Modellversuch: Mehr Motivation, weniger Fünfer

VON FRIEDRICH SALMEN

STEYR. Seit Steyrer Handelsschüler in einem österreichweiten Modellversuch ein Drittel der Unterrichtsstunden weitgehend selbst gestalten, geht's aufwärts. Fünfer haben ihren Schrecken verloren, die Arbeitsfreude nimmt zu.

"Man kann sich die Noten beim offenen Lernen um einiges verbessern. Das Ausführen der Aufträge macht Spaß, wir müssen allerdings auch mehr arbeiten als im normalen Unterricht", sagt Romana Einzinger aus der 2 a-Klasse.

Offene Lernstunden gibt es in allen Fächern. Die Schüler der Versuchsklassen 1 a und 2 a bekommen Arbeitsaufträge, die sie in Eigenverantwortung umsetzen - zum Beispiel beim internationalen Schulprojekt "Wasser".

Während offene Lernformen in vielen Volks- und Hauptschulen bereits seit Jahren erfolgreich praktiziert werden, sind sie in mittleren und höheren Schulen bisher kaum vertreten.

"Wir Lehrer sind in den offenen Stunden nur Lernbetreuer, müssen also einen Teil unserer Verantwortung an die Schüler abgeben. Das fällt nicht leicht, diese Entwicklung ist aber auch in anderen Ländern zu beobachten. Ihr gehört die Zukunft, wie uns beim engen Kontakt mit Kooperationsschulen in Holland, Dänemark, Deutschland und Tschechien bestätigt wurde", ist Georg Neuhauser, Biologielehrer an der Steyrer HASCH und HAK sowie freiberuflicher Psychotherapeut, überzeugt.

Er entwickelte mit seiner Kollegin Helga Wittwer, einer Englischlehrerin, 1996 das Konzept für den Schulversuch "Differenziertes Lernen als Integrationsfaktor".

Die ersten Zwischenergebnisse sind ermutigend: Auch schwächere Schüler sind motivierter und kontaktfreudiger als bisher. "Es wird keine Repetenten geben, weil Fünfer auf Schularbeiten durch gute Leistungen beim offenen Lernen wettgemacht werden können. Wir ergänzen die wenig aussagekräftigen Ziffernnoten durch verbale Beurteilung und legen Wert auf Leistungsvorlage - zum Beispiel in Form von Schülermappen", sagt Wittwer.

Für das offene Lernen wurden Klassenräume der Handelsschule wohnlicher gestaltet - mit bequemen Sitzecken. Die Schüler müssen in den offenen Lernstunden Informationen aus Zeitungen sowie elektronischen Medien beschaffen und verarbeiten.

"Schlüsselqualifikationen wie Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Kommunikationsfähigkeit werden forciert. Es gibt weniger Fehlstunden und Lehrer wie Schüler müssen wesentlich enger zusammenarbeiten als beim Frontalunterricht. Wir sind sicher, daß unser Modell nach der Bewertung durch Professor Herbert Altrichter von der Linzer Johannes Kepler Universität auch in der HAK umgesetzt werden kann", ist Neuhauser überzeugt.


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