt ist die Transpersonalen Psychologie durch östliche Religionen und Psychologiesystemen, wie den Zen-Buddhismus, Yoga und Sufismus. Zuspruch findet die Transpersonalen Psychologie auch durch die Arbeiten Fritjof Capras und Hans-Peter Duerr. Gemeinsam ist beiden Theorien die Abkehr der neueren Naturwissenschaften vom kartesianischen, d.h. mechanistischen Weltbildes. Der kartesianische Dualismus von Körperwelt und Bewußtsein, was einen gewaltigen Fortschritt der Naturwissenschaft zur Folge hat, die mittlerweile aber immer mehr an ihre Grenzen stößt. Z.B. entwickeln sich immer mehr Krankheiten, die aufgrund von physischen und psychischen Faktoren zustande kommen, und die Medizin allein nicht mehr heilen kann. Noch wird die Transpersonale Psychologie - wie früher auch die Humanistische Psychologie - von vielen mit Mißtrauen betrachtet, die hierin lediglich eine regressive Flucht ins Magisch-Mystisch-Spirituelle sehen.

Positive Psychologie

In den vergangenen Jahren hat sich die Forschungsrichtung "Positive Psychologie" - auch manchmal Wohlbefindensforschung - etabliert: Diese Richtung untersucht, wozu es angenehme Gefühle wie Zufriedenheit, Hoffnung, Optimismus, Freude und Glück gibt und wie diese Emotionen entstehen. Die Positive Psychologie konzentriert sich auf Themen wie Glück, Achtsamkeit, Kreativität, Selbstvertrauen, Lebenszufriedenheit und emotionale Intelligenz.

Der aus der Depressionsforschung bekannte Martin Seligman gilt als Begründer dieses neuen Zweigs der akademischen Psychologie. Er glaubt, dass jeder Mensch eine optimistische Lebenseinstellung erlernen kann. So raten die Glücksforscher unter anderem, Belastungen zu vermeiden, interessante Abwechslungen vom Alltag zu suchen und das Glück auch in den alltäglichen einfachen Dingen zu suchen. So kann etwa ein bewusstes Lächeln und ein bewusst glücklicher Gesichtsausdruck die eigene Stimmung heben.

Psychologen-Ranking

Im Haggbloom-Ranking bekannter Psychologen wurde im Jahr 2002 auf Grund der Anzahl von Zitierungen sowie einer Umfrage unter amerikanischen Psychologen B.F. Skinner, Jean Piaget und Sigmund Freud als die bedeutendsten Psychologen benannt. Psychomeda hat ein Ranking basierend auf Wikipedia erstellt, wobei die Anzahl der Wikipedia-Artikel in den verschiedenen Sprachen als Maß für die Berühmtheit eines Psychologen genommen wurde. Für alle Persönlichkeiten wurde ermittelt, in wie vielen Sprachen ein Wikipedia-Artikel vorhanden ist. Das Ranking ergab folgende Reihung:

Platz 1. Sigmund Freud (Artikel in 116 Sprachen). Begründer der Psychoanalyse und Erforscher des Unbewussten.
Platz 2. Noam Chomsky (Artikel in 84 Sprachen). Sprachwissenschaftler; leitete die kognitive Wende ein.
Platz 3. Carl Gustav Jung (Artikel in 60 Sprachen). Begründer der analytischen Psychologie. Bedeutende Beiträge zu Persönlichkeit (Typologie).
Platz 4. Ivan Pavlov (Artikel in 58 Sprachen). Entdeckte das Prinzip der klassischen Konditionierung.
Platz 5. Jean Piaget (Artikel in 49 Sprachen). Erforschte die kognitive Entwicklung beim Menschen.
Platz 6. John Dewey (Artikel in 46 Sprachen). Fordert die demokratische Erziehung.
Platz 7. William James (Artikel in 45 Sprachen). Begründer der amerikanischen Psychologie.
Platz 8. Wilhelm Wundt (Artikel in 43 Sprachen). Eröffnete das erste psychologische Laboratorium der Welt in Leipzig.
Platz 9. Erich Fromm (Artikel in 41 Sprachen). Begründer der politischen Psychologie; erforscht die Natur des Menschen und die psychische Gesundheit.
Platz 10. Alfred Adler (Artikel in 40 Sprachen). Begründer der Individualpsychologie. Führt den Begriff Minderwertigkeitskomplex ein.
Platz 11. Abraham Maslow (Artikel in 39 Sprachen).
Platz 12. Jacques Lacan (Artikel in 38 Sprachen).
Platz 13. Herbert Simon (Artikel in 37 Sprachen).
Platz 14. Alfred Kinsey (Artikel in 37 Sprachen).
Platz 15. Wilhelm Reich (Artikel in 36 Sprachen).
Platz 16. Lev Vygotsky (Artikel in 34 Sprachen).
Platz 17. Francis Galton (Artikel in 33 Sprachen).
Platz 18. Burrhus Frederic Skinner (Artikel in 31 Sprachen).
Platz 19. Carl Rogers (Artikel in 30 Sprachen).
Platz 20. Erik Erikson (Artikel in 30 Sprachen)

Literatur

Haggbloom et al. (2002). The 100 most eminent psychologists of the 20th century. Review of General Psychology, 6, 139-152.
http://www.psychomeda.de/psychologie-blog/beruehmte-einflussreiche-psychologen.html (10-10-28)

Stock, Armin (Hrsg.) (2016). Karl Marbe, „Zeitgemäße populäre Betrachtungen für die kultivierte Welt. Aus dem Nachlass eines deutschen Gelehrten“. Frankfurt: Peter Lang Verlag.

Weitere Quellen

http://www.ngfg.com/texte/br006.htm (00-05-20), http://www.regiosurf.net/supplement/personen/

https://idw-online.de/de/news752922 (20-08-24)



inhalt :::: nachricht :::: news :::: impressum :::: datenschutz :::: autor :::: copyright :::: zitieren ::::


navigation: