Experiment

Auch wenn bei der Definition des Experimentes bisweilen unterschiedliche Akzente gesetzt werden, so besteht doch allgemein Einigkeit darin, daß die aktive Manipulation der Versuchsbedingungen (=Treatmentbedingungen) durch den Experimentator und damit die Möglichkeit Ursache und Wirkung zu unterscheiden, das Wesentliche am Experiment ausmacht.

Das Experiment stellt die einzige Forschungsform dar, die es erlaubt Kausalbeziehungen zwischen Variablen zu überprüfen: Zwei oder mehr Variablen sind kausal verbunden, wenn sie in einem empirisch nicht umkehrbaren, asymetrischen Zusammenhang stehen. X erzeugt Y, aber nicht umgekehrt. X ist dabei die unabhängige und Y die abhängige Variable.

Bezugnehmend auf ein einfaches Beispiel sollen im folgenden diese Zusammenhänge: Um in einem Experiment die Wirkung von Koffeingenuß auf die Konzentrationsleistung zu untersuchen, werden die Versuchspersonen auf zwei Gruppen aufgeteilt und den Personen der einen Gruppe Koffein verabreicht und den anderen nicht.

Versuchsplanung

Bei der Planung von Experimenten verfolgt der Experimentator eine Strategie, die nach KERLINGER (1973) als MAX-KON-MIN-Regel charakterisiert werden kann:

Bei der experimentelle Forschung ist die Planungsphase die eigentlich entscheidende Phase. Durchführung und Auswertung sind dann weitgehend festgelegt. Die Planung des Experimentes erfordert, daß der Experimentator zunächst eine Versuchssituation findet, in der die unabhängige Variable manipulierbar ist, und für die abhängige Variable ein geeignetes Meßinstrument gefunden werden kann. Wenn eine geeignete Versuchsanordung gefunden ist, muß als nächstes der Versuchsplan im engeren Sinn (Versuchsgruppen-Plan) festgelegt werden: Dabei wird entschieden, welche experimentellen Bedingungen einbezogen werden (d.h.: welche unabhängigen Variablen in wieviel Stufen variiert werden, und wie die Versuchspersonen den experimentellen Bedingungen zugeordnet werden. Die folgenden Beschreibung der Formen für Experimente mit einer unabhängigen Variablen soll grundsätzliche Aspekte der Versuchsplanung verdeutlichen. Auf die Behandlung von Versuchsplänen mit mehreren unabhängigen Variablen sei auf die weiterführende Literatur z.B. ROTH (1984) verwiesen.

Unabhängige Gruppen

Die einfachsten Versuchspläne enthalten nur eine unabhängige Variable. Zwei oder mehr Bedingungen, z.B. zwei Therapievarianten und eine unbehandelte Kontrollgruppe sollen in ihren Mittelwerten, z.B. hinsichtlich der vegetativen Labilität am Ende einer Behandlungsperiode, verglichen werden. Die Hauptvorteile eines solchen Designs mit nur einer unabhängigen Variablen sind:

Der Nachteil eines Versuchsplanes mit unabhängigen Gruppen, besteht darin, daß der erforderliche Stichprobenumfang recht groß werden kann. Das gilt besonders dann, wenn keine gerichteten Hypothesen bestehen, die Varianz innerhalb der Gruppen groß und die Effektstärke mittel oder klein ist.

Mehrere parallelisierte Gruppen

Durch Parallelisierung der Versuchsgruppen soll erreicht werden, daß die Versuchsgruppen sich in einem oder in mehreren relevanten Merkmalen genau entsprechen. In dem oben genannten Beispiel des Vergleiches von Therapiebedingungen (zwei Therapiearten, eine Kontrollgruppe) wäre es. z.B. sinnvoll, die Gruppen nach der Ausgangslage (z.B. gemessen mit verschiedenen Fragebögen) zu parallelisieren. Bei einem Lernexperiment zum Vergleich von Unterrichtsmethoden könnte man Vorkenntnisse, Schulleistungen in bestimmten Fächern, aber auch Motivationsvariablen zur Parallelisierung heranziehen. Kurz: Alles, was mit der abhängigen Variablen (Therapieerfolg, Lernerfolg) korreliert, kann eine sinnvolle Parallelisierungsvariable sein.

Die Parallelisierung wird durchgeführt, indem man zunächst von allen Versuchspersonen die Variable erhebt, nach der parallelisiert werden soll. Das erfordert in der Regel eine eigene Vortest-Sitzung. Für k (=Anzahl) experimentelle Bedingungen benötigt man k parallelisierte Gruppen. Man sucht aus dem Datenmaterial jeweils k Versuchspersonen mit gleichen Vortestwerten heraus. Diese k Versuchspersonen werden dann nach dem Zufall auf die k experimentellen Bedingungen verteilt. Danach wird der eigentliche Versuch durchgeführt.

Der Hauptvorteil von parallelisierten Gruppen besteht in der benötigten kleineren Stichprobengröße gegenüber einem Versuchsplan mit unabhängigen Gruppen. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: Vor dem Beginn des eigentlichen Versuchs müssen von allen Versuchspersonen Werte für die Parallelisierungsvariablen erhoben und ausgewertet werden. Das erfordert in der Regel nicht nur eine eigene Vortest-Sitzung, sondern führt bei zeitlich lang erstreckter Versuchspersonen-Anwerbung leicht zu organisatorischen Problemen.

Meßwiederholung der derselben Versuchspersonengruppe

Versuchspersonen zu beschaffen ist meist schwierig. Daher liegt es nahe, eine Versuchsperson für mehr als eine experimentelle Bedingung heranzuziehen. Wird z.B. der Einfluß der Rückmeldungsart (richtig,falsch und keine Rückmeldung) auf das Erlernen von Listen von Wortpaaren untersucht, so könnte man daran denken, jede Versuchsperson drei Listen, je eine unter einer der drei Rückmeldungsarten lernen zu lassen.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Es werden wesentlich weniger Versuchspersonen benötigt als bei den beiden vorangegangenen Formen der Versuchsplanung. Es wird keine zusätzliche Sitzung benötigt (wie bei parallelisierten Gruppen).

Der Meßwiederholung an derselben Versuchspersonengruppe stehen jedoch oft inhaltliche Gründe entgegen. Im Laufe länger dauernder Versuchssitzungen verändert sich die Versuchsperson: Sie gewöhnen sich an die Situation, an die Aufgabe, zeigen Übungsfortschritte, Ermüdungserscheinungen. Im Versuchsplan ist dafür zu sorgen, daß diese Effekte nicht mit den experimentellen Bedingungen kollidieren.

Strategien zur Kontrolle von Störvariablen

Ziel jeglicher Versuchsplanung ist die Eliminierung oder die Kontrolle des Effektes von Störvariablen. Diese können vom Experimentator jedoch nur dann kontrolliert werden, wenn er sie als solche identifiziert hat. Zur Kontrolle des Effektes von Störvariablen gibt es eine Reihe von experimentellen Techniken wie Elimination, Konstanthalten, Parallelisieren, Randomisieren u.a., die zu Standard der experimentellen Versuchsplanung gehören:

Ex post facto-Forschung

Um das ex post facto-Design zu charakterisieren, werden zunächst noch einmal die wichtigsten Merkmale des experimentellen Vorgehens dargestellt. Die Grundstruktur des experimentellen Ansatzes basiert auf dem Modell: wenn X, dann Y; wenn Frustration auftritt, dann folgt Aggression (J. Dollard). Der Forscher legt ein der Problemstellung angemessenes, praktisch realisierbares Design fest, das eine Methode zur systematischen Veränderung von X beinhaltet. Dann beobachtet er Y um festzustellen, ob die Variation auftritt, die er aufgrund der Veränderung von X erwartet. Wenn das der Fall ist, ist das ein Hinweis für die Gültigkeit der Behauptung: Wenn X dann Y. Beim experimentellen Ansatz macht man von einem kontrollierten X eine Vorhersage auf Y.

Bei der ex post facto-Forschung wird dagegen nur Y systematisch beobachtet. Dann folgt rückblickend eine Suche nach X. Der wichtigste Unterschied zwischen experimenteller und ex post facto-Forschung liegt also in der Möglichkeit der Kontrolle. Bei einem Experiment verfügt man über die Möglichkeit der gezielten Variation der Versuchsbedingungen. Bei einem ex post facto-Design muß man die Dinge so hinnehmen, wie sie vorliegen. Ex post facto-Forschung hat also aus der Sicht der experimentellen Vorgehensweise eine prinzipielle Schwäche: mangelhafte Kontrolle der unabhängigen Variablen.

Ein großer Teil vor allem erziehungswissenschaftlicher aber auch soziologischer Studien sind ex post facto-Untersuchungen.


Quellen: Stigler, Hubert (1996). Methodologie. Vorlesungskriptum. Universität Graz.
WWW: ftp://gewi.kfunigraz.ac.at/pub/texte/meth.doc (98-01-03)
Stangl, Werner (1997). Zur Wissenschaftsmethodik in der Erziehungswissenschaft. "Werner Stangls Arbeitsblätter".
WWW: http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/Arbeitsblaetter.html