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Lernen im Studium

So wie sich die Menschen voneinander unterscheiden, so unterscheiden sich auch ihre Lern- und Arbeitstechniken. Deshalb können wir hier kaum allgemeingültige Arbeitsanweisungsungen geben. Dennoch gibt es einige Prinzipien, die bei der Mehrzahl der Menschen funktionieren. Einige davon haben wir in diesem Kapitel zusammengefaßt. Du solltest prüfen, ob diese Hinweise hier für Dich hilfreich sein können.


1. Kleine Psychologie des Lernens

Keine Angst, wir wollen hier keinen Psychologen aus Dir machen. Wenn Du aber ein bißchen was darüber weißt, wie Dein Gehirn denkt und lernt, kannst Du Dir im Studium so einige Schwierigkeiten ersparen.

1. Lernen

Die klassische Lernpsychologie unterscheidet zwei elementare Formen des Lernens: das klassische Konditionieren und das instrumentelle Konditionieren. Die moderne Lernpsychologie versucht darüber hinaus, komplexeres menschliches Lernen zusätzlich durch kognitive Lerntheorien zu erklären.

Das klassische Konditionieren kannst Du Dir praktisch zunutzemachen, indem Du Dir bestimmte Gewohnheiten und Lernrituale aneignest, um Dir so die Kontinuität im Lernen zu erleichtern und Dir dauernde neue Entscheidungen im Lernprozeß zu ersparen:

So wichtig gewohnheitsmäßiges Verhalten im Leben auch sein mag, viele Lernvorgänge lassen sich darauf nicht zurückführen, sondern bedürfen einer anderen Erklärung. Bei der instrumentellen Konditionierung geht man davon aus, daß Belohnung und Erfolg den Lernprozeß fördern. Erfolgserlebnisse fördern nicht nur das individuelle Lernen, sie steigern zugleich das Selbstbewußtsein und ermutigen zu größeren Aufgaben. So gestärkt, setzt man sich neue oder höhere Lernziele, womit häufig eine stärkere Motivation für das eigene Lernverhalten einhergeht. Deine Eltern und gute Lehrer in Deiner Schule haben mit Sicherheit die Einsicht, daß Erfolgserlebnisse und Belohnungen motivieren, bei Deiner Erziehung intuitiv eingesetzt, indem sie erwünschte Verhaltensweisen von Dir belohnt und unerwünschte ignoriert oder gar bestraft haben. In den kommenden Semestern wirst Du Dir allerdings immer wieder selbst auf die Schulter klopfen müssen. Deshalb hier nun ein paar Anregungen, wie Du die Erkenntnisse der instrumentellen Konditionierung umsetzen kannst:

Die Lernpsychologie versucht typisch menschliche Fähigkeiten wie Sinnverständnis, Einsicht, logisches Denken, planvolles Handeln und problemlösendes Verhalten über die klassische und instrumentelle Konditionierung hinaus durch kognitives Lernen zu erklären. Darunter ist im Gegensatz zum Lernen durch Gewöhnung, Versuch und Irrtum vielmehr sinnhaftes Lernen zu verstehen, also Lernen durch Einsicht. Wenn Du jetzt an die Affen denkst, die Kisten übereinanderstapeln, um die Bananen an der Decke zu erreichen, dann bist Du schon auf dem richtigen Weg. Laß Dich dann noch ein bißchen weiter anregen:

Im Bereich des kognitiven Lernens lassen sich nun zwei Arten des Lernens unterscheiden: das empfangende Lernen und das entdeckende Lernen. Dem empfangenden Lernen entsprechen alle darbietenden Lehrverfahren, an der Uni also vor allem die Vorlesung. Unter entdeckendem Lernen versteht man die selbständige Erarbeitung von Problemlösungen auf der Grundlage vorhandener Kenntnisse.

Gemäß der Lerntheorie sollten darbietende Lehrverfahren, wie etwa Vorlesungen, grob wie folgt aufgebaut sein:

Beim empfangenden Lernen in Vorlesungen solltest Du folgende Punkte beherzigen:

Im Gegensatz zum empfangenden Lernen findet das entdeckende Lernen hauptsächlich außerhalb der von der Uni angebotenen Lehrveranstaltungen statt, also in einer selbst organisierten Lerngruppe und insbesondere an Deinem Schreibtisch. Dabei geht es darum, allein oder in der Gruppe selbständig auf Entdeckungsfahrt zu gehen, sich selbst Kenntnisse, Fähigkeiten und Einsichten zu erwerben oder zu vertiefen und diese zur Lösung neuer Probleme einzusetzen. Dadurch entwickelst Du die Fähigkeit, Thesen zu bilden, zu prüfen, zu bewerten und als Problemlösungsstrategien einzusetzen. Auch hierzu ein paar Anregungen:

2. Motivation und Lernerfolg

Motivation ist der wirksamste Antrieb zum Lernen und bestimmt den Lernerfolg entscheidend! Besonders lernwirksame und zudem direkt auf die Sache bezogene Motive sind Neugier und Interesse. Nun wirst Du aber im Verlauf Deines Studiums der Informatik immer wieder gezwungen sein, Dich mit Themen zu befassen, die Dich nur wenig interessieren. Das in weiter Ferne liegende Diplom und die Erwartung eines hohen Einkommens im späteren Beruf werden Dich dabei auf die Dauer kaum nachhaltig zum Lernen und Arbeiten motivieren. Du mußt Dir also Hilfsziele setzen, die Du realistisch in überschaubaren Zeitabschnitten verwirklichen kannst. Übernimm Dich dabei allerdings nicht! Die Fülle des Geforderten kann leicht mutlos machen und führt immer wieder zum Studienabbruch oder zum Langzeitstudium. Erfolgversprechend und positiv verstärkend ist es, wenn Du im vorgegebenen Rahmen der Prüfungsordnung den Erwerb der diversen Scheine, die Prüfungen und die gegebenenfalls nachzuholenden Prüfungen gleichmäßig auf den zur Verfügung stehenden Zeitraum verteilst. Dabei ist es schon schwierig, Motivationen zu erzeugen, aber dennoch ist es nicht ganz unmöglich! Deine Motivationsstruktur kannst Du allerdings nur dann nachhaltig verbessern, wenn Erfolgserlebnisse das Selbstvertrauen stärken und damit neue Motivationen freisetzen. Dieses Ziel erreichst Du allerdings nicht in einem einzigen euphorischen Kraftakt, sondern nur, indem Du langfristig und gezielt Schritt für Schritt Dein Leistungsvermögen durch Planung, Ausführung und selbstkritische Kontrolle verbesserst. Dabei auftretende Mißerfolge solltest Du in ihrem Stellenwert realistisch beurteilen und weder über- noch unterschätzen.

Die folgenden Anregungen sollen Dir dabei helfen, Deine Motivationsstruktur zu überdenken und letztlich Deine Lernmotivation und Studienleistung zu verbessern:

3. Vergessen und Behalten

Das Gedächtnis läßt sich in das Ultrakurzzeit-Gedächtnis, das Kurzzeit-Gedächtnis und das Langzeit-Gedächtnis unterteilen. Während man das Ultrakurzzeit-Gedächtnis mit einem reflektierenden Verkehrsschild vergleichen könnte, das nur solange aufleuchtet, wie es von einem Autoscheinwerfer angestrahlt wird, läßt sich der Ablauf im Kurz- und Langzeit-Gedächtnis mit dem in einer fotografischen Bildplatte verdeutlichen. Wie beim Fotografieren Lichtstrahlen (Reize) über das Objektiv (Sinne) auf eine Platte oder einen Film (Gedächtnis) treffen und dort chemische Reaktionen hervorrufen, so müssen weitere chemische Reaktionen ablaufen, um das Bild dauerhaft zu fixieren. Wird der Negativfilm nur entwickelt und nicht direkt anschließend im Fixierbad behandelt, so wird der Film schwarz, und die aufgenommenen Bilder verflüchtigen sich. Ähnlich kann man sich den Ablauf im Kurzzeit-Gedächtnis beim Vergessen vorstellen: der chemische Vorgang hat zwar begonnen, wird aber nicht beendet, weil die notwendige Portion an Motivation zum Behalten fehlte oder keine Anknüpfungspunkte vorhanden waren. Ein dauerhaftes Bild erhält man nur dann, wenn der Fixiervorgang vollständig und ohne Unterbrechungen durchgeführt wird. Das menschliche Langzeit-Gedächtnis muß durch Assoziationen, die die biochemischen Fixiervorgänge auslösen, aufgebaut werden. Das Fixieren des Negativfilms entspricht der Herstellung von Assoziationen für das dauerhafte Behalten im Langzeit-Gedächtnis.

Vergessen bedeutet also, daß Informationen und Lernprozesse nicht über das Ultrakurzzeit-Gedächtnis hinausgekommen sind, da der Fixiervorgang noch gar nicht eingeleitet wurde, oder daß der Fixiervorgang beim Übergang vom Kurzzeit- zum Langzeit-Gedächtnis unterbrochen wurde. Darüber hinaus können aber auch schon einmal gespeicherte Informationen im Laufe der Zeit durch andere Eindrücke überlagert oder blockiert werden.

Daher hier nun ein paar Anregungen, die Dein Behalten fördern mögen:

4. Konzentration

Unter Konzentration versteht man die Fähigkeit, sich über bestimmte Zeiträume hinweg intensiv mit einer Sache zu beschäftigen. Zwar verfügt jeder von uns verschieden stark über diese Fähigkeit, dennoch kann man die äußeren Ursachen von Konzentrationsstörungen beseitigen und die inneren Konzentrationsschwächen durch Übung abbauen.

Den wenigsten Studenten gelingt es, einer Vorlesung voll konzentriert von Anfang bis Ende zuzuhören. Das ist aber in der Regel auch gar nicht unbedingt nötig! Du solltest vielmehr frühzeitig lernen, Deine Konzentration je nach Vorlesungsphase den jeweiligen Erfordernissen anzupassen! In den Phasen, in denen der Vortragende vom Thema abschweift, die Tafel putzt oder zeitraubende Tafelanschriften erstellt, kann man durchaus seine Konzentrationsintensität soweit zurücknehmen, daß sie ausreicht, um bei Wichtigem sofort wieder konzentriert bei der Sache zu sein, ohne den roten Faden zu verlieren. Das kann man üben!

Da die äußeren Ursachen von Konzentrationsstörungen in der Regel recht einfach zu beheben sind, hier nur ein paar Anregungen zur Verbesserung der inneren Konzentrationsfähigkeit:

5. Zeit

Damit Du nicht auch bald zu jenen Studenten gehörst, die sich haufenweise mit Büchern über Zeitmanagement eindecken, aber keine Zeit haben, sie auch zu lesen, hier ein paar Anregungen zum Thema Zeitplanung.

Mit der Möglichkeit, den Tagesablauf frei einteilen und planen zu können, fällt Dir als Student ein Geschenk zu, von dem viele andere, die in feste Arbeitszeiten eingebunden sind, nur träumen können. Diese Freiheit hat aber zwei Gesichter: Sie ermöglicht Dir die freie Entscheidung darüber, wie Du Deine Arbeitszeit plazierst. Du kannst also Deine Zeit vergleichsweise frei einteilen, aber Du mußt es eben auch! Und sich, angesichts einer Fülle von Ablenkungen und angesichts der Gefahr, mangelnde Leistungen mit nicht studienbezogenen Aktivitäten entschuldigen zu können, seine Zeit selbstverantwortlich frei einzuteilen, das ist verdammt schwer! Die häufigsten Mängel und Belastungen, mit denen Studenten in ihrem Arbeitsverhalten und ihrer Zeiteinteilung zu kämpfen haben, sind:

Die akademische Freiheit verlangt ein großes Maß an Eigeninitiative und Selbstdisziplin.

Plane lang-, mittel- und kurzfristig! Entwickle lang-, mittel- und kurzfristige Zeitpläne nach der Methode der allmählichen Präzisierung!

Bei der langfristigen Zeitplanung legst Du Deine fernen Ziele fest, zum Beispiel Dein Vordiplom. Deine Fernziele sind allerdings soweit entfernt, daß Du sie nur über Zwischenziele erreichen kannst, die Du durch mittelfristige Planungen festlegst. Während Du Deine langfristigen Ziele in der Regel nur grob zu strukturieren vermagst, kannst Du über Deine mittelfristigen Ziele schon genauere Angaben machen. Die kurzfristigen Pläne enthalten dann ganz genaue Angaben darüber, welche Aufgaben Du in welcher Reihenfolge mit welchem Zeitaufwand angehen willst. So erhältst Du von der Grobzielplanung zur Feinzielplanung eine allmähliche Präzisierung und Konkretisierung der Arbeitsaufgaben und Zeitpläne. Dieses stepwise refinement bringt eine Reihe von Vorteilen:

Dabei bleibt es natürlich ganz Dir überlassen, wie genau Du planst. Der eine macht das alles im Kopf und nur ungefähr, der andere plant ziemlich genau und schreibt sich alles auf.

Bedenke: Du verfügst an einem Tag nur über ein begrenztes Leistungsvermögen, die Effizienz Deiner Arbeit richtet sich nach Deinem Wachheitsgrad und verschiedene Tätigkeiten verlangen verschiedene Wachheitsgrade.

Durchschnittlich kann man pro Tag etwa vier Stunden lang anspruchsvolle Tätigkeiten, vier Stunden lang halb anspruchsvolle Tätigkeiten und zwei bis drei Stunden lang wenig anspruchsvolle Tätigkeiten verrichten. Die Wachheitskurve eines Menschen über einen Tag hinweg sieht in der Regel ungefähr so aus:

Gewichte die einzelnen Tätigkeiten nach ihrem Schwierigkeitsgrad bzw. nach dem Konzentrationsbedarf. Zum Beispiel fällt es schwer, ganz neuen Stoff zu verstehen, während es nur wenig Konzentration benötigt, eine Vorlesungsmitschrift zu lochen und einzuheften. Du solltest immer die anspruchsvollsten Tätigkeiten ausführen, die Du zum jeweiligen Zeitpunkt schaffen kannst. Du mußt also die erforderlichen Tätigkeiten sinnvoll über den Tag verteilen. Zum Beispiel wäre es angesichts obiger Wachheitskurve töricht, zwischen neun und zwölf Uhr morgens stur in der Bibliothek Bücher zu suchen, dafür ist später noch Zeit; statt dessen solltest Du ein Leistungshoch für die anspruchsvollsten Tätigkeiten des Tages nutzen. Dazu mußt Du Dir natürlich über Deinen persönlichen Tagesrhythmus klar werden, manche haben nämlich ihre Hochphase vormittags oder nachmittags, manche abends oder gar nachts. Die Tiefphasen sind auch gut für Pausen geeignet.

Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß Du Deine Pläne, wie detailiert sie auch sein mögen, stets anpassen solltest, da sich Deine Ziele selbst ändern können oder auch die für die einzelnen Phasen angesetzte Zeit sich als zu hoch oder zu niedrig herausstellen kann. Sieh deshalb Deine Pläne nie als starre Instrumente an, sondern handhabe sie flexibel!

Beantworte Dir bei der Bewertung Deiner Zeitplanung ganz ehrlich immer wieder mal die folgenden Fragen:

6. Mitschreiben und Notieren

Mitschriften von Vorlesungen und Übungen entlasten Dein Gedächtnis und ermöglichen Dir jederzeit die Wiederholung des Stoffes, insbesondere zum Zweck der Prüfungsvorbereitung. Das Anfertigen von Notizen zwingt Dich zur Aufmerksamkeit, führt zu einer aktiven und fragenden Grundhaltung und bildet damit eine wichtige Grundlage zum Verstehen und zum leichteren und längeren Behalten des Stoffes.

Viele Studenten übernehmen gewohnheitsmäßig diverse Arbeitstechniken aus der Schule, die sich in der Regel aber als denkbar unzweckmäßig für den Einsatz an der Uni und im späteren Beruf erweisen. Daher möchten wir Dir im folgenden einige Ratschläge geben, die natürlich keine Patentrezepte darstellen; vielmehr möchten wir Dich anregen, über Deine Art und Weise des Mitschreibens und Notierens nachzudenken und Dir Deine persönliche Technik zuzuschneiden. Beherzige jedoch auch hier wieder: don't panic! Erfahrungsgemäß dauert es seine Zeit, bis man die teils schlechten Angewohnheiten aus der Schulzeit hinter sich gelassen und eine Sammlung passender Mitschreibtechniken entwickelt hat. Wirf also die Flinte nicht vorzeitig ins Korn! Übung macht den Meister.

Zu einigen Vorlesungen mußt Du Dir keine Vorlesungsmitschrift anfertigen, sondern kannst Dir für so um die 10 Mark im Sekretariat des Professors ein Skript kaufen. Aber Vorsicht, es will gelernt sein, mit so einem Skript zu arbeiten! Es erspart Dir nicht den Vorlesungsbesuch, sondern ermöglicht es Dir, der Vorlesung leichter zu folgen, weil Du nicht gleichzeitig hinhören, mitschreiben und mitdenken mußt. Außerdem kannst Du Dich anhand des Skriptes ganz gut auf eine Vorlesung vorbereiten, indem Du schon mal ein paar Seiten vorausliest.

Obwohl der Inhalt der Vorlesung im Skript steht, solltest Du den Stift nicht einfach in der Tasche lassen. Bei vielen Studenten sieht dummerweise das Skript am Ende des Semesters so aus wie direkt nach dem Kauf. Das Skript ist eine Arbeitsunterlage, also arbeite auch darin! Eben weil Du nicht den eigentlichen Inhalt der Vorlesung mitschreiben mußt, hast Du Gelegenheit, die Kommentare und Ergänzungen des Dozenten aufzunehmen und im Skript zu notieren, und gerade diese Notizen im Skript helfen Dir am Ende des Semesters, wenn es mit Sicht auf die Prüfung darum geht, Details in einem größerem Zusammenhang aufzuarbeiten.

7. Lesen

In den kommenden Semestern wirst Du Diverses lesen müssen: Fachbücher, Forschungsberichte, Artikel in Fachzeitschriften, Skripte, Versuchsunterlagen, Gerätebeschreibungen, Software-Dokumentationen etc. Der ungeübte Leser neigt dazu, Fachliteratur, Zeitungen, Illustrierte und Unterhaltungsromane in gleicher Weise und mit ein und derselben Methode zu lesen. Die hier vorgestellte 5-Schritt-Methode soll Dir als Leitfaden beim intensiven, behaltenswirksamen Lesen von Fachliteratur dienen. Sie verbessert Deine Lesetechnik, indem sie Deine Aufmerksamkeit beim Lesen erhöht und die Auseinandersetzung mit dem Gelesenen fördert; dadurch behältst Du mehr. Auch hier gilt wieder, daß Du die vorgestellten Methoden, Verfahren und Strategien üben mußt, um sie jederzeit als geistiges Werkzeug für Dein Studium zur Verfügung zu haben. Ihre Anwendung bereitet Dir zunächst sicherlich einige Mühe, außerdem mögen sie Dir zunächst zeitraubend erscheinen. Durch wiederholte Anwendung wirst Du aber im Lauf der Zeit Übung und Sicherheit erlangen, Du wirst Dir mehr behalten und im Vergleich zum herkömmlichen Lesen Zeit sparen. Also: don't panic! Bedenke beim Lesen von Fachliteratur, daß es weniger auf Geschwindigkeit ankommt. Jeder Student - und jeder Professor, auch wenn viele das gar nicht gerne hören - ist im Grunde mehr oder weniger Anfänger; Du solltest also gesteigerten Wert auf gründliches, kritisches und behaltenswirksames Lesen legen!

5-Schritt-Methode

Die ersten drei Schritte der 5-Schritt-Methode reichen für Texte einfacheren und mittleren Schwierigkeitsgrades vollkommen aus. Du kannst sie also zum Beispiel bei der Lektüre vorlesungsbegleitender Literatur und zur Vorbereitung schriftlicher Arbeiten oder Referate einsetzen, bei denen ein informierender Überblick notwendig ist. Den vierten und fünften Schritt solltest Du dann bei Texten zur gezielten Prüfungsvorbereitung und für die Verarbeitung wichtiger Literatur bei schriftlichen Arbeiten hinzunehmen.

2. Strukturieren, verstehen, anwenden

Im großen und ganzen läßt sich das Aneignen von Lernstoff in vier Teilgebiete aufgliedern:

Diese vier Schritte mußt Du nicht stur in dieser Reihenfolge durchlaufen, es ist vielmehr eine Sache des persönlichen Geschmacks, in welcher Reihenfolge man sie angeht. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die einzelnen Schritte sich gegenseitig unterstützen. Du kommst am besten voran, wenn Du die vier Schritte abwechselnd und immer wieder durchläufst.

1. Lernstoff strukturieren

In diesem Schritt solltest Du die Zusammenhänge der verschiedenen Begriffe, Definitionen, Sätze, Lemmata, Graphiken usw. verstehen. Hier ist nicht Detailwissen wichtig, sondern welche Begriffe, Definitionen, Sätze, Lemmata, Graphiken etc. es gibt und wie sie untereinander in Beziehung stehen.

In gut strukturierten Vorlesungen, also zum Beispiel jene aus dem Bereich der Mathematik oder der Theoretischen Informatik, kennzeichnet der Dozent zentrale Begriffe, zum Beispiel mit ,Definition 5.12` oder ,Satz 3.4`; Du mußt sie nur noch sammeln und aufschreiben.

In weniger gut strukturierten Vorlesungen mußt Du Dir die zentralen Begriffe in der Mitschrift oder im Skript selbst heraussuchen und markieren. Danach dürfte es relativ leicht sein, sich ein Bild von den Zusammenhängen der einzelnen Fakten zu machen.

2. Verständnis entwickeln

In vielen Vorlesungen, besonders in der Praktischen Informatik, werden Übungsaufgaben gestellt, die sehr auf Details abzielen. Wenn Du diese Aufgaben löst, dann merkst Du zwar ziemlich schnell, wo die in der Vorlesung vorgestellen Algorithmen und Schemata Lücken aufweisen, aber Du gerätst dadurch auch leicht in die Gefahr, daß Du Dir von den vorgestellen Konzepten besonders eben jene Details merkst und nicht die eigentlich wichtigen Ideen und Methoden, die dahinter stehen. Oft steht in den Übungsaufgaben das ,Wie` im Vordergrund, die eigentlich wichtigen Gründe für die Wahl dieser speziellen Methode allerdings werden recht selten angesprochen, aber genau das ist meist die wesentliche Intention hinter der Vorstellung eines bestimmten Algorithmus'.

Wenn Du verstanden hast, warum eine bestimmte Art der Vorgehensweise in diesem Fall besser geeignet ist als eine andere, dann kannst Du später, bei ähnlich angelegten Problemen, Dich immer wieder an den damaligen Lösungsansatz erinnern und die Methode für die Lösung des eigenen Problems anpassen.

Hast Du aber nur auf reines Wissen gelernt, das sich hier auf die bestimmte Implementierung einer Idee bezieht, so wird Dir im Laufe des Studiums immer mal wieder das gleiche Problem über den Weg laufen, es fällt Dir aber schwerer, es einzuordnen und zu bewerten.

3. Wissen aneignen

Hier ist die Fähigkeit gemeint, das Erlernte mit eigenen (!) Worten wiedergeben zu können. Ein vertieftes Verständnis ist nicht nötig, Du mußt also nicht jetzt schon implizite Fragen einer Vorlesung oder eines Textes beantworten können.

Eine - allerdings oft nicht optimale - Methode zum Aneignen von Wissen ist das sture Auswendiglernen des Stoffes. Besser ist es, den Stoff erst einmal wirklich zu verstehen, und sich dann mit den Details auseinanderzusetzen. Das Aneignen des Wissens und das Verstehen des Stoffes kann man eigentlich nicht unabhängig voneinander tun. Am besten ist wohl, wenn Du Wissen und Verständnis abwechselnd vertiefst und verfeinerst.

Aber selbst wenn man den Stoff vollständig verstanden hat, gibt es oft Dinge, die so viele Details enthalten, daß man diese einfach auswendig lernen muß. Defininitionen, Sätze, Lemmata und so'n Zeug lassen sich zum Beispiel mit Hilfe einer Lernkartei gut lernen; Du mußt dabei allerdings aufpassen, denn unter Verwendung einer solchen Lernkartei lernst Du zusammenhanglos einzelne Details, die Du selber immer wieder in eine Gesamtstruktur einbetten mußt!

4. Anwenden

Das Thema Anwenden hängt meist ganz eng mit dem Thema Verständnis zusammen. Manchmal kann man die Anwendungsbeispiele, auch Übungsaufgaben genannt, einfach nach einem gegebenen Kochrezept rechnen, ohne verstanden zu haben, warum das Kochrezept das gewünschte Resultat liefert.

Für andere Aufgaben gibt es jedoch kein Kochrezept. Das sind jene Aufgaben, die etwas mehr Probleme bereiten. Bei diesen sollte man sich hinterher überlegen, warum die Lösung eine Lösung ist, das heißt, welche der gegebenen Voraussetzungen wie in den Lösungsweg eingehen, und wie sich die Lösung verändert, wenn sich die gegebenen Voraussetzungen ändern.

Schließlich ist das Anwenden des erlangten Wissens das, was in den meisten Vordiplom- und Scheinklausuren abgefragt wird, also das, was Du spätestens bis zur Prüfung wirklich lernen solltest.

Im allgemeinen reicht es, wenn Du alle Übungsaufgaben durchrechnest. Hast Du jedoch Probleme in einem bestimmten Gebiet, so lassen sich diese Probleme mindern, indem Du möglichst viele Aufgaben zu diesem Themengebiet rechnest und Dich dadurch in diesem Gebiet trainierst. Beispielaufgaben kannst Du in den Übungsblättern der vorjährigen Vorlesung, in den in der Vorlesung angegebenen Büchern oder in alten Klausuren finden.

Wichtig ist auch, daß Du die eigenen Lösungen mit anderen besprichst, denn falsche Schlüsse sind schnell gezogen.

3. Gruppenarbeit

Du bist neu an der Uni und fühlst Dich mit den inhaltlichen Problemen und den Übungsaufgaben oft überfordert und alleingelassen? Ein Grund dafür kann sein, daß die vom Schulunterricht gewohnte Dialogsituation mit dem Lehrer wegfällt. Zwar kannst Du in der Übung und der Vorlesung Fragen an den Übungsleiter richten bzw. mit ihm eine Problemstellung durchdiskutieren, und Du solltest das auch wirklich regelmäßig tun, jedoch hilft einem das wenig bei der Lösung der Übungsaufgaben, die ja zum Zeitpunkt der Übungsstunde bereits gelöst sein müssen.

Ein weiterer, pragmatischerer Grund ist der Umfang der Übungen. Sie sind im allgemeinen zu umfangreich, um sie allein zu bearbeiten. Das ist keine Schikane der Assistenten, die sie stellen. Es ist durchaus gewollt, daß sie in Gruppen bearbeitet werden, und es ist dadurch möglich, eine größere Menge des Stoffes durch Übungsaufgaben abzudecken. Hintergrund ist, daß der Lerneffekt deutlich höher ist, wenn man Übungsaufgaben zu einem Thema löst, anstatt dieses nur in der Vorlesung zu konsumieren.

Nun können aber einige Probleme auftreten:

Alle diese Probleme treten normalerweise in der Schule nicht auf, weil der Lehrer sie dort vermeidet. Der Übungsbetrieb an der Universität hat aber noch weitere Besonderheiten.

Wie packt man es nun aber in der Gruppe an, die oben genannten Probleme zu vermeiden? Verschiedene Techniken bieten sich an:

4. Klausuren

Gegen Ende des Semesters ist es dann soweit: In den letzten Wochen stapeln sich die Klausurtermine. Wenn Du dann den ganzen Stoff des Semesters noch verstehen und lernen mußt, bist Du schon fast zu spät dran. Deshalb geben wir Dir hier einige Tips zur Klausurvorbereitung.

Die Klausurvorbereitung fängt genau genommen schon mit der ersten Vorlesung an. Man ist verlockt, zuhause die frisch beschriebenen Seiten aus dem Collegeblock zu reißen und abzuheften. Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost ins Regal stellen. Noch bequemer ist es, wenn man ein Skript zur Vorlesung besitzt. Dann geht man oft gar nicht mehr in die Vorlesung, sei es, weil einem der Vortragsstil des Dozenten nicht gefällt oder man den Stoff ja auch zuhause nachlesen kann. Aber machst Du es auch? Und wenn ja: Weißt Du, wo der Dozent in der Vorlesung die Schwerpunkte gesetzt oder noch Ergänzungen und Änderungen vorgenommen hat?

Naja, sagst Du. Ist doch alles nicht so schlimm. Die Konvertierung von Zahlensystemen, die wir gerade in Digitaler Logik machen, ist doch wirklich ein Kinderspiel. Und mit Gattern hab ich schon in meinem Elektronik-Baukasten gespielt. Stimmt. Aber irgendwann ist dann plötzlich von asynchronen und synchronen Schaltwerken die Rede. ,,Hoppla, hab ich ja noch nie gehört``, denkst Du beim Durchlesen der Übungsaufgaben. Und während Du noch beim Nacharbeiten der verschiedenen Flip-Flop-Typen bist, steht plötzlich die Klausur vor der Tür und die letzte Aufgabe über Moore-Automaten kannst Du nicht mal bearbeiten, von den Endomorphismen und Eigenvektoren komplexer Matrizen in Mathe I ganz zu schweigen.

Wer immer die Übungen bearbeitet, dem passiert so etwas nicht so leicht. Insbesondere dort, wo Abgabepflicht besteht, wirst Du gezwungen mitzuarbeiten. In letzter Zeit haben sich aber - unter freundlicher und penetranter Ermunterung durch den Fachschaftsrat - einige Dozenten dazu durchringen können, auf die Zulassungsbeschränkungen zur Klausur zu verzichten. Hier ist Deine Eigeninitiative dann umso wichtiger. Auch hier solltest Du immer alle Übungsaufgaben bearbeiten. Die Übungen sind die beste Vorbereitung auf die Klausur. Viele Aufgaben in der Klausur sind abgewandelte Übungsaufgaben. Wer die verstanden hat, spart sich in der Klausur viel Zeit. ,,Verstanden haben`` heißt aber nicht, daß Du brav in die Übung gehst, Dir anschaust, wie der Hiwi die Aufgaben vorrechnet und ,,Ah, war ja ganz einfach``, denkst. Zwar kannst Du diese Aufgabe dann ohne Probleme immer wieder lösen, aber der wesentliche Teil der Übung besteht eigentlich darin, selber an der Lösung zu knuspern. Eine auswendig gelernte Lösung nutzt Dir in der Klausur nichts, wenn die Aufgabe ein bißchen anders aussieht. Wenn Du dann erst noch rumprobieren mußt und nicht schon einen Lösungsansatz im Kopf hast, geht Dir wertvolle Zeit verloren.

In einigen Fächern, zum Beispiel Digitale Logik, kommt es in der Klausur auch sehr darauf an, Verfahren oder Algorithmen schnell und genau anwenden zu können. Hier hilft es gar nix, die Regeln stur auswendigzulernen, Du mußt vielmehr die Verfahren abarbeiten können, ohne viel nachzudenken. Auch das kannst Du nur durch häufiges Üben lernen, wozu sich neben den Übungen, die den Vorteil haben, korrigiert zu werden, auch alte Klausuren gut eignen.

Besonders in der theoretischen Informatik und der Mathematik hat die Abgabe der Übungen noch einen weiteren wichtigen Effekt: Da hier viel Wert auf Formalismen gelegt wird, bekommt man für vermeintliche Kleinigkeiten leicht den ein oder anderen Punkt abgezogen. Die Übung ist die einzige Möglichkeit, den eigenen Lösungsstil einmal auszuprobieren. Der Hiwi wird einem dann zeigen, wo man Änderungen vornehmen muß. Wenn man in der Klausur fünfmal einen Punkt wegen formaler Fehler abgezogen bekommen hat und zum Bestehen noch zwei Punkte fehlen, ärgert man sich. Vergiß nicht, die Definitionen und Sätze auswendig zu lernen. Das ist zwar lästig, aber damit kannst Du Dir leicht Punkte sichern.

Irgendwann hast Du dann aber alles gelernt, sitzt im Hörsaal wartest darauf, daß die Aufgaben ausgeteilt werden. Vergiß nie, Deinen Studentenausweis und einen Ausweis mit Foto mitzubringen. Die werden immer zu Klausurbeginn kontrolliert, die Assistenten wollen wissen, ob Du auch wirklich Du bist. Die Klausuren dauern oft bis zu drei Stunden. Vielleicht kannst Du in der Zeit mal etwas zu trinken oder einen Schokoriegel gebrauchen; das solltest Du Dir dann zur Klausur mitbringen. Andere vertrauen darauf, daß ihr Lieblingsschmusetier immer neben ihnen sitzt. Das kann durchaus helfen, kein Witz! Als erstes mußt Du auf jedem Blatt der Klausur Deinen Namen und Deine Matrikelnummer anbringen. Du kannst ein klein wenig Zeit sparen, wenn Du Dir einen Stempel anfertigst, auf dem die Sachen draufstehen.

Erschrick nicht, wenn die Klausur den Umfang des Telefonbuchs von Kaiserslautern hat. Oft wird gar nicht erwartet, daß Du alle Aufgaben bearbeitest. Deshalb ist es wichtig, daß Du die Aufgaben vorher alle durchliest und eine Vorauswahl triffst, welche Aufgaben Du bearbeiten willst. Du mußt die Aufgaben nicht in der Reihenfolge der Klausur bearbeiten. Manche Aufgaben sind Standardaufgaben, die Du oft geübt hast. Löse sie zuerst, dann hast Du einige Punkte sicher und die Aufregung legt sich etwas. Lies Dir die Aufgabe, die Du bearbeitest, ganz genau durch. Es passiert immer wieder, daß Aufgaben falsch bearbeitet werden, weil ein ,,nicht`` übersehen oder ein Index falsch gelesen wurde. Achte darauf, daß Du Dir wirklich alle Aufgaben angesehen hast. Manchmal ist für die vorletzte Aufgabe viel Platz und mehrere Schmierseiten eingeplant, und die letzte Aufgabe dahinter wird übersehen, weil man denkt, da kommt nichts mehr.

Schreib Scheinklausuren immer mit, auch wenn Du glaubst, keine Chance zum Bestehen zu haben. Denn eine gute Übung ist es allemal. Du gewöhnst Dich an die Prüfungsatmosphäre und hast noch einmal die Möglichkeit, das, was Du kannst, korrigieren zu lassen. Geh auch immer zur Klausureinsicht! Du siehst, welche Fehler Du gemacht hast und wie schwer sie bestraft werden; außerdem kannst Du Dir die richtigen Lösungen erklären lassen. Abgesehen davon passiert es immer mal wieder, daß sich die Korrektoren beim Addieren der Punkte verzählen. Es ist zwar oft schwer, noch einen Punkt zum Bestehen herauszuschinden, da gerade die Klausuren, die an der Bestehensgrenze liegen, besonders gründlich korrigiert werden, aber es sind schon ganz erstaunliche Sachen in Einsichtnahmen vorgekommen. Es gab schon Verbesserungen um ganze zwanzig Punkte!


Quelle: http://third.informatik.uni-kl.de/~hh/node7.html (99-07-07)

 



Julia Rózsa & Hans-Peter Langfeldt

Alltagstheorien des Lernens

Lernen ist eine zentrale Domäne in der Psychologie, zu der es eine Vielzahl von Theorien gibt. Lernen ist aber auch ein zentrales Thema im Alltag. Die Beschäftigung mit alltagspsychologischen Vorstellungen ist sinnvoll, weil "die Berücksichtigung der handlungsbestimmenden Alltagspsychologie zu einer besseren Vorhersage individuellen Verhaltens führt" und "die Auseinandersetzung mit Alltagstheorien zur Korrektur oder Modifizierung wissenschaftlicher Theorien führen kann" (Heckhausen, 1976). Auch im Hinblick auf die Lehre sind die subjektiven Lerntheorien von entscheidender Bedeutung, denn "werden wissenschaftliche psychologische Theorien vermittelt, gelehrt und gelernt, ist zu berücksichtigen, daß die Lernenden bereits über entsprechendes Alltagswissen verfügen" (Langfeldt & Langfeldt-Nagel, 1990).

Im Bereich Lernen ist die Frage nach subjektiven Theorien ebenfalls gestellt und bearbeitet worden. Als einflußreiche und maßgebende Arbeit in diesem Bereich gilt eine Veröffentlichung von Säljö (1979). An einer Stichprobe von Schwedischen Personen unterschiedlichen Alters und Bildungstandes wurden Kategorien identifizierte, die die subjektiven Vorstellungen von Lernen beschreiben, diese lauten, "Learning as the increase of knowledge", "Learning as memorizing", Learning as acquisition of facts, procedures etc., which can be retained and/or utilized in practice", "Learning as the abstraction of meaning" and "Learning as an interpretative process aimed at the understanding of reality". Diese Kategorien konnten mehrfach repliziert werden (vgl. Rossum & Schenk, 1984, Martin & Ramsden, 1987; zit. nach Marton DallíAlba & Beaty, 1993). In einer späteren Untersuchung von Marton et al. (1993) wurden in einer Langzeituntersuchung die von Säljö identifizierten Kategorien auf Grund inhaltlicher Ergebnisse leicht variiert. Darüber hinaus identifizierten die Autoren eine weitere Kategorie: "changing as a person". Die Kategorienbezeichnungen, die die Grundlage für eine Reihe von daraufhin folgenden Untersuchungen bildeten lauten: "increasing oneís knowledge", "memorizing and reproducing", "applying", "understanding", "seeing something in a different way" and "changing as a person" (Marton et al. 1993).

In dem hier dargestellten Forschungsbereich wird an vorangegangene Untersuchungen angeknüpft. Es soll geprüft werden, ob die von anderen Autoren (Säljö, 1979; Marton, DallíAlba & Beaty, 1993) identifizierten und beschriebenen Kategorien auch für Beschreibung der subjektiven Lernkonzepte und der individuellen Unterschiede in diesen Konzepten für Studierende verschiedener Fächer und aus unterschiedlichen Kulturen geeignet und ausreichend sind. Verschiedene Gruppen von Studierenden sollen untersucht werden.

In einer Pilotstudie wurden Studierende verschiedener Lehrämter im Hinblick auf ihre subjektiven Vorstellungen über Lernen offen befragt. Ziel dieser Untersuchung war es, einen Fragebogen zu entwickeln. Dieses Meßinstrument soll dazu dienen, die Lernkonzepte von Universitätsstudenten standardisiert erheben zu können.

Die offenen Antworten der Studierenden wurden erfaßt und im Hinblick auf mögliche Zuordnungen zu Kategorien untersucht. Es wurden inhaltlich und sinngemäß ähnliche Aussagen zusammengefaßt. Die inhaltsanalytische Auswertung zeigte, daß sich auch in den Beschreibungen von Lehramtsstudierenden die von Säljö bestimmten und von Marton et al. (1993) modifizierten Kategorien identifizieren ließen. Die Kategorien Zunahme von Wissen, Einprägen und Reproduzieren, Anwendung in der Praxis, Lernen als Verständnis, Lernen als Veränderung der Sichtweise, Lernen als Veränderung der Person spiegelten sich in den Beschreibungen eindeutig wider. Es zeigten sich bei der weiteren Auswertung dieser Daten, daß zwei zusätzliche Kategorien zur genaueren Beschreibung der Daten nötig sind: So wurde zum Einen die Kategorie Erfahrungen sammeln eingeführt, zum Anderen die Kategorie Voraussetzungen.

Der aus diesem Datenmaterial entwickelte Fragebogen wurde verschiedenen Gruppen von Studierenden vorgelegt. Es wurden Studierende verschiedener Fachrichtungen (Informatik, Geschichte, Medizin, Lehramt für Grundschule, Lehramt für Haupt- und Realschule, Lehramt für das Gymnasium, Lehramt für Sonder- und Heilpädagogik, Diplom-Pädagogik) befragt. Die Übersetzung dieses Instruments in verschiedene Sprachen, und die Durchführungen von Untersuchungen in verschiedenen Ländern (Ungarn, USA, Rußland, Neuseeland) ermöglicht es, kulturelle Unterschiede in den Alltagstheorien des Lernen zu beschreiben. Einen zusätzlichen Gesichtspunkt, soll die Analyse der an Lehrerinnen und Lehrer aus Hauptschulen und Gymnasien erhobenen Daten liefern.

Einige Ergebnisse:

Ein Vergleich von Studierenden der Lehramtstudiengänge Grundschule, Gymnasium und Sonder- und Heilpädagogik: Die Gruppe der Studierenden der Sonder- und Heilpädagogik unterscheidet sich von den beiden anderen Gruppen am stärksten. Sie schätzen das Sammeln von eigenen Erfahrungen und das Verstehen dessen was man lernt als wichtiger ein, als die anderen Gruppen. Dagegen scheinen vor allem das Einprägen und Reproduzieren und die "reine" Zunahme von Wissen eine deutlich geringere Rolle zu spielen. Im Bereich der Voraussetzungen sind es die Studierenden der Lehrämter für Grundschule und Sonder- und Heilpädagogik, die dessen Bedeutung höher einschätzen als angehende Gymnasiallehrer. Wohingegen diese mehr Wert auf das Reproduzieren legen. In den Bereichen Anwendung in der Praxis und Veränderung der Person unterscheiden sich die drei Gruppen nicht wesentlich voneinander. Während das Erste ein Bereich ist, der allen Gruppen im Prinzip unwesentlicher erscheint als die anderen conceptions, ist die Veränderung der Person durch das Lernen für alle Gruppen wichtiger Bestandteil.

Diese Untersuchung hat gezeigt, daß es im Bereich der Lernkonzepte von Universitätsstudenten Unterschiede auf zwei Ebenen gibt. Zum Einen sind zur Beschreibung der subjektiven Vorstellungen von angehenden Lehrern mehr Kategorien nötig, als bisher verwendet, zum Anderen gibt es auch innerhalb der Gruppe der Lehramtsstudierenden, nach der Differenzierung nach Schulformen Unterschiede in der Bewertung der Kategorien der Lernkonzepte.

Ein Vergleich von deutschen und ungarischen Informatikstudenten:

Obwohl die Anforderungen für das Informatikstudium vergleichbar sind, nehmen die Studenten der hier untersuchten zwei Kulturen sie unterschiedlich wahr. Deutsche Studenten scheinen die Anstrengung durch die höhere Bewertung vom Einprägen und Reproduzieren zu betonen, während die ungarischen Studenten ein größeres Gewicht auf ein tieferes Verständnis legen. Diese Unterschiede sind möglicherweise beeinflußt durch Unterschiede in den beiden Kulturen in denen diese Studenten sozialisiert wurden. Weiter Vergleiche (Rózsa, 1999; Rózsa & Langfeldt, 1999) zeigen, daß die Unterschiede zwischen Studenten verschiedener Kulturen, die das gleiche Fach studieren weniger deutlich sind, als die Unterschiede zwischen Studenten derselben Kultur, die verschiedene Fächer studieren.


Literatur

Jutta Ammon (2000). Subjektive Theorien über Lernen - eine empirische Untersuchung an Lehrern verschiedener Schularten

Claudia Bierschneider (2000). Subjektive Theorien von Studierenden über Lernen.

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Siehe auch Welche Lerntechniken verwenden Linzer-Studenten?


Quelle: http://www.uni-frankfurt.de/fb05/ifpp/langfeldt/Forsch1_2.htm (01-07-21)