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Ursachen für die Entstehung von Jugendgewalt

In ihrer Jugend durchlaufen Menschen eine Vielzahl körperlicher und psychischer Veränderungen, die mit einer erhöhten Emotionalität einhergehen, wobei es wichtig ist, für das soziale Funktionieren im Alltag, aber auch für das eigene körperliche und mentale Wohlbefinden, diese Gefühle erkennen, verarbeiten und kontrollieren zu können. Jugendlichen, die an einer Störung des Sozialverhaltens leiden, fällt dieser Prozess schwer, was zu antisozialen, oft aggressivem und klar von der Alternsnorm abweichenden Reaktionen führt, etwa zu Fluchen, Zuschlagen, Stehlen oder Lügen.  Großen Einfluss auf das Entstehen von Jugendgewalt hat das Elternhaus, in dem Kinder Liebe und Zuneigung, aber auch psychischen und körperlichen Missbrauch erfahren können. Körperliche Bestrafung ist für Kinder und Jugendliche deshalb problematisch, weil Kinder und auch viele Jugendliche noch nicht verstehen, warum man ihnen Schmerzen zufügt, denn sie sind kognitiv oft noch gar nicht in der Lage, einen Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und dem Schmerz der Schläge nachzuvollziehen. Schläge schädigen vor allem das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen, denn sie fühlen sich nicht geliebt und verlieren das Gefühl der Geborgenheit. Kinder und vor allem Jugendliche lernen durch diese Erfahrungen, dass Schläge ein probates Mittel zur Durchsetzung eigener Vorstellungen sind und geben dieses Muster als Erwachsene an ihre Kinder oder an andere weiter. Jede körperliche Gewalt - auch die kleinste - ist für Kinder mit einer Enttäuschung verbunden, denn diese beziehen das erst einmal auf sich als ganze Person und fühlen sich als Versager. Eine Ohrfeige vor allem in der Öffentlichkeit stellt für Kinder auch eine große Demütigung dar, doch auch verbale Gewalt fühlt sich für Kinder oft wie ein Schlag an. Besonders schwierig für Jugendliche ist die Zeit des Überganges zwischen Kindes- und Jugendalter auch deshalb, weil sie sich zwischen Kindheit und Erwachsensein bewegen, sie wünschen sich jedoch bereits Erwachsenenstatus, der oft mit falschen Mitteln erreicht werden soll.

Obwohl viele Jugendliche in manchen Situationen Ärger und daraus resultierend mehr oder weniger ausgeprägte Aggressionsgefühle verspüren, gehen deren Emotionen doch nur selten in tatsächliche Gewalttaten über. Bei jugendlichen Gewalttätern kommt es nach Ansicht von ExpertInnen in solchen Ärger behafteten Situationen zu einem Zusammenspiel von genetischen, psychologischen und sozialen Risikofaktoren. Auslöser für viele Taten von Randalierern sind dabei subjektiv wahrgenommene emotionale Verletzungen, die mit Bedrohung oder gar Schmerz einhergehen, wobei solche Emotionen oft unter der Bewertung unverdienter Ungerechtigkeit zu Wut und Hass führen. Wenn dann aus deren Sicht das verletzende Verhalten oder weitere Stressoren länger wirksam sind, führt das oft zu einer aggressiven Überkompensation, etwa in Form von Zerstörung von Objekten. Dadurch erleben Randalierer emotional Macht, Kontrolle und Stärke. Viele Gewalttäter haben auch erfahren, dass es vorteilhaft ist, sich zur Verwirklichung von eigenen Zielen und aufgrund eines Gruppendrucks aggressiv zu verhalten, wobei sie diese dann diese Gewalt bagatellisieren, sodass bei ihnen kein Unrechtsbewusstsein entsteht.

Im Rahmen des FemNAT-CD-Projekts, einem europaweiten Forschungsprojekt, das sich mit den Ursachen und der Therapie von regelverletzendem und aggressivem Verhalten bei Mädchen mit Störungen des Sozialverhaltens befasst, geht es auch um die Ursachen für geschlechtsspezifische Unterschiede im Verhalten. In dieser Studie werden insgesamt bei 1840 Kindern und Jugendlichen im Alter von 9 bis 18 Jahren aus ganz Europa (Großbritannien, Deutschland, Irland, Schweiz, Niederlande, Spanien, Griechenland und Ungarn) Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Buben und Mädchen in Bezug auf Gehirnstruktur und -funktion, Hormonspiegel, Genetik, Emotionserkennung und -regulation sowie physiologische Aktivität verglichen. Dabei zeigte sich, dass Mädchen mit problematischem Sozialverhalten eine reduzierte Hirnaktivität und eine schwächere Vernetzung zwischen Hirnregionen zeigen, die für die Emotionsregulation relevant sind, und zwar in den präfrontalen und temporalen Gehirnarealen, die die kognitiven Kontrollprozesse steuern. Diese Resultate bieten erstmals einen neuronalen Erklärungsansatz für Emotionsregulationsschwierigkeiten von Mädchen mit auffälligem Sozialverhalten. Die unterschiedliche neuronale Aktivität in den beiden Versuchsgruppen kann auf fundamentale Differenzen bei der Gefühlsregulation hinweisen. Sie ist möglicherweise aber auch auf eine verzögerte Gehirnentwicklung bei den Versuchsteilnehmerinnen mit problematischem Sozialverhalten zurückzuführen. Offen bleibt, ob männliche Teenager mit einer Störung des Sozialverhaltens ähnliche Hirnaktivitäten während der Emotionsregulation zeigen (Raschle, N. M. et al., 2019).

Das Elternhaus

Der immer größere Wunsch nach Individualismus in der Gesellschaft hat große Auswirkungen auf die Institution Ehe und Familie. Durch diese Entwicklung erleben immer mehr Kinder familiäre Desintegration, dies führt zu Unsicherheiten und Belastungen innerhalb der Familie. Die zunehmende Verschlechterung des Familienklimas kann eine mögliche Erklärung für jugendliche Gewalt sein. Besonders ungelöste Streitigkeiten der Eltern, die zu keiner Klärung der Probleme führen, können einen Einfluss auf Kinder und Jugendliche haben. Weiters sind auch die Uneinigkeit der Eltern im Erziehungsstil, ein inkonsistentes Disziplinierungsverhalten der Eltern, geringe emotionale Nähe und Unterstützung der Kinder negative Zeichen für diese Entwicklung (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S. 282).

Nicht nur Individualismus kann für die Entstehung von Gewalt eine Rolle spielen. Jugendliche, die in ihrer Kindheit oft physischer Gewalt ausgesetzt waren, tendierten viel öfter ebenfalls zu Gewalt, um ihre Ziele zu erreichen (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003 S. 282). Kinder, die dieser Form von Gewalt ausgesetzt sind, werden oft mit Liebesentzug bestraft, was zu einem gehemmten Verhältnis zu Gleichaltrigen führen kann (vgl. Engfer 2002 S. 802). Wenn diese psychische Gewalt dauerhaft ist, wirken die Kinder im Kindesalter „ungehorsam, hyperaktiv, aggressiv und quengelig (Engfer 2002, S. 803)“. Später können sich daraus nervöse Ticks entwickeln und die Jugendlichen können auch selbst zerstörerisches Verhalten zeigen (vgl. Engfer 2002, S. 803).

Auch das Erleben körperlicher Gewalt und der Wunsch der Bewältigung der Probleme im Elternhaus führen die Jugendlichen aber auch oft zu gewaltbereiten Gruppen (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S. 282). Körperliche Bestrafungen nahmen aber im Laufe der Zeit ab. Es zeigte sich, dass Eltern, die selbst gewaltfrei heranwuchsen, auch ihre eigenen Kinder nicht mit Gewalt erzogen (vgl. Engfer 2002, S. 804). Die Missbilligung von körperlicher Gewalt in der Öffentlichkeit zeigt, dass diese Form von Gewalt in Familien nicht mehr anerkannt ist. Jedoch ist erstaunlich, dass Kinder genau aus diesem Phänomen heraus die eigene erfahrene körperliche Gewalt verharmlosen. Partnerschaftskonflikte, die oft auf die Kinder übergreifen oder die schwierige Situation alleinerziehender Mütter erhöhen ebenfalls die Gewaltbereitschaft (vgl. Engfer 2002, S. 805).

Weiters kann auch die Vernachlässigung bei Kindern und Jugendlichen zu großen Folgewirkungen führen. Unter Vernachlässigung wird keine ausreichende Ernährung, Pflege, Förderung, Gesundheitsversorgung, Schutz vor Gefahren verstanden. Sie lässt sich häufig in der Verbindung mit extremer Armut und sozialen Randgruppen feststellen. Auch Kinder von psychisch Kranken und Drogenabhängigen zeigen starke Entwicklungsrückstände, was auf die physische und psychische Vernachlässigung zurückzuführen ist. Die Entwicklungsrückstände beinhalten Rückstände in der kognitiven und sozial- emotionalen Entwicklung und ein ungepflegtes Äußeres, weshalb diese Kinder auch oft von Mitschülern und Lehrern abgelehnt werden. Vor diesen Rückständen können die Kinder nur durch Herausnahme aus der Familie geschützt werden (vgl. Engfer 2002, S. 801f).

Gewalt in der Familie kann auch als letztes Mittel gegen die Aggressivität oder den Ungehorsam der Kinder dienen. Die Auffälligkeiten, die Kinder zeigen, lassen sich von psychischen Problemen der Eltern ableiten. Die Verhaltensauffälligkeit liegt bereits vor, ehe überhaupt geschlagen wird. Beispielsweise sind behinderte Kinder dreimal so häufig Gewalttätigkeiten ausgesetzt. Bislang ist noch nicht geklärt, welche Auffälligkeiten zu Misshandlungen führen. Jedoch können bereits Streitereien mit den Geschwistern die Gewalt der Eltern hervorrufen. Kinder aus solchen Familien weisen oft kognitive und sprachliche Rückstände auf. Sie haben geringe soziale Kompetenzen, wenig Ausdauer und sind nur gering belastbar. Weiters haben sie Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen. Es gibt auch Spätfolgen dieser Misshandlungen. Beispielsweise können bei Jugendlichen eine höhere Aggressionsbereitschaft, Alkohol- und Drogenmissbrauch, emotionale Probleme und Suizidneigungen auftreten (vgl. Engfer 2002, S. 806f).

Folgen elterlicher Gewalt

Durch das Erlernen von Gewalt und Aggressivität stabilisiert sich das Aggressivitätspotenzial in den Jugendlichen. Diese haben also nie gelernt, dass es auch andere Wege zur Lösung von Problemen gibt. Dies führt oft zu persistent delinquenten Jugendlichen, dieses Thema wird jedoch erst später behandelt (vgl. Montada 2002, S. 869). Ziel einer Untersuchung von Elgar et al. (2018) war es, den Zusammenhang zwischen Züchtigungsverboten und Jugendgewalt auf internationaler Ebene zu untersuchen. In der Metastudie wurden bereits vorhandene Studien zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ausgewertet, in denen auch nach der Häufigkeit von körperlicher Gewalt gefragt worden war. Nach einem Bereich des UNO-Kinderhilfswerks sind weltweit 17 Prozent der Jugendlichen im vorangegangenen Monat zumindest einmal Opfer von körperlicher Züchtigung in der Schule oder zu Hause gewesen. Frühere Studien hatten einen Zusammenhang zwischen dem Erleiden körperlicher Züchtigung im Kindesalter und aggressivem Verhalten, psychischen Problemen, Schwierigkeiten in der Schule und an Universitäten, kognitiven Defiziten und Wohlbefinden belegt. Die 88 untersuchten Staaten wurden in drei Kategorien eingeteilt: Länder ohne Verbot von physischen Strafen in Schule und Familie (20), Länder mit einem Verbot ausschließlich in der Schule (38) und Länder mit einem generellen Züchtigungsverbot (30). Als gewalttätig wurden dabei diejenigen Jugendlichen eingestuft, die angaben, in den vergangenen zwölf Monaten an vier oder mehr körperlichen Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein. Im Durchschnitt aller Länder waren 9,9 Prozent der männlichen und 2,8 Prozent der weiblichen Jugendlichen regelmäßig in Prügeleien verwickelt. Diese Anteile reichten von 0,86 Prozent der Mädchen in Costa Rica bis 34,78 Prozent der Buben in Samoa. Nimmt man derartige Gewalt aus Ländern ohne Verbot der Prügelstrafe als 100 Prozent an, dann lag der Anteil der gewalttätigen männlichen Jugendlichen in Ländern mit Verbot sowohl in der Schule als auch zu Hause bei einem Wert von 69 Prozent (minus 31 Prozent) bei den Burschen und bei 42 Prozent (minus 58 Prozent) bei den Mädchen. Unter den 30 Staaten, in denen es ein generelles Züchtigungsverbot gibt, lag Costa Rica an der besten Position, gefolgt von Portugal und Finnland. Bei den weiblichen Jugendlichen hatten dort extrem wenige Gewalterfahrungen, bei den Burschen lag der Anteil bei fünf Prozent und darunter. Andere Faktoren wie Waffengesetze, Mordrate, Elternerziehungsprogramme oder Wohlstand hatten hingegen wenig bis gar keinen Einfluss auf die Anzahl der prügelnden Jugendlichen. Allerdings lässt eine solche statistische Beziehung zwischen Verbot der Prügelstrafe und Prügeleien unter Jugendlichen keine Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu postulieren.

Das Statusproblem Jugendlicher

Da die sexuelle Reife immer früher erfolgt, auf der anderen Seite die Ausbildung immer länger dauert, befinden sich immer mehr Jugendliche zwischen dem Status als Kind und Erwachsener. Eine große Zahl von familiären Verboten weckt das Bedürfnis nach Autonomie. Viele Jugendliche glauben, dass sie diese erreichen, indem sie Verbote brechen und dadurch endlich Zugang zu dem Status der Erwachsenen haben. Der Status, der dadurch erreicht wird, ist aber nur bei bestimmten sozialen Gruppen anerkannt, weshalb Jugendliche auch verstärkt zu diesen Gruppen Kontakt aufnehmen werden (vgl. Montada 2002, S. 865).

Schulische Misserfolge können auch zu Delinquenz führen, da hier die Anerkennung durch Lehrer/innen und Eltern eher gering ist. Gerade Jugendliche, für die Schulerfolg sehr wichtig wäre, werden durch Misserfolg verstärkt delinquent. Jedoch kann Status auch als Schutzfaktor gegen kriminelle Handlungen wirken, da Bildung den Lernenden einen Status verleiht. Sie erhalten dadurch Anerkennung von Lehrern und Lehrerinnen, Familie und Freunden (vgl. Montada 2002, S. 866).

Erstaunlicherweise zeigten sich Jugendliche, die die Familie finanziell unterstützen mussten, ebenfalls nicht delinquent, da sie dadurch Anerkennung der Familie besaßen und sich ihr Status dadurch automatisch erhöhte. Weiters sind Mädchen seltener delinquent als Jungen, da sie meist einen größeren schulischen Erfolg haben, familiäre Verantwortung tragen, ein sozial verträgliches Verhalten als Ideal bei Mädchen gilt und das jugendliche Schönheitsideal zu größerem Selbstbewusstsein beiträgt (vgl. Montada 2002, S. 866).

Jugenddelinquenz

Besonders das Kinder- und Jugendalter gibt Aufschluss über die zukünftige Entwicklung bezüglich der Straffälligkeit. So geschieht es sehr selten, dass die Delinquenz erst im Erwachsenenalter beginnt, jedoch jugendliche Straftäter/innen realistische Chancen besitzen, nicht mehr straffällig zu werden. Bei Untersuchungen, welche auf Zusammenhang von Art und Häufigkeit der Straftaten und dem Alter der Täter/innen abzielten, wurde ersichtlich, dass die Delinquenz in der Gruppe der 16- bis 20-Jährigen am höchsten ist, diese jedoch später relativ stark und beständig abnimmt (vgl. Montada 2002, S. 862).

Entwicklung der Jugenddelinquenz

Weiters ist aufgefallen, dass die Jugenddelinquenz generell in den letzten 50 Jahren stark angestiegen ist. Besonders deutlich kann man dies bei den verübten Gewaltdelikten zwischen 1984 und 2000 erkennen, wo es zu einer Verdreifachung der Tatverdächtigen zwischen 14 und 18 Jahren kam (vgl. Montada 2002, S. 862).

Dieser starke Anstieg und die vorher genannte starke Verringerung der Straffälligkeit von Personen, die dem Jugendalter entwachsen sind, führten zu der These der Jugenddelinquenz und der persistenten Delinquenz (vgl. Montada 2002, S. 864).

Jugenddelinquenz und persistente Deliquenz

Persistent Delinquente weisen eine große Stetigkeit an antisozialem Verhalten auf, welches sich durch ihr gesamtes Leben zieht (vgl. Montada 2002, S. 864). Anders ist dies bei der Jugenddelinquenz. Dieses häufige Phänomen ereignet sich zwischen Adoleszenz und dem frühen Erwachsenenalter, danach hört es meist wieder auf (vgl. Montada 2002, S. 865). Jugenddelinquenz kommt hauptsächlich bei Personen mit normalen Intelligenzwerten, ohne pathologischen Auffälligkeiten vor, die oftmals überdurchschnittlich beliebt in ihrer Peergroup sind und sich in einem Anpassungsprozess aufgrund des zuvor genannten Statusproblems befinden. Außerdem ist der/die Jugenddelinquente nicht grundsätzlich antisozial und hat die Chance durch Partnerschaft, Beruf, Familiengründung und Umgang mit nicht delinquenten Peergroups sich aus der Delinquenz zu lösen (vgl. Montada 2002, S. 867).

Natürlich gelingt diese Neuorientierung nicht jedem Jugenddelinquenten. Ursachen für die andauernde Delinquenz können, die durch das Probieren verursachte Abhängigkeit von Drogen sein oder aber das Fehlen neuer Ziele, insbesondere von Ausbildungsabschlüssen. Dies setzt sich weiter fort, da die Gewinnung wirtschaftlicher Stabilität von der Ausbildung abhängig ist und die wirtschaftliche Stabilität auch die Gründung stabiler Partnerschaften erleichtert (vgl. Montada 2002, S. 867).

Bei persistent Antisozialen liegen die Ursachen bis in die früheste Kindheit zurück. Oft sind diese antisozialen Muster mit pathologischen Störungen wie Hirnschädigungen, Aufmerksamkeitsstörungen und auch mit dem Syndrom des „schwierigen Kindes“ verbunden. „Schwierige Kinder“ haben diverse Verhaltensauffälligkeiten wie exzessives Schreien und unstabile Tagesrhythmen. Ebenso lassen sie sich kaum beruhigen, wodurch vielfach ungünstiges Verhalten der Eltern, das bis zur Misshandlung des Kindes führen kann, hervorgerufen wird. Diese ungünstige Erziehung kann sich durch aggressives Verhalten der Kinder zeigen, welches wiederum Ablehnung durch seine Umwelt erfährt (vgl. Montada 2002, S. 869).

Siehe dazu Kriminalität bei Jugendlichen

Präventive und korrektive Maßnahmen

Durch die Einflussnahme der Eltern aggressiver Kinder stehen die Chancen bis zur Pubertät noch relativ gut, aggressionsauslösende Deutungsmuster zu korrigieren. So können Aggressionen durch den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung und durch konstruktive Arbeit abgebaut werden. (vgl. Montada 2002, S. 869). Auch außerhalb der Familie gibt es viele rechtliche und institutionelle Maßnahmen, welche sich der Delinquenzprävention bei Jugendlichen widmen. Rechtsstrafen, Jugendschutzgesetze, Beratungsstellen, Sozialarbeit, Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit und viele weitere gehören dazu (vgl. Montada 2002, S. 870). Dabei muss man sich jedoch bewusst sein, dass aufgrund der hohen Komplexität der Ursachenzusammenhänge bei delinquenten Jugendlichen kurzzeitige Interventionen und generelle Präventionsmethoden meist nicht die gewünschten langfristigen delinquenzverhindernden Effekte mit sich bringen (vgl. Montada 2002, S. 871).

Beispiele erfolgreicher Präventivprogramme kann man in drei Kategorien unterteilen.

Bei all den rechtlichen und institutionellen Präventionsmöglichkeiten gilt jedoch zu beachten, dass es auch Beispiele vieler Jugendlicher gibt, die einer Häufung an Risikofaktoren für Delinquenz ausgesetzt sind, jedoch trotzdem nicht straffällig werden (vgl. Montada 2002, S. 861). Somit kann man auch erkennen, dass Jugendliche selbst immer die wichtigsten Gestalter ihrer Entwicklung sind, und dass sie durch ihr Handeln nicht nur sich selbst sondern auch ihr soziales Umfeld beeinflussen können (vgl. Uslucan, Fuhrer, Rademacher 2003, S. 291).

Jean Decety et al. (2008) verglichen in einer Studie die Gehirnaktivität von aggressiven und nicht aggressiven Jugendlichen mittels Magnetresonanztomografie (fMRI), wobei sie ihnen Szenen zeigten, in denen Menschen absichtlich Schmerz zugefügt wurde. Es zeigte sich, dass bei den aggressiven Jugendlichen spezifische Belohnungszentren im Gehirn aktiviert werden, d.h., dass sie es möglicherweise auch genossen, Schmerz zu sehen. Demnach finden bei verhaltensgestörten Jugendlichen andere neuronale Prozesse statt als bei ihren Peers.

Mobbing

Unter Jugendgewalt wird heute auch Mobbing verstanden, weshalb sich die Autoren im Zuge dieser Arbeit auch mit diesem Thema auseinander setzten.

Grundsätzlich versteht man unter Mobbing das Phänomen, dass eine von der Norm abweichende Person von anderen ausgegrenzt und erniedrigt wird. Diese Attacken weisen eine gewisse Regelmäßigkeit auf – so finden sie mindestens einmal pro Woche statt –  und ziehen sich über eine bestimmte Dauer hinweg – nämlich über mindestens ein halbes Jahr lang (vgl. Martini 2002).

Ursprünglich wurde der Begriff Mobbing in der Arbeitswelt geprägt, dennoch findet man dieses Phänomen auch in diversen anderen Lebensbereichen vor, so beispielsweise auch in Schulen. Gemeint sind hier nicht alltägliche Konflikte zwischen Schüler/innen, sondern Handlungen von Jungendlichen, um eine/n bestimmte/n Schüler/in zu „attackieren“. Man unterscheidet nun zwischen verschiedenen Erscheinungsformen:

  1. Verbales Mobbing drückt sich in Form von Hänseleien, Beschimpfungen, … aus und kann zwischen Jugendlichen ebenso wie zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen stattfinden.
  2. Davon unterschieden wird das Mobbing durch körperliche Gewalt, auch Bullying genannt.
  3. Letzte Erscheinungsform ist das stumme Mobbing. Hier werden Personen aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und ignoriert (vgl. Fliegel 2000).

Die Beteiligten
Forschungen zu Folge soll jede/r zehnte Schüler/in Opfer dieser Gewalttaten sein; im Gegensatz dazu ist jedoch mehr als jede/r Zehnte Täter.
Von Mobbing betroffen und als besonders gefährdet gelten vor allem Personen, die sich von anderen Mitschüler/innen der Klasse abheben, sei es durch ihre Kleidung, eine körperliche Behinderung oder durch andere abweichende Merkmale. Unterschiede bezüglich der Opferrolle im Geschlecht ergeben sich nicht. Für Täter/innen ergibt sich grundsätzlich folgendes Bild: Wird aktivem Bullying in Form von Sanktionen nicht entgegengewirkt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Täter/innen später straffällig zu werden um ein Vielfaches (vgl. Fliegel 2000).

Folgen von Mobbing
Die Folgen von Mobbing können oftmals schwerwiegend sein, so fallen Schätzungen zu Folge etwa 20 % aller Selbstmorde darauf zurück. Weiters führen psychische Belastungen oft zu körperlichen Erkrankungen. Langfristig gesehen können bei Mobbing-Opfern sogar chronische Krankheiten wie Depressionen auftreten, womit sich die Selbstmordgefahr um ein Vielfaches erhöht (vgl. Fliegel 2000). Im Bereich Schule wollen Jugendliche häufig nicht mit ihren Lehrern, Lehrerinnen und Eltern über das Problem sprechen, da sie aus Opfersicht einerseits Angst davor haben als „Petze“ dargestellt zu werden, andererseits haben Täter/innen Angst vor Bestrafungen. Beide Seiten wollen in der Klassengemeinschaft nicht als unbeliebt gelten. Mädchen leiden unter den Folgen von Mobbing – langfristig gesehen – weniger als Jungen, da sie sich besser in eine Gemeinschaft reintegrieren können. Männliche Mobbing-Opfer hingegen haben oft Angst vor körperlichen Verletzungen, was sich im Erwachsenen Alter in einem Mangel sozialer Kompetenzen wieder finden lässt (vgl. Fliegel 2000).

Ursachen von Mobbing
Die Ursachen von Mobbing liegen in Konflikten, die sich vielfältig präsentieren können. So können unterschiedliche Auslöser wie Unterforderung, Überforderung, aber auch ein gestörtes Klassenklima verantwortlich für gemobbtes Verhalten sein. Als häufige Mobbing Grundlage wird auch der familiäre Status genannt: So können Eltern aus finanziellen Gründen ihren Kindern beispielsweise teure Kleidungsstücke nicht kaufen; somit wird die Bekleidung Auslöser für Mobbing. Daraus ergibt sich, dass auch Fremdes oder Anderes zur Mobbingursache werden kann. Eine andere Religion, Sprache, Nationalität, usw. spielen hier eine wesentliche Rolle (vgl. Fliegel 2000).

Lösungen
Lösungen für das Phänomen Mobbing lassen sich einerseits in der Familie andererseits aber auch im Schulsystem finden. Innerhalb der Familie sollten Eltern ihren Kindern Selbstvertrauen geben, ihre Persönlichkeit und soziale Kompetenz stärken. Lehrer/innen sollten das Thema Mobbing nicht zum Tabu machen und die Augen davor verschließen. Hinschauen und Handeln ist der erste Schritt, um das Problem zu lösen. Ebenso sollten Lehrer/innen Opfern Hilfe anbieten, denn diese können sich selbst nicht mehr wehren und sind auf Unterstützung von außen angewiesen. In vielen Schulen werden mittlerweile Trainings zur Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikationstrainings und Konfliktbewältigungstrainings angeboten. Diese sollten aber nicht als Alibifunktion für die Schule gelten, um sonstige Maßnahmen zu umgehen, sondern eher als Präventivmaßnahme verstanden werden (vgl. Fliegel 2000).



Verwendete Literatur

Decety, Jean, Michalskaa, Kalina J., Akitsukia Yuko & Laheyc, Benjamin B. (2008). Atypical empathic responses in adolescents with aggressive conduct disorder: A functional MRI investigation. Biological Psychology 10.

Elgar, F. J., Donnelly, Peter D., Michaelson, V., Gariépy, G., Riehm, K. E., Walsh, S.D. & Pickett, W. (2018). Corporal punishment bans and physical fighting in adolescents: an ecological study of 88 countries. British Medical Journal Open, doi:10.1136/bmjopen-2018-021616.

Engfer, A. (2002). Misshandlung, Vernachlässigung und Missbrauch von Kindern. In Entwicklungspsychologie (S. 800 – 817). Verlag: Beltz Verlage

Fliegel, S. (2000). Mobbing in der Schule.
WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/MobbingSchule.shtml (07-11-10)

Fuhrer, U., Rademacher, J., Haci-Halil, U. (2003). Jugendgewalt und familiale Desintegration. In Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2003, 50, (S. 281- 293). Verlag: Ernst Reinhardt Verlag München Basel

Martini, S. (2007). Was ist Mobbing eigentlich?
Online im Internet: WWW: http://www.hsu-hh.de/mobbing/index_mfdruEIKwRNQAuS7.htm (07-11-10)

Montada, L. (2002). Delinquenz. In Entwicklungspsychologie (S. 859 – 873). Verlag: Beltz Verlag.

Raschle, N. M. et al. (2019). Atypical dorsolateral prefrontal activity in females with conduct disorder during effortful emotion regulation. Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging, doi:10.1016/j.bpsc.2019.05.003.

https://science.apa.at/rubrik/kultur_und_gesellschaft/Mehr_Pruegel_fuer_Kinder_-_Mehr_Gewalt_bei_Jugendlichen/SCI_20181016_SCI39351351644947542 (18-10-31)



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