Werner Stangls resignierende Anmerkungen zum Definitionsversuch (Version beta 0.9 - 98-06-04)

Dieser Text ist der Versuch, nach Aufforderung eines Kollegen die bisherigen Texte nicht nur satirisch zu dekonstruieren sondern einmal nach "normalen" Kriterien zu prüfen. Ich verstehe Juvenal jetzt sicher besser: es ist verdammt hart, keine Satire zu schreiben.

Ich habe den vorliegenden Text nur deshalb aus den vorliegenden papers ausgewählt, da er inhaltlich einiges versprach und er mir neu ist. Mit den bisherigen Unterlagen habe ich mich a.a.O. schon beschäftigt:

http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at:4711/SIEB.10/SATIRE/SOZIALEKOMPETENZ/SozialeKompetenz.html


Zum Begriff der "sozialen Kompetenz"

Ilse Born-Lechleitner und Brigitta Nöbauer


Auf den Begriff der sozialen Kompetenz stößt man in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen (z. B. Psychologie, Soziologie) und praktischen Kontexten (z. B. Schulausbildung, Personalentwicklung, Therapie). Vor allem in der Psychologie und in therapeutischen "Schulen‘ wurden zahlreiche Ansätze sozialer Kompetenz entwickelt (z. B. behavioristische, handlungstheoretische, kognitive bzw. systemische, gruppendynamische, kognitiv orientierte Ansätze wie NLP).

Anmerkung: Hier fehlen die Belege - mW gibt es innerhalb der Psychologie weder einen begrifflichen noch praktischen (theoretischen) Kontext, in dem SK eine zentrale Rolle spielt. Ich bitte daher um einen Beleg für diese Behauptung, sofern hier innerhalb eines wissenschaftlichen Kontextes diskutiert werden soll. Die Durchsicht einiger neuerer Fachlexika wird Ihnen das wohl bestätigen. Dieses Aufstellen von Behauptungen widerspricht eklatant der SK im wissenschaftlichen Diskurs.

Definitionen, Modelle und Trainingsmethoden spiegeln mehr oder weniger deutlich den jeweiligen theoretischen Kontext wider. Eine 'konsensuale Definition zu finden, ist daher unmöglich, vielleicht auch gar nicht wünschenswert.

Anmerkung: zum 1. Satz: Nona. Zum 2. Satz: Hier ist zu fragen, wer sich wünscht, irgendetwas zu tun ohne genau zu wissen, was er tut. IMHO definiert ein solcher Ansatz vermutlich genau das, was soziale Inkompetenz bedeutet.


Über unterschiedliche psychologische 'Paradigmen‘ hinweg sind die Konzepte über folgende gemeinsame Merkmale verbunden.

Anmerkung: die im folgenden genannten Ansätze bewegen sich alle mehr oder minder innerhalb desselben Paradigmas (sensu Kuhn), daher ist die Verwendung dieses Begriffes wohl unzulässig.

a. Effektivität sozialen Handelns

In ihrer allgemeinsten Form wird soziale Kompetenz als die Fähigkeit definiert, effektiv mit der Umwelt zu interagieren. In fast allen Konzepten gelten Effektivität bzw. Angemessenheit des Verhaltens als Kriterien für sozial kompetentes Handeln, wobei der Effektivitätsbegriff in zwei Richtungen geht: Einerseits bezieht er sich auf das interaktive Moment (Erfüllung von Rechten, positive &Mac226;Verhaltenskonsequenzen), andererseits auf die Qualität von Problemlösungen (Sachaspekt). Nur beides gemeinsam zeichnet sozial kompetentes Verhalten aus.

Anmerkung: Der wohl wichtigste Begriff, die "Angemessenheit" bleibt hier undefiniert. Nur wenn dieser Begriff klar ist, wird diese "Definition" verständlich. Der Begriff "Erfüllung von Rechten" müßte expliziert werden, "positive Verhaltenskonsequenzen" sind kein interaktives Moment, denn Interaktivität ist ein klassisches dreidimensionales Konzept (A,B,AxB). Qualität ist per definitionem ein Aspekt der (individualen, sozialen) Bewertung, also eindeutig nicht dem Sachaspekt zuzuordnen.

b. Wechselbeziehungen zwischen Individuen und ihrer Umwelt

Soziale Anforderungen verschiedener Lebenszusammenhänge werden zu den Fähigkeiten und Potentialen von Individuen in Beziehung gesetzt. Kompetenzen werden stets Einzelpersonen zugeschrieben. Es fallen aber Konstrukte, die nur vom Individuum her definiert sind, wie z.B. Selbstvertrauen, soziale Angst oder Selbstbehauptung für viele Autoren nicht unter den Kompetenzbegriff.

Anmerkung: Was ist der Unterschied von Fähigkeiten und Potentialen (definitorisch?). Das klassische psychologische Konzept "soziale Angst" ist neben den beiden anderen Begriffen wohl konstitutiv, wenn man die Kompetenz eines Individuums definieren sollte.

Darüber hinaus weist der Kompetenzbegriff auch eine prognostische Komponente auf. Er beinhaltet die Annahme, daß ein beobachtetes bzw. gelerntes Verhalten auch in Zukunft oder in anderen Situationen gezeigt wird.

Anmerkung: Diese Sätze sind mir unverständlich - nicht nur im Zusammenhang mit einer Definition von SK. Ganz abgesehen davon, daß eine Begriff selber wohl nichts mit Prognose zu tun hat. Wenn sich die Autorinnen auf latentes bzw. intentionales Lernen beziehen, dann sind sie vermutlich tautologisch.


c. Anforderungsbezogenheit

Charakteristisch für den Kompetenzbegriff ist der Bezug zwischen personbezogenen Variablen (Eigenschaften, Fähigkeiten, Fertigkeiten o.ä.) und Anforderungen der Umwelt (kultur- bzw. situationsspezifisch, aufgabenbezogen). Kompetenzen können nur in Bezug zu jeweils konkretisierten Anforderungen gemessen und beurteilt werden, sie sind daher in Kontexten wichtig, in denen Personen an &Mac226;Standards‘ gemessen werden. An der Erfüllung dieser Standards hängt häufig ein erstrebenswertes Gut wie Anerkennung, eine Stelle oder eine Beförderung.

Anmerkung: Oben wird geschrieben, daß personenbezogene Konstrukte nach Meinung vieler Autoren nicht unter den Begriff SK fallen, hier sind solche plötzlich charakteristisch.


d. Normativität des Begriffes

Kompetenzen beinhalten immer kulturelle, gesellschaftliche oder lokale Normen und Vorstellungen über &Mac226;richtiges‘ Verhalten. Es gibt daher keine &Mac226;generelle‘ soziale Kompetenz.

Anmerkung: Mir ist nicht klar, wie eine Kompetenz (soziale Kompetenz?) Vorstellungen enthalten soll. Vorstellungen sind ebenfalls kein brauchbares wissenschaftliche (psychologisches) Konstrukt.


e. Skills und Kompetenz

Eine Unterscheidung, die in der theoretischen Diskussion weitgehend geteilt wird, besteht zwischen &Mac226;skills‘ und &Mac226;Kompetenz‘. Während erstere sich auf Teilfertigkeiten (z. B. eine bestimmte Methode beherrschen, Kenntnis von Einleitungsphrasen für ein Gespräch) beziehen, schließt Kompetenz ihre situationsgerechte Anwendung mit ein.

Anmerkung: In keinem einzigen Punkt (a-e) wird klar, was an diesem Konzept sozial sein soll. Interaktion allein ist noch nicht sozial.

Ich möchte nochmals auf meinen Versuch verweisen, die Begriffsbestimmung auf ihre Substanz hin zu untersuchen. Dadurch, daß den genannten Punkten eine x-Beliebigkeit zuzueignen war, sollte demonstriert werden, daß sie sich wohl als eine Grundlage für ein sich wissenschaftlich gerierendes Konzept doch nicht so gut eignet.



Inhaltliche Konkretisierung

Die oben angeführten Charakteristika machen es notwendig, eine inhaltliche Diskussion darüber zu führen, was soziale Kompetenz im Kontext einer sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen akademischen Ausbildung sowohl ausbildungsbegleitend wie auch berufsvorbereitend bedeuten kann.

Wir schlagen daher vor, von einer schlagwortartigen Aufzählung wünschenswerter Kompetenzen zu einer anforderungs- bzw. situationsbezogenen Herangehensweise überzugehen.

Unserer Auffassung nach sind dabei folgende Ebenen zu berücksichtigen:

Zur näheren Explikation diene hier das Schlagwort der "Teamfähigkeit", welche in Stellenausschreibungen immer wieder eingefordert wird.

Teamfähigkeit könnte im Kontext einer sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung heißen: in die Lage versetzt werden, in Gruppen sowohl als Moderator als auch als Mitglied kooperativ und zielorientiert zu arbeiten‘. Bezogen auf die genannten Ebenen heißt das beispielsweise:

* selbstreflektive und interaktive Ebene

*Techniken wie z.B.

* Theoretisches Wissen etwa über Gruppenprozesse, Phasen von Gruppenarbeiten, Rollen innerhalb einer Gruppe...

Anmerkung: Teamfähigkeit ist wie SK ebenfalls ein vollkommen verschwommenes Konzept, das sich letztlich in einem "irgendwas tun" erschöpft. "Na mach ma halt a paar Techniken und schaun, was herauskommt". Für alle diese Methoden fehlen weitgehend klare Zieldefinitionen und auch Belege für Effiktivität (individual, sozial und gesamtgesellschaftlich). Ich halte es generell für bedenklich, ohne klare Deklaration (ideologischer) Zielvorstellungen ein letztlich pädagogisches Konzept zu implementieren.

Persönliche abschließende Anmerkung: Aus Gründen der knappen Zeit zwischen Veröffentlichung des papers und der Sitzung der Gruppe war das nur ein "Schnellschuß" und soll ein paar Punkte aufzeigen, über die man sich vielleicht doch genauer unterhalten sollte. Auch in den Statuten gibt es zahlreiche Unklarheiten. Ich schrieb in einer mail an die Leitung bereits:

meine Auseinandersetzung mit den bisherigen Aktivitaeten
der Arbeitsgruppe ist ernstgemeint, denn mehr als dekonstruieren
laesst sich das wohl nicht. Einige Kollegen haben bereits ihre
Besorgnis geaeussert, dass das, was bisher produziert worden
ist, unsere Universitaet in der internationalen Oeffentlichkeit 
der Laecherlichkeit preisgeben koennte. 
 
Bitte lesen Sie nur mit einigem Ernst den Absatz 2 der Statuten:
 
2. Zweck des c.s.c. ist die Förderung der Kooperation sowie 
gemeinsamen Präsentation gegenüber Öffentlichkeit und 
der internationalen Forschung von Wissenschaftler/innen der Sozial- und
Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät auf dem Gebiete der Forschung und 
Lehre zu Fragen der Sozialen Kompetenz. In die Kooperation sind auch 
fakultätsexterne Wissenschaftler/innen bzw. Institutionen der Forschung 
und/oder Lehre sowie Interessenten aus dem Bereich der Praxis
(z.B. Wirtschaft) einzubeziehen.
 

Wenn man diesen "Zweck" ernst nimmt, dann wäre die Herausgabe des Vorlesungsverzeichnisses ein förderungswürdiges Vorhaben Des weiteren schrieb ich:

Auch die (in den Statuten) vorgesehene Bindung an das Doktorat halte 
ich fuer seltsam, denn was hat SK mit einer Ausbildung zu tun, die sich nach
Ihrem Konzept gerade ueberhaupt nicht dafuer eignen soll, SK zu
vermitteln. Hier wird die Argumentation in sich absurd.

Um mich zu wiederholen: D.E.S.N.S.


Quelle: http://www.economics.uni-linz.ac.at/csc/def.htm