SIEB.10/Prosa

:4711

zum letzten mal: GEHEN

zum ABGANG von T.B.

im ABGEHEN -
wie man in seinem UNZUGÄNGLICHEN wien sagt:
ein unheimlich starker ABGANG -
im ABGEHEN also:
zum letzten mal in sich GEHEND,
durch alles und jedes HINDURCHGEHEND,
und über sich noch einmal HINAUSGEHEND -
alles VERGANGENE noch einmal DURCHGEHEND,
aufrechten und auf n GANGES
alles BEGANGENE auf VERGANGENE VERGEHEN hin ABZUGEHEN -

in einem letzten, allerletzten DURCHGANG,
dem letzten möglichen GANGBAREN DURCHGANG -
die entlegensten SEELENGÄNGE abzuschreiten,
den tiefen, endgültigen GANG in den berg zu treiben -
vor dem endgültigen VERGEHEN
noch einmal: VORANZUGEHEN !
nochmals: auf alles EINZUGEHEN,
unerbittlich EINZUGEHEN -
sich keine spur ENTGEHEN zu lassen,
absolut nichts sich ENTGEHEN zu lassen,
vom EINGANG bis zum AUSGANG,
argwöhnisch alle VORGÄNGE beobachtend,
ihnen NACHGEHEND und NACHGEHEND und NACHGEHEND.
alles und jeden noch einmal VORBEIGEHEN zu lassen,
gequält den VERGANGENEN VORGÄNGEN NACHZUGEHEN,
den VORBEIGEHENDEN und den VORBEIGEGANGENEN NACHZUGEHEN,
dem VORBEIGEHENDEN und dem VORBEIGEGANGENEN NACHZUGEHEN -

den ganzen weg zu GEHEN,
den steilen UNGANGBAREN weg ENTLANGZUGEHEN, HINAUFZUGEHEN -
von verweigerung zu verweigerung ängstlich drängend WEITERZUGEHEN,
von den VORGÄNGEN im inneren in unerbittlichem GANG gehalten,
vom drang zu GEHEN getrieben,
vom letzten unerbittlichen begleiter zum GEHEN gedrängt:
WEITERZUGEHEN und WEITERZUGEHEN und WEITERZUGEHEN,
immer vorwärts zu GEHEN, unbeirrbar zu GEHEN,
HINÜBERZUGEHEN - hinüber wohin ? -

zwischen AUFGANG und UNTERGANG, nur mehr UNTERGANG -
niemals: kompromisse EINZUGEHEN,
wie sie überall GANG und gäbe
und allen und jeden so leicht von der hand GEHEN,
unbeirrbaren schrittes den langen dunklen GANG,
den endlosen GANG ENTLANGZUGEHEN also,
vom letzten unerbittlichen begleiter zum VORWÄRTSGEHEN gedrängt:
WEITERZUGEHEN und WEITERZUGEHEN und WEITERZUGEHEN,
den schmerz bewußt EINZUGEHEN,
keine wunde sich ENTGEHEN zu lassen,
um den schmerz wissend in das feuer zu GEHEN,
HINDURCHZUGEHEN -

undenkbar: ZUGÄNGLICH zu sein !
undenkbar: sich GEHEN zu lassen !
undenkbar: UMGÄNGLICH zu sein !
undenkbar: einem gedanken nicht selber NACHZUGEHEN bis zum ende !
niemals: darauf achten, daß ein anderer MITGEHT -
vielleicht sogar: andere am MITGEHEN zu hindern !
den UNTERGANG ersehnend abzusehen,
den erlösenden UNTERGANG - vielleicht das einzige ziel des GEHENS -

bewußt EINZELGÄNGER zu sein,
niemals aber: BITTGÄNGER zu sein, immer zu fordern -
der bedrohung zu ENTGEHEN,
mitläufer zu sein, GEGÄNGELT zu sein -
und dann die angst: ohne begleitung auf dem letzten GANG zu sein -
allein mit der angst, VERGANGEN zu sein,
der angst nicht ENTGEHEN zu können -
der einzigen ANGST:
vor dem UNUMGÄNGLICHEN !
das absolut UNUMGÄNGLICHE,
das einzig UNUMGÄNGLICHE,
das letzte UNUMGÄNGLICHE !
und dann doch: dem vertrauten begleiter des ewigen GEHENS,
dem vom langen GEHEN vertrauten begleiter an die hand zu GEHEN -
und vielleicht die angst: keinem ABZUGEHEN ...


Veröffentlicht in:
facetten ’89. Literarisches Jahrbuch. Linz, Landesverlag.

 

 

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