[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Das elterliche Erziehungsverhalten in der Erinnerung erwachsener Geschwister

Literatur

Kitze, K., Hinz A. & Brähler, E. (2007). Das elterliche Erziehungsverhalten in der Erinnerung erwachsener Geschwister. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 59 -70.

Skaletz, C. & Seiffge-Krenke, I. (2009). Längsschnittliche Zusammenhänge zwischen dem Stressbewältigungsverhalten von Eltern und ihren jugendlichen Kindern. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 41(3), 109-120.

Siehe auch
Geschichte der Kindererziehung - Erziehung und Kultur
Wertewandel in der Kindererziehung - Neuere Entwicklungen in der Kindererziehung
Erziehungsstile - Begriffsbestimmung und Begriffsabgrenzungen
Grenzen und Auswirkungen der Erziehung
Praktische Tipps zur Kindererziehung
Elternschulen

Grundsätzliches: Der Wettbewerb unter Geschwistern ist bei Vögeln und anderen Tierarten weit verbreitet und führt manchmal zum Geschwistermord, wobei die Geburtsreihenfolge die Strategien beeinflusst, die Geschwister in ihren Kämpfen um die Vorherrschaft anwenden, und sich somit auf die Ergebnisse solcher Wettkämpfe auswirkt. Bei Menschen steht die Reihenfolge der Geburt stellvertretend für die Unterschiede in Bezug auf Alter, Körpergröße und Status, die alle zur Persönlichkeit beitragen. Darüber hinaus hängt die Reihenfolge der Geburt mit den Rollen und Nischen zusammen, die den Nachkommen innerhalb des Familiensystems zur Verfügung stehen. Im Durchschnitt sind Erstgeborene - die in der Regel als Ersatzeltern fungieren - pflichtbewusster als Nachgeborene, während Nachgeborene angenehmer, extravertierter und unangepasster sind. Als Strategien für den Umgang mit Rivalen in einer Dominanzhierarchie und zur Optimierung der elterlichen Investitionen stehen diese Unterschiede zwischen Geschwistern im Einklang mit einer darwinistischen Perspektive auf das Familienleben. Dies gilt auch für andere Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Familiendynamik, insbesondere im Zusammenhang mit elterlichen Investitionen und Konflikten zwischen Eltern und Kindern. Auch im Erwachsenenalter spiegelt das menschliche Verhalten diese prägenden Einflüsse wider, auch wenn solche Verhaltensdispositionen im Allgemeinen durch geeignete Situationen ausgelöst werden müssen, um voll zum Ausdruck zu kommen.

Studien zeigen, dass positive Beziehungen zwischen Geschwistern die emotionale Stabilität und soziale Kompetenz fördert, dass Geschwister neben den Eltern eine einzigartige Rolle in er Entwicklung einnehmen, denn sie geben einander etwas, das sie von den Eltern eher nicht bekommen. Menschen, die eine Schwester - gleichgültig ob jünger oder älter - haben, zu der sie eine gute Beziehung haben und hatten, fühlen sich später in ihrem Leben weniger einsam und sind auch weniger schüchtern und ängstlich. Auch Brüder haben einen positiven Einfluss. Eltern sollten daher die Zuneigung unter Geschwistern fördern, denn offensichtlich sind diese ein wichtiger Schutzfaktor in ihrem späteren Leben. Selbst Streit unter Geschwistern gibt Kindern die Möglichkeit zu lernen, wie sie sich wieder vertragen und ihre Emotionen unter Kontrolle bekommen können, also soziale Kompetenzen erwerben, die im späteren Leben nützlich sind.

Erziehungsverhalten

Trautner (1994) betont, dass bei jedem Menschen die Familie eine wichtige Rolle spielt, insbesonders die Erziehungsstile der Eltern spielen bei der Entwicklung der individuellen Persönlichkeitsmerkmale eine sehr wichtige Rolle. Da die Erziehungsmethoden der Eltern das weitere Leben der Menschen von der Kindheit bis zur Jugend hinaus beeinflussen.

Geschwister und Erziehung

Bedford (1993) bezeichnet die Geschwisterbeziehung als eine am längsten währende zwischenmenschliche Beziehung. Obwohl Geschwister zu ca. 50 Prozent gleiche Gene haben, unterscheiden sie sich doch sehr stark in geistigen Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften. Geschwisterpositionen werden durch den Einfluss der Erwachsenen geprägt, d.h., dass in allgemeinen zwischen dem erstgebornen und den Nachfolgern unterschieden wird. Es wurde herausgefunden, dass die Erstgebornen anderes behandelt werden als die Nachfolger. Beim ersten Kind sind die die Eltern strenger und haben sehr hohe Erwartungen gegenüber dem Kind. Außerordentlich hart ist es für die Frauen, die bezüglich ihrer Mutterrolle ängstlich und unsicher zeigen.

Auch die Familiengröße spielt eine sehr wichtige Rolle, denn Menschen, die mehrere ältere Geschwister haben, bekommenweniger Beachtung von den Eltern. Auch das Geschlecht der Geschwister spielt eine Rolle, denn ein Vater erzieht seinen Sohn strenger als seine Tochter. Väter neigen dazu, ihre Kinder je nach Geschlecht anderes zu behandeln. Geschwisterpaaren, die ein Altersunterschied von sechs und mehr Jahre haben, können nicht mehr als „volle Geschwister“ angesehen werden, denn sie gehören schon zur verschiedenen Generationen. Geschwister, deren Altersabstände geringer sind, haben eine größere Bindung und können einander gegenseitig helfen.

Mit einem Fragebogen wurden Daten von 112 Geschwisterpaaren im Alter von 18 bis 72 Jahren eingeholt und ausgewertet. Der Fragebogen wurde zum Zweck der „erinnerten elterlichen Erziehungsverhalten (FEE) und die Sence of Coherence Scale (SOC) entwickelt. Dabei spielt die Anzahl der Geschwister eine sehr große Rolle und beeinflusst somit die Erziehung. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Empfindung der elterlichen Erziehung auch geschlechtsabhängig ist, denn Eltern reagieren auf gleichgeschlechtliche Geschwisterpaare anders als auf verschiedene geschlechtliche Paare.

Stressbewältigungsverhalten von Eltern und jugendlichen Kindern

Grundsätzlich gilt das Heranwachsen der Jugendlichen als ein Abschnitt mit starken sozialen und biologischen Veränderungen. Viele psychologischen Erkrankungen und Entwicklungsprobleme finden ihren Ursprung in dieser Zeit. Coping beschreibt die Art des Umgangs mit Stress- bzw. schwierigen Lebenssituationen. Jugendliche werden oft mit Stresssituationen konfrontiert, müssen lernen damit umzugehen und ihre Stressbewältigungs-systeme immer wieder anwenden.

Eltern versuchen oft, ihren Kindern in Stresssituationen beizustehen oder sie gar davor zu schützen, welches jedoch die Entwicklung von Stressbewältigungsstrategien deutlich behindert. Viel wichtiger ist es, die Kinder ihrem Alter angemessenen Stress auszusetzen, sie dabei zu unterstützen, damit die Kinder mit Alltagsproblemen besser umgehen können.
An dieser Längsschnittstudie, welche mittels Fragebögen die Zusammenhänge des Stressbewältigungsverhaltens von Eltern und ihren Kindern untersuchen sollte, nahmen 201 Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren, sowie deren 189 Mütter und 148 Väter teil.

In dieser Studie sollten 3 wesentliche Hypothesen beantwortet werden. Die erste Hypothese befasst sich damit, ob Jugendliche sich in Bezug auf Stressbewältigungsverhalten an ihren Eltern orientieren. Anhand der zweiten Frage dieser Studie soll ausfindig gemacht werden, inwieweit das Coping der Eltern das ihrer Kinder ähnelt. Die dritte Frage soll herausfinden, welchen Einfluss das Familienklima auf das Stressbewältigungsverhalten der Jugendlichen bzw. deren Eltern hat.
Zur Erhebung der Bewältigungsverfahren von Jugendlichen und ihren Eltern wurden verschiedene Instrumente verwendet. Das Verhalten der Jugendlichen wurde mittels des Coping Across Situations Questionnaire erhoben, welches das situationsspezifische Bewältigungsverfahren von Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren ermittelt. Dabei wird zwischen funktionalen - aktiven Strategien zur Stressbewältigung - und dysfunktionalen Strategien - Strategien die nicht unmittelbar zur Problembewältigung dienen - unterschieden.

Das Verhalten der Eltern wurde mittels Family Crisis Oriented Personal Evaluation Scales erhoben, welches die kognitive und verhaltensmäßige Problemlösung in schwierigen, familiären Situationen ermittelt.

Anhand dieser Studie konnte festgestellt werden, dass sowohl Jugendliche als auch Eltern kompetente Stressbewältiger sind. Weiters wurde herausgefunden, dass Jugendliche mit fortschreitendem Alter mehr Copingstrategien anwenden. Wobei wiederum festgestellt wurde, dass Mädchen im Vergleich zu Jungen mehr aktive Copingstrategien anwenden.
Die erste Frage, ob sich Jugendliche in Bezug auf den Umgang mit Alltagsstressoren an ihre Eltern orientieren, ist aufgrund dieser Studie auszuschließen. Nur das Verhalten der Söhne lässt sich in geringem Maße durch den Bewältigungsstil der Eltern vorhersagen. Dies ist eventuell darauf zurückzuführen, dass Mädchen schon früher mit intimen Freundschaftsbeziehungen in Berührung kommen als Jungen.

Die geringe Orientierung an den Eltern in Bezug auf Stressbewältigung, vor allem von Mädchen, schließt jedoch nicht aus, dass trotzdem Einflüsse seitens der Eltern bestehen, da die Eltern beispielsweise eine große Rolle in der Gestaltung des Wohnumfeldes, der Sport- bzw. Freizeitaktivitäten oder der Auswahl der Freunde spielen.

Im Gegensatz zur ersten Hypothese, kann die zweite Hypothese teilweise bestätigt werden. Bei beiden Elternteilen lässt sich das Stressbewältigungsverfahren durch das ihrer Kinder vorhersagen, allerdings nur der dysfunktionale Bewältigungsstil, also der Rückzug, durch das Verhalten bei Söhnen. Aktive Stressbewältigung des Sohnes führt zu weniger Rückzug des Vaters und das Rückzugsverhalten des Sohnes führt zu einem verstärkten Rückzugsverhalten des Vaters. Dass heißt gute familiäre Beziehungen haben große Bedeutung im Vater-Sohn-Verhältnis. Je besser die familiäre Basis, desto besser auch das Verhalten des Sohnes gegenüber seinem Vater und umgekehrt.

Auch die dritte Hypothese konnte ähnlich wie die zweite Bestätigung in dieser Studie finden. Das Familienklima hat in der Stressbewältigung von Jugendlichen und ihren Eltern einen hohen Stellenwert.

Auswirkungen der Geschwisterposition

In einer Studie von Rohrer et al. (2015) wurde die seit langem bestehende Frage untersucht, ob die Position einer Person unter den Geschwistern einen dauerhaften Einfluss auf den Lebensverlauf dieser Person hat. Empirische Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Geburtsreihenfolge und Intelligenz haben überzeugend dokumentiert, dass die Leistungen in psychometrischen Intelligenztests von Erstgeborenen zu Spätgeborenen leicht abnehmen. Im Gegensatz dazu hat die Suche nach Auswirkungen der Geburtsreihenfolge auf die Persönlichkeit noch nicht zu schlüssigen Ergebnissen geführt. Man hat nun Daten aus drei großen nationalen Panels aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Deutschland verwendet, um diese offene Forschungsfrage zu klären. Diese Datenbasis ermöglichte es, selbst sehr kleine Effekte der Geburtsreihenfolge auf die Persönlichkeit mit ausreichend hoher statistischer Aussagekraft zu identifizieren und zu untersuchen, ob sich Effekte über verschiedene Stichproben hinweg zeigen. Darüber hinaus hat man zwei verschiedene Analysestrategien angewandt, indem man Geschwister mit unterschiedlicher Geburtsreihenfolge (i) innerhalb derselben Familie (within-family design) und (ii) zwischen verschiedenen Familien (between-family design) verglichen hat, wobei man den erwarteten Effekt der Geburtsreihenfolge auf die Intelligenz bestätigen konnte. Man beobachtete auch einen signifikanten Rückgang des selbst eingeschätzten Intellekts mit zunehmender Geburtsposition, und dieser Effekt blieb auch nach Kontrolle der objektiv gemessenen Intelligenz bestehen. Am wichtigsten ist jedoch, dass man durchwegs keine Auswirkungen der Geburtsreihenfolge auf Extraversion, emotionale Stabilität, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit oder Vorstellungskraft fand. Es zeigte sich auch, dass Mädchen mit jüngerem Bruder eher traditionelle Geschlechterrollen und Verhaltensweisen entwickeln, später auch häufiger traditionell weibliche Berufe wählen und sogar Männer mit traditionell eher männlichen Berufen heiraten. Offenbar sind Mädchen mit jüngeren Brüdern mehr vom Rollenbild ihrer Mutter geprägt, wobei der Effekt in besonders traditionellen Familien deutlicher ist. Aufgrund der hohen statistischen Aussagekraft und der konsistenten Ergebnisse über alle Stichproben und Analysedesigns hinweg kann man zu dem Schluss kommen, dass die Geburtsreihenfolge keine dauerhaften Auswirkungen auf breit gefächerte Persönlichkeitseigenschaften außerhalb des intellektuellen Bereichs hat.

Literatur
Rohrer, Julia M., Egloff, Boris & Schmukle, Stefan C. (2015). Examining the effects of birth order on personality. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112, 14224-14229. Sulloway, F.J. (2001). Birth Order, Sibling Competition, and Human Behavior. In Holcomb, H.R. (eds) ,Conceptual Challenges in Evolutionary Psychology. Studies in Cognitive Systems, 27. Dordrecht : Springer. (Stangl, 2023).
Stangl, W. (2023, 30. November). Auswirkungen der Geschwisterposition. arbeitsblätter news.
https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/auswirkungen-der-geschwisterposition/.



inhalt :::: nachricht :::: news :::: impressum :::: datenschutz :::: autor :::: copyright :::: zitieren ::::


navigation: