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Behandlung der Depression

depression

[Foto: Werner Stangl, 2009]

Quelle: www.wikipedia.de

Depression ist ein Begriff für eine ganze Reihe unterschiedlichster klinischer Befunde, die von leicht bis sehr schwer reichen. Man muss unterscheiden zwischen einer Depression als Krankheit und einer depressiven Verstimmung als temporärem Gemütszustand, denn einzelne depressive Symptome machen noch keine Depression. Der Unterschied ist, dass depressive Verstimmungen wieder verschwinden, eine richtige Depression nicht. Und aus einer Depression findet man nicht mit dem bloßen Willen heraus. Depressionen können in der Regel gut behandelt werden. Infrage kommen Psychotherapie, physikalische Maßnahmen oder eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva.

Häufig wird eine Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung eingesetzt. Traditionell unterscheiden Ärzte und Psychologen zwischen verschiedenen Schulen der Psychotherapie, mit der Psychoanalyse und der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie auf der einen Seite und der kognitiven Verhaltenstherapie auf der anderen. Die erste Seite konzentriert sich auf die Aufarbeitung traumatisierender Erlebnisse in Kindheit und Jugend, die andere gibt Handlungsanweisungen für den Alltag. Gut belegt ist die Wirksamkeit der Verhaltenstherapie. So ergab eine Studie für die Nationale Gesundheitsbehörde in Großbritannien, dass die Kombination von Medikamenten und Verhaltenstherapie allen PatientInnen deutlich besser hilft als Antidepressiva allein. Auch dass die kognitive Verhaltenstherapie den Medikamenten bei schweren Depressionen ebenbürtig ist, gilt inzwischen als erwiesen - wenngleich die Wirkung rund vier Wochen später eintritt als bei den Psychopharmaka. Forscher gehen davon aus, dass die Verhaltenstherapie ebenso nachhaltig Prozesse im Gehirn verändern kann wie Arzneien. Antidepressiva und Psychotherapie setzen an unterschiedlichen Punkten an, denn während die Medikamente auf das Gefühlszentrum im Gehirn einwirken, in dem ständig die negativen Gedanken entstehen, so wirkt die Verhaltenstherapie dagegen vermutlich auf jenen Bereich der Hirnrinde, der bei Gesunden das Gefühlszentrum unter Kontrolle hält, bei den Depressiven aber die Macht über die Emotionen verloren hat. Ein Rückfall in die Depressionen Monate nach Abschluss einer Verhaltenstherapie kommt seltener vor als nach dem Ende einer medikamantösen Behandlung.

Medikamentöse Behandlung der Depression

Wer eine schwere Depression hat, braucht in der Regel ein Medikament, um wieder herauszufinden, das bedeutet, setzt er das Medikament zu früh ab, kann es sein, dass die Depression wiederkommt. Medikamente sind nach wie vor ein wichtiger Pfeiler in der Depressionsbehandlung, aber psychische Erkrankungen sind immer sehr komplex und haben nicht nur ­eine rein biologische Dimension und Ursache, sondern stets auch eine psychologische und eine soziale, wobei diese drei Dimensionen untereinander in Wechselwirkung stehen.

Beim Einsatz von Serotoninwiederaufnahmehemmern geht man etwa davon aus, dass die Depression eine Krankheit im Gehirn ist, die man mit präzisen Medikamenten behandeln kann, aber Antidepressiva behandeln immer nur einen Aspekt der Depression, d.h., es sind auch psychotherapeutische und soziale Massnahmen zu setzen. Allerdings weiß man bis heute noch nicht bis ins letzte Detail, wie Antidepressiva wirken, wobei Placebos bei den meisten Erkrankungen relativ gut wirken. Daher muss jeder Patient individuell und maßgeschneidert behandelt werden, denn es gibt Betroffene, die nur Psychotherapie brauchen, und solche, die nur soziale Massnahmen wie etwa ­Familien- oder Berufsberatung brauchen. Nach heutigem Wissensstand erfordert eine mittelschwere bis schwere Depression eine Kombination von Psychotherapie und Pharmekotherapie, wobei nach dem Behandlungserfolg eine Rückfallprophylaxe unabdingbar ist, denn Depressionen treten in vielen Fällen wiederholt auf. Antidepressiva wirken nachgewiesenermaßen gegen Suizidgedanken und -handlungen, allerdings gab und gibt es mit diesen Medikamenten Missbrauch, was dem Ruf der Antidepressiva sehr geschadet hat. Eine medikamentöse Behandlung sollte man bei einer leichten bis mittelschweren Depression erst nach einer Absicherung der Diagnose erwägen, bei einer schweren Depression muss in der Regel aber schneller behandelt werden, denn das ist oft eine Notfallsituation. Ein Problem ist, dass Antidepressiva erst nach etwa zwei Wochen wirken, deshalb sollte speziell bei starker Angst, innerer Unruhe und Schlaflosigkeit mit intensiver Betreuung die kritische Zeit überbrückt werden, um die Suizidgefahr zu verringern.

Pharmakotherapie

Literatur

Moncrieff, Joanna, Cooper, Ruth E., Stockmann, Tom, Amendola, Simone, Hengartner, Michael P. & Horowitz, Mark A. (2022). The serotonin theory of depression: a systematic umbrella review of the evidence. Molecular Psychiatry, doi:10.1038/s41380-022-01661-0.

Reed, M. B., Vanicek, T., Seiger, R., Klöbl, M., Spurny, B., Handschuh, P., Ritter, V., Unterholzner, J., Godbersen, G. M., Gryglewski, G., Kraus, C., Winkler, D., Hahn, A. & Lanzenberger, R. (2021). Neuroplastic effects of a selective serotonin reuptake inhibitor in relearning and retrieval. NeuroImage, 236, doi:10.1016/j.neuroimage.2021.118039.

Wirkungsprinzip der meisten Antidepressiva ist, die Konzentration von Serotonin oder Noradrenalin an den Kontaktstellen der Nervenzellen im Gehirn zu erhöhen. Depressive leiden nach diesem Ansatz an einem Mangel dieser Substanzen. Die Medikamente wirken meist erst nach vier bis sechs Wochen. Vier Medikamentengruppen kommen hauptsächlich zum Einsatz: die älteren tri- und tetrazyklischen Antidepressiva (TZA) und Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) sowie die moderneren und wesentlich teureren selektiven Wiederaufnahmehemmer des Serotonins bzw. des Serotonins und Noradrenalins (SSRI und SNRI). Die neueren Präparate hemmen den Rücktransport des Serotonins oder Serotonins und Noradrenalins in die Zellen und verstärken so die Wirkung der Botenstoffe an den Synapsen. Die TZA wirken ähnlich, Medikamente hemmen dabei jedoch auch andere Botenstoffe, woraus sich ein Großteil der Nebenwirkung dieser Medikamente erklärt. Die MAO-Hemmer dagegen unterdrücken die Arbeit eines Enzyms, das die "Glückshormone" abbaut. Antidepressiva verändern die Persönlichkeit nicht und machen auch nicht abhängig, allerdings sollten Patienten die Tabletten niemals einfach absetzen, sobald es ihnen besser geht. Die Nebenwirkungen der neuen Antidepressiva können zwar erheblich sein (Unruhe und Erektionsstörungen), bleiben aber meist ungefährlich. Die älteren Antidepressiva führen etwa zu Mundtrockenheit, Verstopfung und Müdigkeit. Allerdings bleibt es meist nicht bei der ersten Arznei, denn bessern sich die Symptome nicht, dann setzen Ärzte oft das nächste Antidepressivum ein.

Die bekanntesten Antidepressiva lassen sich in drei Gruppen einteilen:

Weitere Präparate sind Noradrenalin-Serotonin-selektive Antidepressiva (NaSSA, Wirkstoff Mirtazapin - ein tetrazyklisches Antidepressivum wie Mianserin; ferner Maprotilin), Duales Serotonerges Antidepressivum (DSA, Wirkstoff Nefazodon), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI, Wirkstoffe Venlafaxin und Duloxetin; ferner Milnacipran), Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NARI, Wirkstoff Reboxetin; ferner Atomoxetin), Serotonin-Wiederaufnahmeverstärker (SRE, Wirkstoff Tianeptin), Serotonin-Modulatoren (Wirkstoff Trazodon). Von historischer Bedeutung ist auch der Einsatz von Opiaten.

Der Einsatz mancher Medikamente ist nicht unumstritten. denn eine Gruppe der Medikamente geriet in den Verdacht, die Selbstmordneigung bei jungen Patienten zu verstärken. Paroxetin etwa, Cipralex oder Sertralin - Präparate der SSRI-Familie, die auf den Stoffwechsel des Botenstoffs Serotonin zielen. Die europäische Arzneimittel-Zulassungsbehörde empfahl, Kindern und Jugendlichen möglichst keine SSRI zu geben; die amerikanische weitete die Warnung vor den Risiken der Medikamente auf alle Antidepressiva aus.

Jüngst hat sich gezeigt, dass selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer im Gehirn das Neurotransmitter-Regime und neuronale Netzwerke verändern und dabei auch die Neuroplastizität ankurbeln und so bestimmte Lernprozesse im Gehirn erleichtern. Reed et al. (2021) ist es mit bildgebenden Verfahren gelungen zu zeigen, dass Serotonin-Wiederaufnahmehemmer eine Veränderung der Mikrostruktur des Gehirns bewirken. Um zu untersuchen, ob Antidepressiva im Vergleich zu einem Placebo den Umlernprozess befördern, führte man eine sechswöchige Doppelblind-Studie mit achtzig gesunden ProbandInnen durch. Mittels Magnetresonanztomografie wurden die Mikrostruktur, die funktionelle und strukturelle Konnektivität sowie die Interaktion und Aktivität von Gehirnarealen gemessen, die bei Gedächtnisprozessen von besonderer Bedeutung sind, wie etwa der Hippocampus und die Insula. Zusätzlich wurde mitttels Magnetresonanzspektroskopie die Konzentration des wichtigsten erregenden Neurotransmitters, Glutamat, sowie des wichtigsten hemmenden Neurotransmitters, Gamma-Aminobuttersäure, in verschiedenen Gehirnregionen quantifiziert. Zunächst wurden bei allen Teilnehmenden die unbeeinflusste Vernetzung und die Aktivität der betreffenden Gehirnareale als auch die Konzentration von Neurotransmittern in einer Ausgangsuntersuchung gemessen. Anschließend lernte eine Gruppe täglich in einer konzentrierten Aufgabe, unbekannte Gesichter paarweise zusammenzuführen, und die andere Gruppe, chinesische Schriftzeichen mit Worten zu verknüpfen. Nach einer Vergleichsmessung begann die Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern bzw. Placebos über drei Wochen samt begleitendem Umlernprogramm mit neuen Gesichtspaaren und Zeichen-Wort-Paaren. Bei der abschließenden Messung zeigte sich, dass Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bewirken, dass neue Zusammenhänge leichter gespeichert werden. Offenbar ist die Erhöhung der Neuroplastizität ein wesentlicher Wirkmechanismus von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, diese stellen offenbar das Gehirn auf Empfang für neue Verknüpfungen und erleichtern das Lösen von Aufgaben. In Bezug auf Depressionen kann man den Schluss ziehen, dass Serotonin-Wiederaufnahmehemmer offenbar nicht direkt auf die Stimmung der Betroffenen wirken, sondern die Empfänglichkeit für Umlernprozesse verändern und so unter günstigen Bedingungen aus der Depression heraus helfen.

Die Serotonin-Hypothese der Depression ist zwar nach wie vor einflussreich, doch haben jüngst Moncrieff et al. (2022) die Erkenntnisse darüber, ob Depressionen mit einer verminderten Serotoninkonzentration oder -aktivität einhergehen, in einer systematischen Übersichtsarbeit über die wichtigsten relevanten Forschungsbereiche zusammengefasst und bewertet. Es wurden systematische Übersichten, Meta-Analysen und große Datensatzanalysen identifiziert, wonach zwei unabhängige Gutachter die Daten extrahierten und die Qualität der eingeschlossenen Studien bewerteten, wobei insgesamt 17 Studien eingeschlossen wurden. Die Qualität der Reviews war unterschiedlich, wobei einige genetische Studien von hoher Qualität waren. Zwei Meta-Analysen sich überschneidender Studien, die den Serotonin-Metaboliten 5-HIAA untersuchten, ergaben keinen Zusammenhang mit Depressionen. Eine Meta-Analyse von Kohortenstudien zum Plasmaserotonin ergab ebenfalls keinen Zusammenhang mit Depressionen und lieferte Hinweise darauf, dass eine niedrigere Serotoninkonzentration mit der Einnahme von Antidepressiva zusammenhängt. Die Hauptbereiche der Serotoninforschung lieferten keine konsistenten Nachweise für einen Zusammenhang zwischen Serotonin und Depression und brachten auch keine Unterstützung für die Hypothese, dass Depressionen durch eine verminderte Serotoninaktivität oder -konzentration verursacht werden könnte. Einige Belege deuten auf die Möglichkeit hin, dass die langfristige Einnahme von Antidepressiva die Serotoninkonzentration verringert. Zusammengefasst: Messungen von Serotonin und seinen Abbauprodukten ergaben keinen Unterschied zwischen Gesunden und Menschen mit Depression, wobei die Serotonin-Aktivität am Rezeptor in einigen Studien bei beiden Gruppen vergleichbar war, in manchen sogar bei depressiven Patienten höher war. Auch gibt es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Depressionen und dem Serotoninrezeptor. Offenbar ist die Serotonin-Hyothese insgesamt betrachtet empirisch nicht belegt und hat trotz immenser Forschungsanstrengungen nicht überzeugend bewiesen werden können. Die Wirkung von Antidepressiva, sofern vorhanden, geht vermutlich auf den Placeboeffekt zurück oder auf allgemein emotional dämpfende Effekte.

Esketamin-Nasenspray bei Major Depressions

Bis vor einigen Jahren existierten für Menschen mit therapieresistenten "Major Depressions" keine zusätzliche medikamentösen Behandlungsstrategien. Im März 2019 haben die USA und im Dezember 2019 die Europäische Union Esketamin mit strengen Auflagen zur Behandlung von behandlungsresistenter Depression zugelassen, wobei die dissoziative psychotrope Substanz Ketamin auch als illegale Rauschdroge verwendet werden kann. Diese Substanz wurde schon seit einigen Jahren bei Patienten mit therapieresistenten schweren Depressionen zunächst in Form von Infusionen angewendet, und zwar dann, wenn zumindest schon zwei Standardtherapien fehlgeschlagen sind. Jetzt gibt es Esketamin als Nasenspray, was das Medikament langsamer anfluten lässt und zu weniger Nebeneffekten bei der Anwendung führt. Die herkömmlichen Antidepressiva, vor allem Serotonin-Hemmer, die die Konzentration des Nervenbotenstoffs Serotonin im synaptischen Spalt zwischen Nervenzellen im Gehirn erhöhen, entwickeln erst nach rund zwei Wochen ihre Wirkung. Hinter Depressionen können auch komplexe Störungen vorliegen, die nicht allein auf Serotonin etc. beruhen, sondern etwa über Glutamat wirken, wobei hier NDMA-Rezeptor-Antagonisten, die im Gehirn zu einer Erhöhung der Konzentration des anregenden Botenstoffs Glutamat im synaptischen Spalt führen, eingreifen können. Esketamin in dem neuen Antidepressivum ist eine der beiden spiegelbildlichen Varianten der Wirksubstanz mit erhöhter Bindung an die Rezeptoren im Gehirn. Allerdings ist die Esketamin-Therapie an hohe Anforderungen geknüpft auf Grund der potenziell gravierenden Nebenwirkungen, sodass die Entscheidung zur Verordnung von einem Arzt getroffen werden muss. Der Nasenspray wird vom Betroffenen selbst unter der direkten Aufsicht von medizinischem Fachpersonal eingenommen.

 

Naturheilmittel

Unter den Naturheilmitteln ist die Wirkung für Johanniskraut wissenschaftlich belegt. Es kann leicht bis mittelschwer Depressiven helfen - allerdings erst bei einer Tagesdosis ab 900 Milligramm. Wird Johanniskraut zusätzlich zu synthetischen Antidepressiva eingenommen, kann es zu Wechselwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Ruhelosigkeit kommen

Lichttherapie

Bei der saisonalen Depression (siehe auch Saisonkrankheiten) hat sich die Lichttherapie bewährt. Einige Stunden unter einer Kunstlichtlampe, die Sonnenlicht nachempfindet, helfen bei dieser speziellen Erkrankung, dass während der Wintermonate keine depressiven Symptome auftreten. Der winterliche Lichtmangel macht nach neuesten Untersuchungen deshalb Menschen im Winter krank, da die Funktion des Serotonin-1A-Rezeptors bei Depressionen und Angststörungen bei Lichtmangel gestört ist. Ein Wiener Forschungsteam konnte zeigen, dass mit einer Lichttherapie bereits nach einer Woche eine Linderung der Symptome eintritt, während die Patienten auf die Therapie mit SSRI (Serotonin-Wiederaufnahmehemmern) erst bis zu drei Wochen später ansprachen. Die in dieser Studie gezeigten lichtabhängigen Adaptionsprozesse des Serotonin-1A-Rezeptors können somit die Mechanismen der therapeutischen Wirkung von Licht erklären, wobei für die Lichttherapie helles Kunstlicht mit etwa 10.000 Lux für eine halbe Stunde pro Tag ausreichend ist, wobei wichtig ist, dass die Lichtstrahlen auf die Netzhaut einwirken können.

Selbsthilfegruppen

Selbsthilfegruppen sind kein Ersatz für Therapien, sondern sie können eine begleitende Hilfe darstellen. Selbsthilfegruppen können als lebenslange Begleitung und Rückzugsorte dienen. Einige Gruppen erwarten keine Voranmeldung, sodass Betroffene spontan bei akuten depressiven Phasen Hilfe suchen können. Hier können Betroffene das Gefühl bekommen, unter Gleichen zu sein und verstanden zu werden. Als niedrigschwelliges Angebot haben sich Selbsthilfegruppen im ambulanten Bereich etabliert und leisten einen wichtigen Beitrag. In Krankenhäusern und Reha-Kliniken helfen sie Betroffenen, ihre Eigenverantwortung zu stärken und Selbstvertrauen zu erlangen.

Schlafentzug kann antidepressiv wirksam sein und wird in seltenen Fällen zum kurzfristigen Durchbrechen schwerer Depressionen im therapeutischen Rahmen eingesetzt (allerdings nicht bei einer manisch-depressiven Erkrankung). Eine weitere Form der unterstützenden therapeutischen Maßnahmen ist die Sporttherapie. Da Sport im sozialen Kontext stattfindet, erleichtert er eine Wiederaufnahme gesellschaftlicher Kontakte. Ein weiterer Effekt der körperlichen Betätigung ist das gesteigerte Selbstwertgefühl und die mögliche Ausschüttung von Endorphinen. Positive Effekte des Jogging bei Depressionen sind im Gegensatz zu anderen Sportarten empirisch nachgewiesen. Andere Hausmittel – wie körperliche Bewegung an der frischen Luft, Entspannungstechniken, kalte Güsse nach Sebastian Kneipp, Kaffee oder Schokolade – bieten an Depressionen Erkrankten keine Hilfe, sondern können höchstens Menschen mit leichten depressiven Verstimmungen Linderung verschaffen.

Bewegung gegen Depressionen, die sich von Angstzuständen ableiten

Literatur
Agudelo, L. Z., Femenía, T., Orhan, F., Porsmyr-Palmertz, M., Goiny, Michel, Martinez-Redondo, V., Correia, J. C., Izadi, M., Bhat, M., Schuppe-Koistinen, I., Pettersson, A. T., Ferreira, D. M.S., Krook, A., Barres, R., Zierath, J. R., Erhardt, S., Lindskog, M. & Ruas, J. L. (2014). Skeletal Muscle PGC-1α1 Modulates Kynurenine Metabolism and Mediates Resilience to Stress-Induced Depression. Cell, 159, 33-45.
Angst ist aber auch eine Reaktion auf Gefahren, der Menschen das Überleben in der Evolution verdanken, denn fürchtete man sich vor einem Löwen, der plötzlich vor einem stand, lief man davon oder griff es an. Für diese beiden Reaktionen war eine Mobilisierung von Muskelkraft notwendig, wobei die dank der verstärkten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol geschieht, das den menschlichen Stoffwechsel innerhalb von Sekunden befeuern kann. Indem man im Laufschritt dem Löwen entkommt oder ihn mit großer Anstrengung erlegt, baute man Cortisol dank der dabei beanspruchten Muskeln wieder ab. Dieser Regelkreis der Angstreaktion hat sich bis heute nicht geändert, sondern er läuft in Situationen, die Angst machen, automatisch ab. Zwar sind Löwen heute eher selten, doch dafür gibt es andere Gefahren, etwa die Bedrohung durch Kriegshandlungen oder Seuchen. Vor diesen kann man nicht fliehen, denn dazu ist Handlungsspielraum des Einzelnen meist zu sehr eingeschränkt, und man kann auch nicht dagegen kämpfen, denn um etwa einen Virus zu eliminieren, gibt es u. U. noch keinen Impfstoff oder kein Medikament. In diesem Fall bleibt die Angst und mit ihr das Cortisol im menschlichen Körper. Dieses Hormon macht Menschen aggressiver, unruhiger, löst Stress aus, wobei in den Skelettmuskeln die Aminosäure Tryptophan zu Kynurenin abgebaut wird. Kynurenin wirkt wie ein Hormon, kann die Blut-Hirn-Schranke überwinden und so im Gehirn wirksam werden, wobei Kynurenin die Funktion von Nervenzellen verändert und depressive Stimmungen auslösen kann. Untersuchungen am Mausmodell (Agudelo et al., 2014) haben gezeigt, dass bei regelmäßige Bewegung in den Muskeln über komplexe Prozesse Kynurenin-Aminotransferase entsteht, das Kynurerin unschädlich machen kann. Das geschieht dadurch, dass Kynurenin-Aminotransferase eine Umwandlung von Kynurenin in Kynurensäure bewirkt, einen Metaboliten, der nicht mehr in der Lage ist, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Offensichtlich ist ein regelmäßiges Training mit spürbarer Belastung der Muskulatur bereits ausreichend, um zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit bei einer Depression zu kommen. Daher kann körperliche Bewegung als Behandlungsstrategie für manche Menschen eingesetzt werden, die depressive Symptome zeigen.

Irrtümer über Depressionen aus Sicht der Psychiatrie

Hertha Mayr (Landesnervenklinik Wagner Jauregg in Linz) nennt in einem Interview in den OÖN neun Irrtümer über Depressionen aus der Sicht der Psychiatrie, was vor allem bei den Aussagen in Bezug auf die medikamentöse Behandlung berücksichtigt werden sollte:

Quelle: OÖN vom 18.11.2009

Reisen helfen nicht aus einer Depression

Manche Menschen glauben auch irrtümlich, einer Depression mit einer Reise entkommen zu können, doch können nach Ansicht von Experten depressive Menschen ihren Zustand mit einer Urlaubsreise sogar noch verschlimmern. In einer fremden Umgebung kann sich das Gefühl der Erschöpfung und des Ausgebranntseins sogar noch verstärken, denn eine Depression reist auch in den Urlaub mit. Es ist geradezu ein typisches Merkmal einer Depression, dass positive Ereignisse und Erlebnisse nicht helfen, aus der negativen Stimmung herauszukommen.
Quelle: Süddeutsche.de vom 17. August 2012

Psychotherapie

Zur Behandlung der Depression werden verschiedene psychotherapeutische Verfahren eingesetzt. Häufig werden heute die Verhaltenstherapie oder die Kognitive Verhaltenstherapie angewandt. Dabei geht es vor allem darum, die depressionsauslösenden Denkmuster zu erkennen, um sie dann Schritt für Schritt zu verändern. Vorreiter dieser Therapieansätze waren unter anderem Albert Ellis und Aaron T. Beck. Neben der kognitiven Therapie hat sich in klinischen Studien, die nach streng wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt worden sind, die interpersonelle Therapie nach Weissman/Klerman, welche auf der Neo-Psychoanalyse Sullivans basiert, als überdurchschnittlich wirksam erwiesen, sodass insbesondere diesen beiden Therapieformen eine nachweisliche Bedeutung zukommt. Auch tiefenpsychologisch orientierte, psychoanalytische und humanistische Verfahren werden in der Therapie der Depression mit nachgewiesenem Erfolg eingesetzt. Bei diesen Verfahren wird versucht, an den oft schon in der Kindheit entstandenen psychischen Problemen und daraus resultierenden Haltungen zu arbeiten. Dabei geht es auch darum, unbewusste aus der Kindheit stammende Verhaltensmuster auf eine bewusste Ebene zu bringen. In gruppentherapeutischen Verfahren wird versucht, die Tendenz zum Rückzug zu überwinden, die verringerten Interaktionsmöglichkeiten zu bessern und die oft reduzierte Fähigkeit, Hilfe in Anspruch zu nehmen, zu fördern. Rollenspieltechniken (zum Beispiel Psychodrama) können unter anderem helfen, den eigenen, oft eingeengten und festgefahrenen Blick zu überwinden. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass die Verarbeitung unterdrückter Gefühle auch durch eine Selbsttherapie funktionieren kann. Die psychotherapeutischen Verfahren können sowohl als einzige Therapie als auch in Kombination mit einer Pharmakotherapie eingesetzt werden.

 

Siehe auch
Formen der Depression
Depressionen und Suizidalität im Kindes- und Jugendalter
Literatur zum Thema Depression



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