27.04.2004 - ERWACHSENBILDUNG

Lernen für die Praxis, nicht die Prüfung

Wenn Erwachsene - wieder - lernen: Was Kleine besser können, wo Große Vorteile haben und wie man sich auf Kurse vorbereiten kann.

VON ASTRID MÜLLNER

Wer hat nun recht? Der Volksmund, wenn er sagt "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr"? Oder der Weiterbildungs-Pionier Emil Oesch, wenn er meint "Die Lernfähigkeit ist eine Angelegenheit der geistigen Haltung und nicht des Alters" Die gute Nachricht für alle jenseits der 20, die Wissen anhäufen möchten: Laut Lernexperten irrt der Volksmund, und Oesch liegt richtig.

So erklärt etwa Peter Drumbl, Inhaber und pädagogischer Leiter des Instituts für angewandte Pädagogik in Graz: "Wer schon mal gut und viel gelernt hat, kann es auch später noch. Lernpausen sind dann kein Problem." Enga-giere man sich beispielsweise beruflich, wolle man weiterkommen, lerne man automatisch. "Natürlich lernen Kinder schneller", weiß auch Werner Stangl, Professor am Institut für Pädagogik und Psychologie an der Johannes Kepler Universität in Linz. "Erwachsene haben aber den Vorteil, dass sie einen ganz anderen Erfahrungshintergrund haben. Sie können an Vorwissen anknüpfen, Anwendungsbeispiele in der Praxis finden und so das Gelernte einordnen und vernetzen. Das macht Lernen wesentlich effizienter."

Ein Punkt, den Kleine den Großen voraus haben: "Sie lernen spielerischer. Erwachsene gehen meist gehemmter ans Lernen heran, denken nur rationell", so Konrad Zimmermann, Geschäftsführer von Lernquadrat. Wettmachen könnten sie diesen Vorsprung durch Übungen, etwa Jonglieren, die Querverbindungen zwischen rechter und linker Gehirnhälfte schaffen. Oder einfach durch die hohe Motivation, die geistige Haltung, mit der Erwachsene zumeist Weiterbildungen besuchen.

"In jungen Jahren lernt man leider vor allem für Noten und Prüfungen", erklärt Zimmermann, "die Erwachsenen lernen, zumindest in den meisten Fällen, weil sie wollen, nicht weil sie müssen." Der Spruch "nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir", wird also erst im Erwachsenenalter umgesetzt: "Man denkt an den Nutzen des Kurses, erwartet sich etwas vom Besuch", so Drumbl.

Eine Frage der Zelt

So gut die Vorzeichen für das lernen im Erwachsenenalter auch sein mögen, Vorbereitung ist - und hier hat der Volksmund Recht - die halbe Arbeit! Lernen fällt leichter, wenn es geplant und strukturiert angegangen wird. Ein wichtiger Punkt: die Zeiteinteilung. "Erwachsene sind zwar oft geübt im Organisieren, es ist aber nicht immer einfach, das Lernen in den Alltagsablauf zu integrieren", weiß Stangl. Deshalb sei es sinnvoll, sich Lernstrategien und techniken anzueignen, "um nicht unnötig Zeit zu vergeuden", erklärt Ernst Bauer, Universitätslektor für Lehramtskandidaten.

Wie einen Urlaub planen

Um einen Lernplan zu entwickeln, rät Zimmermann, auf Bekanntes zurückzugreifen. "Man stellt sich einfach, vor, wie man zum Beispiel einen Urlaub organisiert. Wo will ich hin, welche Zwischenstationen gibt es, wie lange bleibe ich wo? Und: Was interessiert mich am meisten? Die Methodik ist ja da, sie muss nur in einem anderen Bereich umgesetzt werden."

Für Drumbl ist die Organisation des Gedächtnisses wichtiger Punkt einer Vorbereitung. In Eigenregie oder mit Lernberatern könne man verschiedene Methoden erarbeiten, "so wird das Lernen effizienter." Aber: "Nicht alles auf einmal umkrempeln", warnt Stangl. "Beim Erarbeiten von Lerntechniken sollte man Schritt für Schritt vorgehen. Etwa mit der Zeitplanung beginnen, sitzt die, kann ein Gedächtnistraining folgen."

Bei der Auswahl von Weiterbildungskursen raten die Experten, auf die Didaktik zu achten: "Seminare müssen gut aufbereitet sein. Sie sollen Einstiegshilfen bieten, der Trainer muss die Teilnehmer dort abholen, wo sie stehen", so Zimmermann. Stangl weiß: "Der Frontalunterricht funktioniert nicht. Seminare für Erwachsene müssen Aktivitäten zulassen."

Und aktiv bleiben heißt es auch, ist das Gedächtnis organisiert, der Zeitplan stimmig, das Gelernte gut vernetzt. Denn auch wenn Lernen keine Frage des Alters ist eine der Konsequenz ist sie, so Oesch, allemal: "Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Sobald man aufhört, treibt man zurück".


Quelle: Die Presse vom 27. April 2004, S 25.