Grundbegriffe empirischer Sozialforschung

Begriff und Konstrukt

Ein Begriff ist ein Wort, das eine durch Verallgemeinerung von Einzelfällen gewonnene Abstraktion ausdrückt. "Gewicht" ist ein Begriff und drückt mehrere Beobachtungen von Gegenständen aus, die mehr oder weniger schwer oder leicht sind. Masse, Energie und Kraft sind abstraktere Begriffe wie Gewicht, Höhe und Länge.

Ein Konstrukt ist zwar ebenfalls ein Begriff, es erhält jedoch zusätzliche Bedeutung dadurch, daß es gezielt und bewußt für einen bestimmten wissenschaftlichen Zweck neu festgelegt oder übernommen wurde: z.B. Soziale Schicht, Motivation, Konformismus, autoritäres Verhalten. Konstrukte können operational definiert werden:

a) durch umschreibende Begriffe: Intelligenz = geistige Schärfe oder Fähigkeit abstrakt zu denken usw.
b) durch Angabe von Handlungen und Verhaltensweisen, die sie beinhalten. Welche Verhaltensweisen sind intelligent.

Theorie

Theorien stellen immer ein auf einen bestimmten Wirklichkeitsausschnitt bezogenes und raum-zeitlich begrenztes Aussagesystem dar. Es existiert beim gegenwärtigen Stand der Forschung keine "Theorie der Welt". Sozialwissenschaften können nur auf "Teiltheorien" zurückgreifen (Theorien abweichenden Verhaltens, Gruppentheorien, ökonomische Theorien etc.). MERTON hat dafür den Begriff Theorien "mittlere Reichweite" geprägt, womit im wesentlichen die auf bestimmte Bereiche begrenzte raum-zeitliche Gültigkeit gemeint ist.

Jede Theorie enthält eine Reihe unabhängiger Aussagen (Axiome), aus denen mit Hilfe von Regeln weitere Aussagen (Gesetze) abgeleitet werden können. Unter Axiomen oder Prämissen sind solche Aussagen zu verstehen, die generell nicht aus anderen Aussagen ableitbar sind. Jede Theorie stellt einen sprachlichen Rekonstruktionsversuch der Zusammenhänge in einem bestimmten Realitätsausschnitt dar. Begriffe stellen die Atome von Theorien dar. Sie sind jene Mittel, mit deren Hilfe wir das Chaos von Eindrücken sprachlich ordnen. Am Anfang von Wissenschaft steht daher der Versuch, einen Ausschnitt der Realität in Elemente zu zerlegen und Objekte und deren Merkmal zu bezeichnen. Ein Begriff ist ein mit einem bestimmten Wort oder mehreren Wörtern verbundener Vorstellungsinhalt, dem verschiedene Personen unterschiedliche Bedeutung beimessen können. Soll eine solche Beschreibung anderer Personen übermittelt werden, ist dazu erforderlich, daß die anderen mit den genannten Begriffen möglichst die gleichen Vorstellungen verbinden wie der Sprecher. Der Wissenschaftler, der von der Alltagssprache ausgeht, ist daher genötigt, die verwendeten Bezeichnung (= Begriffe) zu präzisieren, um exakte Aussagen zu ermöglichen.

Operationalisieren

Ein Wissenschaftler arbeitet immer auf zwei Ebenen: der Ebene der Theorie und der Ebene der Beobachtung. Die Hypothese, Arbeiter haben ein starkes Klassenbewußtsein, enthält 2 Konstrukte, die zueinander in Beziehung gesetzt werden. Ein Forscher muß aber auch auf der Ebene der Beobachtung arbeiten: er muß Daten sammeln, die seine Hypothesen überprüfen. Um die theoretische Ebene mit der Beobachtungsebene zu verbinden bedarf es einiger Regeln, die die Beziehung zwischen beiden Bereichen herstellen. Begriffe der theoretischen Ebene werden in Forschungsoperationen übersetzt oder operationalisiert.

Man stellt z.B. Fragen nach Parteimitgliedschaft, Informiertheit über aktuell politische Ereignisse etc., um den Begriff "politisches Interesse" in einem Index zu erfassen. Oder es werden Fragen über besonders geschätzte Partnereigenschaften gestellt. Die Antworten ergeben eine Prioritätenliste von Eigenschaften und diese werden dem Begriff "Werthaltung" subsumiert.

Messen

Das Messen von sozialen und gesellschaftlichen Phänomenen ist eng an Sprache als Bezugssystem gebunden und erfordert - wie oben ausgeführt - die Operationalisierung von theoretischen Konstrukten. Mit dem Begriff der Operationalisierung bezeichnet man dabei die Transformation von Konstrukten, den Begriffen der empirischen Ebene, die für die Messung eines bestimmten Phänomens notwendig sind. Grundbausteine dieses Prozesses stellen Aussagen (= Item oder Statement) dar. Das Ausmaß von Zustimmung oder Ablehnung einer Versuchsperson, gemessen auf einer mehrstufigen Skala (z.B. von "stimme stark zu" bis "lehne stark ab"), zu einem Statement gilt dabei als Indikator für die Einstellung einer Versuchsperson gegenüber einem Sachverhalt oder Problem. Die Auswahl einer validen Stichprobe von Items, aus einem Universum möglicher Aussagen, die als guter Indikator für eine bestimmte Einstellung zu werten sind, stellt dabei ein Grundproblem der Konstruktion von Meßinstrumenten im Bereich der Sozialwissenschaften dar. Im Unterschied zur Praxis der kommerziellen Meinungsforschung erfolgt die Operationalisierung eines Konstruktes dabei nicht über eine einzelne Frage, sondern über eine Anzahl von Items. Diese Vorgangsweise stellt eine Voraussetzung für eine Überprüfung der formalen Güte, der Meßgenauigkeit eines Erhebungsinstrumentes dar. Allen Skalierungsverfahren ist gemein, daß mit Hilfe mathematischer Kalküle versucht wird, die Antwortkonsistenz der Versuchspersonen in den einzelnen Fragen zu untersuchen (LIKERT, THURSTONE, GUTTMAN-Skalen).

Um Daten zu erhalten, müssen wir also messen. Unter Messen im engeren Sinn kann die systematische Zuordnung einer Menge von Zahlen oder Symbolen zu den Ausprägungen einer Variablen gemeint werden. Die Zuordnung oder genauer die Abbildung soll so erfolgen, daß die Relationen unter den Zahlenwerten den Relationen unter den Objekten entsprechen, die sie abbilden.

Die Gütekriterien des Messens


Quellen: Stigler, Hubert (1996). Methodologie. Vorlesungskriptum. Universität Graz.
WWW: ftp://gewi.kfunigraz.ac.at/pub/texte/meth.doc (98-01-03)
Stangl, Werner (1997). Zur Wissenschaftsmethodik in der Erziehungswissenschaft. "Werner Stangls Arbeitsblätter".
WWW: http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/Arbeitsblaetter.html