Lompscher, Joachim & Mandl, Heinz:

Lehr- und Lernprobleme im Studium. Bedingungen und Veränderungsmöglichkeiten.

Verlag Hans Huber, Bern 1996, 264 S.

ISBN 3-456-82725-3.

Der Sammelband umfaßt drei Gruppen von Beiträgen zu einem Symposion der Universität Potsdam:

I. Studienmotivation und Lernverhalten

Im ersten Beitrag diskutiert Manfred Prenzel die Bedingungen selbstbestimmten und motivierten Lernens anhand eines über das klassische Konzept der ex- und intrinsischen Motivation hinausgehenden Modells. Er leitet Schlußfolgerungen für die universitäre Lehre ab, die insgesamt nicht allzuweit über pädagogischen Hausverstand hinausweisen.

Peter Nennigers Text über motiviertes selbstgesteuertes Lernen als Grundqualifikation akademischer und beruflicher Bildung zeigt ein betrübliches begriffliches und pseudoempirisches Rotieren in allen nur denkbaren syntaktischen und semantischen Fallgruben, wobei das bemühte "Zwei-Schalen-Modell akademischen Lernens" wohl eher eines des Forschens und Lehrens darstellt.

Ähnliches gilt für die Analyse der Lernzeit von Studierenden, die Andreas Helmke und Friedrich-Wilhelm Schrader liefern. Sie tappen in die Falle der Analytizität, d.h., sie rekonstruieren die aus der Alltagslogik in ihr Modell eingeschleusten Zusammenhänge mit modisch-methodischem Brimborium. Sie kommen daher auch zu eher "frappierenden" Schlußfolgerungen wie

- man lernt länger, wenn man wenig weiß,
- man lernt leichter und mehr, wenn man sich für den Stoff interessiert,
- man lernt kürzer, wenn man den Stoff schon beherrscht,
- in Lerngruppen wird nicht nur gelernt, sondern auch anderes getan.

Den interessantesten Beitrag des ersten Abschnitts liefert Klaus-Peter Wild, der Beziehungen zwischen Belohnungsstrukturen der Hochschulen und motivationalen Orientierungen der Studierenden untersucht. Er unterschiedet zwei Lernstrategien:

- oberflächenorientiert, "blinde" Anstrengung zum Auswendiglernen und
- tiefenorientiert, um Verständnis bemüht.

Er interpretiert vorliegende empirische Befunde dahingehend, daß die vorherrschenden Prüfungsmodi an den Universitäten oberflächenorientiertes Lernen fördern und das pädagogisch wertvollere, um Verständnis bemühte Erarbeiten eher bestrafen.

Günter L. Huber (er)findet bei der Analyse des Orientierungsstils und des Lernverhaltens von Studierenden ein psychologisches Modell aus den 50ern (Festinger) durch Einsetzen eher verwirrender Begriffe (wieder), was zur Folge hat, daß bei einer (Rück)Übersetzung die Ergebnisse trivial bleiben.

Heinz Giesen und Andreas Gold weisen in einer Längsschnittanalyse nach, daß der oft postulierte Zusammenhang zwischen Studiendauer und Studienmotivation der Studenten, aber auch der zwischen Studiendauer und Merkmalen des Studienaufbaus (Transparenz, Strukturierung) nicht unmittelbar nachweisbar ist. Vielmehr gilt: "Sage mir, an welcher Universität du studierst, und ich sage dir, wie lange dein Studium dauern wird".

II. Studium aus der Sicht der Studierenden

Der zweite Abschnitt des Buches hebt sich in Substanz, Inhalt und Klarheit wohltuend vom ersten ab.

Gabi Reinmann-Rothmeier, Heinz Mandl und Evi Kroschel liefern anhand einiger Lerngeschichten ein Plädoyer für kooperatives Lernen, das in Zusammenhang mit Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit eine Voraussetzung bzw. einen Rahmen für den oft als notwendig postulierten lebenslangen Lernprozeß darstellt.

Mit Alpträumen sozialwissenschaftlich Studierender, den empirischen Methoden und der Statistik, setzen sich Hans Gruber und Alexander Renkl in einer kleinen empirischen Arbeit auseinander. Sie liefern Grundlagen für eine Neugestaltung einschlägiger Methodenkurse, wenn man deren - intendiertes? - Merkmal der Knock- und Drop-out-Raten-Erhöhung beseitigen möchte. Die Ergebnisse bestätigen die Forderung nach Studienplanreformen, wonach Methodik nicht unabhängig von Inhalten vermittelt werden sollte.

Dieselben Autoren liefern gemeinsam mit Heinz Mandl einen typologisch orientierten Beitrag über Hindernisse beim kooperativen Lernen, wonach sich dann didaktische Probleme für Lernende und Lehrende stellen, wenn sie anwendungsorientierte Lehr-Lernmodelle in Arbeitsgruppen verwirklichen wollen. Ähnlich wie in Klaus-Peter Wilds Beitrag zeigt sich, daß schulische und universitäre Strukturen (Anforderungen, Prüfungsmodi) hemmend wirken, indem die geforderte Fähigkeit zur Kooperation von den vorgefundenen Bedingungen konterkariert wird.

Ute Neuhäuser und Thomas Reichel präsentieren die Ergebnisse einer Umfrage unter Potsdamer Studenten, die neben lokalen Besonderheiten die traditionell kritisierten Schwächen der Universitäten (Praxisferne, wenig Hilfe bei der Studienorganisation, keine Koordination bei Lehrveranstaltungen, didaktische Mängel) bestätigen.

Cordula Artelt und Joachim Lompscher, liefern eine weitere eher lokal interessante Analyse von Lernstrategien und Studienproblemen, wobei ein kurioses Detail erwähnenswert scheint: drei Tabellen von Rangkorrelationen ohne Zahlen (S. 175f). Die schon vor Jahren kritisierte Sternchenpsychologie - nicht zu verwechseln mit der vermutlich in gleicher Weise ernstzunehmenden Astropsychologie - zeigt hier eine neue, mit bloßem Auge erkennbare Konstellation.

Bärbel Kirsch und Tuyet Vo Thi Anh zeigen, wie man anhand grundsätzlich interessanten Datenmaterials zum Problemerleben und zur Problembewältigung beim Übergang von der Schule zur Hochschule mit dafür weitgehend ungeeigneten Methoden letztlich überzogene Interpretationen liefert, da entweder die Effekte zu gering oder bloß trivial sind.

III. Lernprobleme aus fachdidaktischer Sicht

Noch eingegrenzter sind die drei im letzten Abschnitt versammelten Arbeiten von Helmut Fischler über Lern- und Lehrprobleme in der fachdidaktischen Ausbildung von Physiklehrern, von Marion Klewitz über Lerndispositionen im Geschichtsstudium, und von Sigrid Strempler über das heikle Thema dieses Studiums aus "wende"psychologischer und -politischer Perspektive. Die beiden erstgenannten Arbeiten liefern anhand von Fallstudien auch über den besonderen Fall hinausgehende Einsichten, die zum Nachdenken anregen.

Eine eindeutige Bewertung des Sammelbandes zu diesem in der hochschulpolitischen Diskussion aktuellen Thema fällt angesichts der heterogenen und wenig integrierten Beiträge schwer. Die Arbeiten des zweiten und auch dritten Abschnitts aus dem Blickwinkel der "Betroffenen" sind für die Zielgruppen (Dozenten, wissenschaftlicher Nachwuchs, Studierende) durchaus informativ. Die meisten Arbeiten des ersten Abschnitts hingegen zeigen die wesentlichen Dilemmata heutiger Wissenschaft(lichkeit) auf:

8-}) WS


[Oliver Gassner -- http://www.carpe.com/buch/ -- Literatur Online]


©opyright p@psych Linz 1999.
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