[werner.stangl]s arbeitsblätter tests

Persönlichkeitstest:
Eigenschaften - Situationen - Verhaltensweisen (ESV) - Das Modell

Der ESV, der zunächst als Papier-Bleistift-Verfahren in Anlehnung an den 16PF von Schneewind, Schröder, Cattell (1983) entwickelt (Stangl 1989) worden war, ist ein ökonomisches Selbstratingverfahren für Persönlichkeitsmerkmale, das im Gegensatz zu ähnlichen Kurztests neben Ratings von Dispositionsbegriffen (Eigenschaften) auch Präferenzen in bestimmten Situationen und für konkrete Verhaltensweisen berücksichtigt. Die mit dem ESV zu messenden 16 Primärfaktoren und 5 Sekundärdimensionen entsprechen daher denen des 16PF.

Bei der Entwicklung einer Online-Version des Verfahrens wird jedoch vorläufig auf die Wiedergabe der Primärfaktoren als Testergebnis verzichtet, da diese nur im Forschungskontext interessant erscheinen und auch im Hinblick auf die Validität kritisch zu betrachten sind (s.u.). Allerdings ist geplant, eine verbalisiserte Rückmeldung auf Basis der Primärfaktoren zu entwickeln, wobei die deutlich vom Durchschnitt abweichenden Einzelfaktoren als Basis einer Personencharakterisierung verwendet werden sollen. Dies kann jedoch erst nach Vorliegen einer größeren Datenbasis (ca. 1000 OnlineDatensätze) in Angriff genommen werden.

Die den Online-ProbandInnen zurückgemeldeten Testergebnisse enthalten daher nur die fünf Sekundärfaktoren: Normgebundenheit, Belastbarkeit, Unabhängigkeit, Entschlußbereitschaft und Kontaktbereitschaft. Diese Werte werden auf den Bereich 0-100 normiert, wobei 0 die geringste und 100 die höchste Ausprägung des Merkmals darstellt. Den ProbandInnen wird - wie bei anderen Online-Verfahren - auch eine Reihung der Faktoren angeboten.

Theoretische Grundlagen

In Interpretationen psychologischer Untersuchungen wird häufig auf Persönlichkeitsmerkmale der Stichprobe Bezug genommen, doch werden aufgrund des damit verbundenen Aufwandes selten einschlägige Testverfahren eingesetzt. Es kann auch davon ausgegangen werden, daß in vielen Untersuchungen Selbstratings von Persönlichkeitsmerkmalen den "objektiven" Testverfahren zumindest gleichwertig bzw. sogar überlegen sind (vgl. Hase & Goldberg 1967; Burisch 1984). Brandstätter (1988) entwickelte deshalb die "Sechzehn Persönlichkeits-Adjektivskalen" (16 PA), die eine ökonomische Alternative zu einem Persönlichkeitstest (in diesem Fall dem 16 PF) darstellen. Allerdings werden mit dem 16 PA nur Eigenschaftspaare verwendet, die im Zusammenhang mit einer interaktionistischen Konzeption der Persönlichkeit nur den trait-Aspekt berücksichtigen, während die situativen und aktionalen Komponenten vernachlässigt werden. Diese letzten beiden Merkmale spielen aber im Konzept des 16 PF (Schneewind, Schröder & Cattell,1983) aufgrund der Zielsetzungen bzw. intendierten Einsatzmöglichkeiten des Tests eine wichtige Rolle. Im hier entwickelten Verfahren ("Eigenschaften-Situationen-Verhaltensweisen (ESV)") werden daher neben Ratings von Dispositionsbegriffen und Eigenschaften auch Präferenzen in bestimmten Situationen und Vorlieben für konkrete Verhaltensweisen berücksichtigt.

Der 16PF ist ein Verfahren zur mehrdimensionalen Erfassung der individuellen Persönlichkeitsstruktur im Erwachsenenalter und bildet ein umfassendes, psychometrisch abgesichertes Persönlichkeitsinventar für die psychologische Praxis. Der 16 Persönlichkeits-Faktoren-Test wurde ursprünglich von Raymond B. Cattell entwickelt und erschien 1949 in seiner ersten Auflage. Aufgrund faktorenanalytischer Untersuchungen arbeitete Cattell die 16 grundlegenden Persönlichkeitsdimensionen heraus, die dem Verfahren den Namen gegeben haben. Das Verfahren setzt jedoch nach Einschätzung der Schweizer Diagnostikkommission SVB (2000) eine gute, differenzierte Selbstwahrnehmung voraus, sowie die Bereitschaft zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit. Das Erfassen und Gewichten aller 16 bzw. 21 relevanten Faktoren stellt relativ hohe Anforderungen an das Auffassungsvermögen der Rat suchenden Person.

Ausgehend vom Originalverfahren wurden für den Eigenschaftsteil des ESV ältere vergleichbare Operationalisierungen von Persönlichkeitsmerkmalen gesammelt und den 16 Faktoren des 16 PF zugeordnet, wobei besonders die empirischen Ergebnisse zum 16 PA (Brandstätter 1988) und zum PKP (Polaritätsprofil zur Erfassung der kindlichen Persönlichkeit; Stangl 1989) berücksichtigt wurden. Der Situations- bzw. der Verhaltensteil wurden aufgrund von Items des 16PF bzw. den von den Testautoren vorgenommenen Faktoreninterpretationen konstruiert. Anhand von Expertenratings wurden die Zuordnungen mehrmals überprüft.

Der ESV besteht aus 3 mal 16 Polaritäten mit jeweils fünf Antwortkategorien.

Es liegen Daten aus mehreren Untersuchungen mit dem Papier&Bleistift-Verfahren von insgesamt über 1000 Probanden aller Altersgruppen vor. Der ESV wurde stets in Einzelversuchen neben anderen Testverfahren vorgelegt.

Die Retestreliabilitäten (Abstand zwei Monate, Stichprobe N=25) liegen zwischen 0.78 und 0.89. Eine Faktorenanalyse der 16 Primärfaktoren ergab eine fünffaktorielle Sekundärstruktur, die mit den 5 Sekundärfaktoren des 16PF weitgehend übereinstimmt.

Bei einer Stichprobe (N=42) wurden jeweils zusätzlich zum eigenen Profil eine Zufallsauswahl fünf weiterer Profile vorgelegt. Das eigene Profil wurde dabei von 100 Prozent richtig erkannt. Bei einer weiteren Stichprobe (17 Ehepaare, N=34) wurde nach demselben Prüfalgorithmus ebenfalls zu 100 Prozent dem Partner das richtige Profil zugeordnet.

Bei einer Stichprobe (N=58) wurde auch der 16 PF vorgelegt. Die Korrelationen zwischen den fünf Sekundärfaktoren betragen bei Verwendung einer gewichteten Kombination von ESV-Faktoren: QI: r=0.80; QII: r=0.71; QIII: r=0.80; QIV: r=0.44; QV: r=0.65.

Spezielles zur Online Version

Die Online-Version des ESV bestand in einer Beta-Version (version 0.9b) zunächst aus einer 1:1-Übertragung des ursprünglichen Verfahrens, wobei auch die Berechnung der Sekundärfaktoren auf der Basis der vorliegenden älteren Daten vorgenommen wurde. Bei einer ersten Testversion (version 1.0) wurden einige Items vor allem aus dem Verhaltensbereich neu formuliert bzw. mit dem Ziel einer Erhöhung der Skalenkonsistenz angepasst. Nach Vorliegen von etwa 300 Online-Datensätzen wurden alle Items nochmals überprüft und in den Formulierungen weiter angepasst (version 1.1). Auf Basis dieser Testversion soll eine weitere Überarbeitung der Sekundärfaktoren vorgenommen werden, wobei vor allem die ursprünglich von Schneewind et al. 1983) übernommenen Zusammenfassungen und Benennungen der Faktoren überprüft bzw. notfalls korrigiert werden sollen. Es wurde bewusst bei den ersten Versionen darauf verzichtet, die revidierte Fassung 16 PF-R (Schneewind & Graf 1998) zu berücksichtigen. Diese revidierte deutschsprachige Fassung basiert auf der englischsprachigen Ausgabe des 16PF (4. Revision 1994 5. Auflage), wobei etwa drei Viertel der Items der amerikanischen Fassung entnommen wurden, der Rest der Items entweder aus der ersten deutschsprachigen Fassung stammt oder vollkommen neu formuliert wurde.

Die Reliabilitäten der Primärfaktoren (Konsistenzen, Cronbach-Alpha) bewegen sich im Bereich von 0.50 bis 0.80 (Mittel 0.60), was ziemlich genau den Daten der Papier & Bleistift-Version entspricht. Auch bei der Online-Version sind es die Situationen, die in den meisten Fällen den Konsistenz-Koeffizienten "drücken".

Eine weitere Änderung betraf die Instruktionen, die vergleichbar zu anderen Online-Testverfahren des Autors an das Medium angepasst wurden. Diese müssen aufgrund des fehlenden Kontaktes zwischen VersuchsleiterIn und ProbandIn ausführlicher und eindeutiger sein. Auch wurde die Option eingeführt, den Test nicht nur für die eigene Person durchzuführen, sondern auch für einen anderen Menschen ausfüllen, sodass ein Vergleich mit dem eigenen Testergebnis möglich ist. Schon die ersten paar hundert Testdateien zeigten, dass diese Option praktisch nicht genutzt wird - sie wird aber beibehalten, da damit das deskriptive des Verfahrens betont werden soll bzw. durch die geforderte bewusste Angabe zu Beginn des Verfahrens ein höheres Commitment erreicht werden kann.


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Literatur

Brandstätter, H. (1987). Sechzehn Persönlichkeits-Adjektivskalen (16PA) als Forschungsinstrument anstelle des 16 PF. Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie, 35, 370-391.

Burisch, M. (1984). Approaches to personality inventory construction. American Psychologist, 39, 214-227.

Foa, U.G. and Foa, E.B., 1974. Societal structures of the mind. Springfield, Ill.: Thomas.

Foa, U.G. and Foa, E.B., 1976. 'Resource theory of social exchange'. In J.W. Thibaut, J.T. Spence and R.C. Carson (eds.), Contemporary topics in social psychology. Morristown, N.J.: General Learning Press.

Hase, H.D. & Goldberg, L.R. (1967). Comparative validity of different strategies of constructing personality inventory scales. Psychological Bulletin, 67, 231-248.

Jäger, A.O. (1986). Validität von Intelligenztests. Diagnostica, 32, 272-289.

Schneewind, K.A., Schröder, G. & Cattell, R.B. (1983). Der 16-Persönlichkeits-Faktoren-Test (16 PF). Bern: Huber.

Schneewind, Klaus A. & Graf, Johanna (1998). Deutsche Ausgabe des 16 PF Fifth Edition. Bern, Göttingen: Huber.

Schweizer Diagnostikkommission SVB (2000). Label für Tests und Arbeitsmittel für den Anwendungsbereich der Berufsberatung in der Schweiz.
WWW: http://www.testraum.ch/Serie%203/16PFR.htm (05-02-10)

Stangl, W. (1988). Polaritätsprofil zur Erfassung der kindlichen Persönlichkeit (PKP). Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 10, 221-237.

Stangl, W. (1989). Eigenschaften-Situationen-Verhaltensweisen-ESV. Eine ökonomische Ratingform des 16PF. Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie, 36, 665-671.

Stangl, W. (1991). Der Freizeit-Interessen-Test (FIT). Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 12, 231-244.

Stangl, W. (1993). Personality and the structure of resource preferences. Journal of Economic Psychology, 14, 1-15.

Stangl, W. (1994). Freizeit-Interessen-Test (FIT). Wiener Testsystem. Mödling: Schuhfried.

 



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