[werner.stangl]s arbeitsblätter 
Ein Lügner hat kein gutes Gedächtnis.
Persisches Sprichwort

Kinder und Lügen

Im Alter von etwa vier Jahren entwickelt sich die Lügenfähigkeit, bis zum Grundschulalter verbessert sie sich deutlich und wird in den folgenden Jahren teilweise bis zur Perfektion ausgebaut. Durch Rückmeldungen des sozialen Umfeldes lernen Kinder ständig dazu, bis sie auf dem Weg, soziale Kompetenz zu erlangen, also "erwachsene" Lügenexperten sind. Dabei erleben Kinder die Widersprüchlichkeit dieser Welt: einerseits bringt man Kindern bei, dass sie die Wahrheit sagen müssen, andererseits werden sie zur Lüge erzogen, weil sie aus Höflichkeit (Anstandslüge) bestimmte Wahrheiten nicht sagen dürfen, da sie damit andere verletzen.

Frühere Studien hatten gezeigt, dass die Mehrheit der Eltern zugibt, ihre Kinder schon einmal zu belügen, obwohl sie ihren Kindern gleichzeitig Ehrlichkeit als eine wichtige Tugend vermitteln wollen. Dieses Verhalten von Eltern legt nahe, dass sie nicht glauben, dass die Lügen, die sie ihrem Kind erzählen, dessen eigene Ehrlichkeit beeinflussen. Studien zeigen aber deutlich, dass das Lügen-Verhalten von Erwachsenen Kinder doch beeinflusst, denn werden Kinder in einer experimentellen Situation vorher selbst belogen, erzählen sie anschließend eher die Unwahrheit. Diese Vorbildfunktion von Eltern und Erwachsenen sollte daher immer bedacht werden.

Kleinkinder besitzen mit drei Jahren schon so viel Urteilskraft, dass sie ihr Handeln nach dem Verhalten und den Absichten ihrer Mitmenschen ausrichten. Sie sind nach einer neueren Studie (Schauspieler hatten den Kindern verschiedene Szenarien vorgespielt) weniger hilfsbereit, wenn sie beobachten, dass die Person, der sie helfen sollen, einem anderen Menschen ohne erkennbaren Grund etwas zuleide getan hat. Ablehnend reagieren sie aber auch auf Menschen, die ihnen vorgaukeln, dass sie einem Mitmenschen schaden wollen, auch wenn sie es dann aber doch nicht taten. Kinder reagieren offensichtlich nicht nur feinfühlig auf das Werteverhalten anderer, sondern auch auf die Absichten, die dahinterstecken.

Die Bereitschaft zum Lügen nimmt mit dem Lebensalter zu, denn während in Experimenten unter den Zweijährigen mit rund zwanzig Prozent noch relativ wenige von einer Lüge Gebrauch machen, sind es bei den Dreijährigen bereits fünfzig Prozent und bei Vierjährigen neunzig Prozent. Im Alter von zwölf Jahren lügen annähernd 100 Prozent der Kinder, was weder durch strenge Erziehung noch durch die religiöse Prägung der Eltern zu verhindern ist. Der Anteil der Lügner ist aber bei 16-Jährigen wieder rückläufig, wobei hier verstärkt die Unwahrheit gesagt wird, um andere nicht zu verletzen.

Nach einer Kinderstudie der Universität Toronto deutet einiges darauf hin, dass Kinder, die bereits im frühen Alter überzeugend lügen, bessere Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere haben könnten, denn das Erzählen einer plausibel wirkenden Lüge setzt einen komplexen Denkprozess voraus. Gute und überzeugende Lügner müssen die Fähigkeit haben, die Wahrheit im Kopf zu behalten, die Spuren der Lüge zu verwischen und Tatsachen zu ihren Gunsten zu manipulieren. Auch ist es für eine gute Lüge wichtig, sich in sein Gegenüber hineinversetzen zu können, denn nur so kann beurteilt werden, ob die Lüge als solche erkannt wird oder nicht. Darüber hinaus müssen Mimik, Sprache und Stimme an die Lüge angepasst werden, was einen äußerst komplexen interaktiven Vorgang darstellt. Die Konstruktion einer guten Lüge korreliert vermutlich mit der Gehirnentwicklung von Kindern.

Würzburger Psychologen entdeckten jedoch, dass Kinder öfter als Erwachsene nicht zugeben, wenn sie sich nicht erinnern können oder eine Antwort nicht wissen. Die Wissenschaftler untersuchten, ob, ab welchem Alter und unter welchen Bedingungen Kinder in der Lage sind, eine glaubwürdige Zeugenaussage zu liefern. Sie zeigten den Kindern dazu ein kurzes Video und befragen sie anschließend über die Handlung des Films. Zuvor weisen sie die jungen Probanden darauf hin, dass sie sagen sollen, wenn sie die Antwort nicht wissen. "Wir beteuern, dass so etwas überhaupt nicht schlimm sei, denn schließlich könne sich ja niemand alles merken", berichtet die Psychologin Claudia Roebers. Dennoch erhalten die Wissenschaftler in der Regel falsche Antworten, sobald sich die Kinder nicht an die erfragten Details des Films erinnern können. Falsche Angaben hagelt es den Angaben zufolge auch, wenn die Frage eigentlich gar nicht zu beantworten ist, wie sie sich auf eine Szene bezieht, die im Film gar nicht vorkommt. Bei Erwachsenen sei das anders, berichten die Forscher: Sie erklärten in solchen Situationen eher, dass sie die Antwort nicht wüssten.

Wenn die Kinder aber während der Befragung für jede richtige Antwort einen Goldtaler bekommen, ändert sich diese Situation. "Dann machen sie weniger falsche Angaben, und die 'Weiß-nicht-Antworten' häufen sich", erklärt Roebers. Das bedeutet: Kinder haben bei solchen kognitiven Fähigkeiten keine generellen Defizite. Sie wissen sehr wohl, ob sie sich an ein Ereignis erinnern können, reagieren in einer Befragungssituation nur anders als Erwachsene. Nach Angaben Roebers zeigt sich immer wieder, dass die wenigen Angaben, die Kinder spontan über ein Ereignis machen, durchweg korrekt sind. Fehler treten in der Regel erst dann auf, wenn gezielte Fragen beantwortet werden sollten - und das sei natürlich fast immer dann der Fall, wenn Kinder Zeugen in einem Verfahren seien. Die Würzburger Wissenschaftler erproben daher nun Befragungsmethoden, die entweder die freien Berichte der Kinder verlängern oder die Wahrscheinlichkeit für falsche Antworten bei konkretem Nachfragen verringern.

Darüber hinaus untersuchen die Psychologen die Auswirkungen von Suggestivfragen auf das Gedächtnis und auf spätere Berichte von Kindern. Die bisherigen Ergebnisse bestätigen laut Roebers frühere Befunde aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum: Demnach sind Jungen und Mädchen vom Kindergartenalter bis zum Ende der Grundschulzeit immer besser in der Lage, ein Ereignis korrekt wiederzugeben. Zudem widerstehen sie immer häufiger irreführenden Suggestiv-Fragen und geben in Wiedererkennungstests zunehmend korrekte Antworten.

Kinder und Jugendliche lügen im Alltag übrigens aus verschiedenen Gründen:

 

 

Schwindeln in der Schule unmoralisch?

Nach Untersuchungen von Latzko & Fischer von der Universität Leipzig finden es mehr als die Hälfte aller Mädchen und Buben in Ordnung, in der Schule abzuschreiben oder einen Schwindelzettel zu benutzen und nur 36 Prozent sind dagegen, wobei vor allem ältere Schüler das Schwindeln bei Prüfungen und Tests als selbstverständlichen Teil ihres Alltags akzeptieren. Bereits in früheren Studien wurde nachgewiesen, dass die Akzeptanz des Abschreibens mit zunehmendem Alter der Lernenden wächst, wobei auch das schlechte Gewissen beim Schwindeln in höheren Klassen immer geringer wird. Vor allem der größer werdende Leistungsdruck in den höheren Klassen veranlasst immer mehr SchülerInnen zum Schwindeln. Es hat sich auch gezeigt, dass Buben eher spicken als Mädchen, weil sie weniger ängstlich sind als ihre Mitschülerinnen.

Quellen & Literatur:
http://sozialarbeitspsychologie.de/nonvkom.htm (01-01-19)
http://www.uni-saarland.de/fak5/krause/nonverb.htm (03-06-05)
http://www.rp-online.de (03-01-10)
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http://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-luegen-ist-schwerstarbeit-fuers-gehirn-1.969110-2 (10-07-03)
http://www.zv.uni-leipzig.de/service/presse/pressemeldungen.html?
ifab_modus=detail&ifab_id=5113 (13-09-16)
Carter, Nancy L. & Weber, J. Mark (2010). Not Pollyannas. Higher Generalized Trust Predicts Lie Detection Ability. Social Psychological and Personality Science, 1 (4), 274-279.
Ekman, P. (1989). Weshalb Lügen kurze Beine haben: Über Täuschungen und deren Aufdeckung im privaten und öffentlichen Leben. Berlin: de Gruyter.
Dietzsch,Steffen (1998). Kleine Kulturgeschichte der Lüge. Leipzig: Reclam.
Peale, Norman Vincent (2001). Die Kraft des positiven Denkens. Lübbe Verlag.
Mayer, Christiane (2011). Streng geheim! Warum wir Geheimnisse brauchen.
WWW: http://sonntags.zdf.de/ZDFde/inhalt/8/0,1872,8244456,00.html?dr=1 (11-06-11)
Molcho, Samy (1988). Körpersprache als Dialog: Mosaik-Verlag.
Schmid-Fahrner, Christine (2001). Vertrauen und sich anvertrauen Geborgensein in der Partnerschaft. Herder.
Stiegnitz, Peter (2001). Die Wahrheit: Wir lügen alle.
WWW: http://www.connection.de/cms/content/view/817/181/ (07-02-02)



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