Die Geschichte zum Lerntipp "Hilf deinen Augen auf die Sprünge!"

Der verkehrte Maximilian

Maximilian, Frau Nickus und ein fliegender Blumentopf

Es war ein Tag wie jeder andere. Maximilian hatte es nach der Schule nicht eilig nach Hause zu kommen. Wie immer ging er mit seinen Freunden Boris, Esina und Gerald in den Park Fußball spielen. Wie immer begleitete ihn Boris nach Hause. Boris wohnte in der nächsten Straße. Wie immer blieben sie vor dem Haus, in dem Maximilian wohnte, stehen und verabredeten sich für den Nachmittag.

Frau Nickus wohnte im zweiten Stock. Maximilian lebte mit seinen Eltern in der Wohnung darüber. Maximilian traf Frau Nickus täglich in der Früh auf der Stiege, wenn er zur Schule ging.

Wenn er vor ihr dran war, rief er fröhlich: "Guten Morgen, Frau Nickus!" und sprang die Stiege hinunter.

Wenn er erst nach ihr aus der Wohnung kam, dann seufzte er: "Guten Morgen!"

Frau Nickus war beleibt und schnaufte beim Stiegensteigen. Sie füllte die Treppe ganz aus und Maximilian war ungeduldig, wenn er hinter ihr hertrotten mußte. Erst im Hausflur konnte er sie überholen.

"Auf Wiedersehen, Frau Nickus!" rief er und draußen war er beim Tor.

Maximilian hatte es immer eilig.

Frau Nickus hatte das schönste Blumenfenster in der ganzen Straße. Sie war sehr stolz darauf. Maximilian durfte ihre Blumen gießen, wenn sie auf Urlaub war. Zur Belohnung brachte sie ihm jedesmal ein kleines Geschenk mit. Maximilian mochte Frau Nickus.

Frau Nickus hatte Maximilian und Boris schon von weitem gesehen. Sie zupfte welke Blättchen von den Geranienstöcken auf ihrem Fensterbrett. Maximilian und Boris standen genau unter ihrem Fenster.

"Grüß dich, Maximilian", rief sie hinunter.
"Grüß Gott, Frau Nickus", dankte Maximilian.

Frau Nickus beugte sich ein wenig vor, um die beiden besser zu sehen.

"Schönes Wetter heute!" versuchte sie, ein Gespräch zu beginnen.
"Ja, Frau Nickus. Sehr schönes Wetter", antwortete Maximilian höflich.
"Tschüß! Also bis um vier", sagte Boris und wandte sich zum Gehen.

Frau Nickus beugte sich noch mehr aus dem Fenster. Sie hatte am vordersten Blumenstock eine welke Blüte entdeckt.

"Tschüß! Bis um vier", wiederholte Maximilian.

Frau Nickus mußte sich ganz weit aus dem Fenster beugen. Da geschah es. Sie stieß mit der Hand an den Blumentopf. Der Blumentopf kippte ein wenig.

"Mein Gott!" rief Frau Nickus und versuchte, den Topf festzuhalten.

Dabei stieß sie ihn erst recht vom Fensterbrett.

"Mein Gott!" rief sie nochmals.

Maximilian sah nach oben. Er sah eine Hand und den Blumentopf...

Es war zu spät. Der Blumentopf traf Maximilian genau an der Stirn.

Boris hatte den Ruf von Frau Nickus gehört und sich umgedreht. Maximilian lag auf dem Gehsteig. Daneben der zerbrochene Blumentopf.

Boris lief zu Maximilian und beugte sich über seinen Freund.

"Max!" rief er.

Maximilians Gesicht war mit Erde und Blumen bedeckt.

"Mein Gott, Maximilian!" rief Frau Nickus.

Boris blickte zu ihr hinauf.

"Max, sag doch was!" rief Boris und entfernte die Blumen von Maximilians Gesicht. Max rührte sich nicht.

"Hilfe!" rief Boris.

Maximilians Mutter hatte durch das offene Fenster die Rufe gehört und war ans Fenster gelaufen.

"Was ist los, Boris?" rief sie hinunter
"Hilfe! Hilfe! Max ist tot!" rief Boris.

Maximilians Mutter kam aus dem Haus gelaufen. Hinter ihr die atemlose Frau Nickus.

"So ein Unglück!" schnaufte Frau Nickus.
Maximilians Mutter beugte sich über ihren Sohn.

"Was ist passiert?" fragte sie.

"So ein Unglück! So ein Unglück!" wiederholte Frau Nickus nur und dabei rannen die Tränen über die Wangen.
"Max, so sag doch was!" rief Maximilians Mutter und hob vorsichtig seinen Kopf hoch.

Maximilian bewegte sich.

"Gottseidank! Er lebt!" rief Boris.

"Wir müssen die Rettung holen!" sagte Frau Nickus besorgt.

Maximilian öffnete die Augen.

"Bleib ganz ruhig liegen", mahnte ihn die Mutter und streichelte über seinen Kopf.
"Es tut mir ja so leid, Max", jammerte Frau Nickus. Und wieder rannen die Tränen über ihre runden Backen.

Maximilian schaute zu Frau Nickus und wollte sprechen.

"Wir werden gleich den Arzt anrufen, daß er sich deine Verletzung anschaut", sagte Maximilians Mutter.
"Ja, ich rufe den Arzt an", rief Frau Nickus und lief so schnell sie konnte ins Haus.
"Den Doktor Schneider!" rief ihr Maximilians Mutter noch nach.

Herr Walter, der Hausmeister, kam gelaufen. Er hatte im Garten gearbeitet und rieb sich die Hände an seiner blauen Schürze sauber.

"Frau Nickus hat mir gesagt, daß ein Unglück passiert ist!" sagte er.
"Frau Nickus hat Max einen Blumentopf auf den Kopf geworfen!" erzählte Boris.

Herr Walter kniete neben Maximilian und dessen Mutter nieder. Maximilian lag mit offenen Augen und mit offenem Mund da.

"Wir können ihn hier nicht liegen lassen", stellte der Hausmeister fest.

Er nahm Maximilian auf seine Arme und trug ihn ins Haus.
Frau Nickus kam gerade aus dem Tor und meldete: "Der Doktor kommt gleich!"

Maximilians Mutter eilte voran, dahinter der Hausmeister mit Maximilian, Frau Nickus keuchte hinterher. Boris hob Maximilians Schultasche auf und schloß sich an.

Im dritten Stock angekommen, legte Herr Winter Maximilian behutsam auf ein Sofa im Wohnzimmer.
Maximilian sagte noch immer nichts. Seine Mutter, Frau Nickus, der Hausmeister und Boris standen um das Sofa herum.

Es klingelte.

Maximilians Mutter lief zur Wohnungstür und kam gemeinsam mit Doktor Schneider zurück.

"Da haben wir ja unseren kleinen Patienten" sagte er und stellte seine große Arzttasche auf den Boden und öffnete sie.
"Frau Thaler, bringen Sie mir bitte eine Schüssel mit lauwarmem Wasser."

Doktor Schneider beugte sich über Maximilian und untersuchte sein Gesicht.

"Das wird eine schöne Beule", meinte er.

Maximilians Mutter kam mit einer Schüssel.
"Danke!" sagte Doktor Schneider und goß aus einer kleinen Flasche einige Tropfen in das Wasser. Er tauchte ein Tüchlein ein und tupfte damit die Erdreste von Maximilians Gesicht.
"Au!" stöhnte Maximilian.
"Na, wenigstens ist es keine offene Wunde!" stellte Doktor Schneider fest.
"Siehst du mich?" fragte Doktor Schneider.
Maximilian nickte.
"Wer ist aller im Zimmer?" fragte Doktor Schneider.
Maximilian hob ein wenig den Kopf und blickte sich um: "Mama und Frau Nickus, Boris, Sie", stellte er fest.
"Siehst du etwas doppelt?"
Maximilian schüttelte den Kopf.

Doktor Schneider holte eine Lampe aus seiner Tasche, leuchtete in Maximilians Augen und fragte:
"Hast du Kopfschmerzen? Ist dir schwindlig?"
Maximilian schüttelte nach einer Weile den Kopf.
"Hast Du ein flaues Gefühl im Magen? Mußt du erbrechen?"
Wieder verneinte Maximilian.
"Frau Thaler, es ist am besten, wenn er zwei, drei Tag im Bett liegen bleibt. Vielleicht hat er eine Gehirnerschütterung, aber das kann ich erst später feststellen. Ich komme heute am Abend noch einmal vorbei."

Doktor Schneider erhob sich und schloß seine Tasche.
"Frau Thaler, haben sie so Kühlpäckchen im Kühlschrank?"
"Ja", antwortete sie.
"Damit soll er sich die Beule kühlen. Er hat Glück gehabt! Es ist vermutlich nur eine kleine Gehirnerschütterung. Er muß aber auf jeden Fall noch im Bett bleiben."
"Es war Gottseidank nur ein kleiner Blumentopf", versicherte Frau Nickus im Hintergrund.

Doktor Schneider, Maximilians Mutter und Frau Nickus verließen das Wohnzimmer. Boris stand etwas unschlüssig herum.
"Da wird wohl nichts aus unserer Verabredung!"
Maximilian schüttelte den Kopf.
"Also Tschüß", sagte Boris. "Ich werde das gleich meinen Eltern erzählen."

Maximilian lag in seinem Zimmer, hielt sich ein Kühlpäckchen gegen die Stirn und starrte zur Zimmerdecke. Die Beule schmerzte ein wenig, aber die Kühle tat wohl.
Er hörte, wie seine Mutter den Vater im Büro anrief und von seinem Unfall berichtete.

Maximilian hatte Durst.

"Mama!" rief er.
Seine Mutter kam sofort und fragte: "Wie geht es dir!"
"Trinken, bitte", bat Maximilian.

Sie brachte ein Glas mit Limonade.

"Danke!" sagte Maximilian und trank.
"Hast du Hunger?" fragte seine Mutter.
"Nein, danke", antwortete er.
"Vielleicht schläfst du ein bißchen."

Frau Thaler zog die Rollos herunter.

"Der Doktor hat gesagt, daß es dir bald wieder besser gehen wird."

Sie verließ das Zimmer. Als sie nach einiger Zeit wieder vorbeischaute, war Maximilian eingeschlafen.

 


Die verkehrte Welt oder: Der verkehrte Maximilian

Als Maximilian erwachte, war es Abend geworden. Er hörte, daß sein Vater nach Hause gekommen war. Dieser saß mit seiner Mutter in der Küche. Sie sprachen miteinander. Maximilian konnte aber nicht verstehen, was sie redeten.

Maximilian wollte aufstehen. Er richtete sich mühsam auf. Alles drehte sich um ihn herum und der Kopf schmerzte. Er saß eine Weile am Bettrand und wartete, bis das Drehen nachgelassen hatte.

Als er aus dem Bett stieg und in seine Hausschuhe schlüpfte, drehte sich das Zimmer um ihn wie ein Karussell.

Maximilians Mutter kam ins Zimmer.

"Du sollst doch liegenbleiben, hat der Doktor gesagt!" mahnte sie.

Gehorsam ließ sich Maximilian wieder in sein Bett fallen.

"Hast du jetzt Hunger?" fragte sie.
"Mama, Durst nur habe ich", erwiderte Maximilian.
"Ich bringe dir noch eine Limonade, Maximilian?"

Sein Vater kam herein.

"Du machst ja schöne Sachen", sagte er.

Maximilian lächelte gequält und verspürte dabei wieder den stechenden Schmerz in der Stirn.

"Das ist ja eine tolle Beule, die du da hast", stellte sein Vater fest. "Der Doktor hat gesagt, daß du ein paar Tage im Bett bleiben mußt. Wie ich dich kenne, macht dir das ja nicht allzuviel aus."
"Papa, komisch so du redest wieso!" fragte Maximilian verwundert.

Der Vater schaute ihn auch verblüfft an: "Was sagst du? Komisch?"
"Komisch nicht rede ich!"
"Du redest doch komisch!" sagte der Vater.
"Immer wie rede ich!"
"Schon wieder. Es ist alles irgendwie verkehrt, was du sagst", stellte der Vater fest.
"Verkehrt ist nichts! So immer rede ich! Verkehrt redest du!"

Die Mutter brachte das Glas mit Limonade.

"Es klingt irgendwie geschraubt, was du sagst", bestätigte sie.
"Geschraubt ist nichts! So immer doch rede ich!"
"Wahrscheinlich ist in deinem Kopf etwas durcheinandergekommen", meinte die Mutter besorgt, "aber der Doktor schaut ja heute noch einmal vorbei.
"Mehr nichts gar ich sage jetzt!" antwortete Maximilian und nahm einen Schluck.
"Lassen wir ihn in Ruhe! Wenn du einen Blumentopf auf den Kopf bekommst, dann redest du sicher auch so!" sagte Frau Thaler zu ihrem Mann.

Maximilian war wieder allein.

Verkehrt? Komisch? So ein Unsinn. Die anderen reden so komisch. Es ist doch alles wie immer, nur daß der Kopf brummt und sich alles dreht, wenn man sich zu heftig bewegt.

"Komisch und verkehrt doch sind anderen die!" murmelte er.

Ein paar Tage im Bett läßt es sich schon aushalten. Boris kommt sicher einmal zu Besuch. Und wenn er es recht bedachte: wer von seinen Freunden hat schon einen Blumentopf auf den Kopf bekommen?

Es erfüllte ihn beinahe ein Gefühl von Stolz.

Verkehrt? Komisch?

Für ihn war es belustigend, daß jetzt alle auf einmal so komisch redeten. Er lächelte bei diesem Gedanken und verspürte wieder ein Ziehen in seiner Beule. Er tastete seinen Kopf ab.

So eine tolle Beule hat kein anderer.

Er stand langsam von seinem Bett auf und ging zum Spiegel. Das Karussell um ihn herum drehte sich jetzt schon langsamer.

Er hielt sich am Spiegeltisch fest und betrachtete beinahe wohlgefällig die Erhebung auf seiner Stirn.

Das sind gut fünf Zentimeter! Oder zumindest drei! Zwei aber ganz bestimmt!

"Normal ganz rede ich!" sagte er laut und legte sich wieder auf sein Bett.

Daß die anderen aber von ihm behaupten, daß er komisch redet...

Maximilian schaltete das Radio ein, das neben seinem Bett stand. Er schloß die Augen und hörte der Musik zu.

"Beim Gongschlag in fünf Sekunden ist es siebzehn Uhr!" sagte der Sprecher.
"Uhr siebzehn es ist Sekunden fünf in Gongschlag beim?" schreckte er auf. "Komisch so auch redet Sprecher der!"
"Sie hören die Nachrichten! Österreich: Die Regierung hat beschlossen, die Benzinsteuern im nächsten Jahr deutlich zu erhöhen. Diese Ökosteuer wird..."

Maximilian setzte sich auf. Er suchte einen anderen Sender.

Eine Sprecherin sagte:
"...aus wohlinformierten Kreisen hören, wird Königin Elisabeth die Zweite auch im nächsten Jahr nicht auf den Thron verzichten. Prinz Charles soll..."

"Genauso redet die! Geworden verrückt alle denn sind?"

Maximilian schaltete das Radio aus.

Haben die anderen doch recht? Wenn alle so reden... Maximilians Gedanken schlugen Purzelbäume. Aber das kann doch nicht sein... Er kann doch ganz normal denken und reden... Es ist in seinem Kopf doch alles wie immer...

"Gebrannt Lehm aus Form die steht Erden der in festgemauert!" rezitierte er. Das ist doch ganz normal und richtig!

Da schoß es ihm in den Kopf: Irgendwie drehen die anderen die Sätze um! Oder drehe ich sie um? Und wenn ich rede, dann rede ich verkehrt...

Und ich höre alles verkehrt... Oder nein: ich höre es normal, aber ich verstehe es verkehrt...


 

Die Gewißheit oder Gewißheit die

Maximilian schaltete noch einige Male das Radio ein. Immer dasselbe! Alle redeten verkehrt.

Maximilian war verwirrt und verzweifelt.

Es klingelte an der Wohnungstür. Maximilian hörte, wie seine Mutter öffnete und wie seine Eltern mit jemandem sprachen.

Es war Doktor Schneider. Dieser kam nach einer Weile mit seinen Eltern ins Zimmer. Maximilian tat so, als ob er schliefe. Er spürte, daß jemand an sein Bett trat.

"Es ist gut, wenn er schläft", sagte Doktor Schneider leise. "Hat Maximilian noch über etwas geklagt, Frau Thaler?"
"Nein!", antwortete die Mutter.
"Aber er redet so seltsam", konstatierte sein Vater.
"Er redet seltsam?" fragte Doktor Schneider.
"Es klingt irgendwie verkehrt", erklärte seine Mutter. "Maximilian behauptet aber, daß die anderen so komisch reden!"

Maximilian bewegte sich und tat so, als ob er gerade aufwachte.

"Na, wie geht es?", fragte Doktor Schneider.
Maximilian verstand: "Es geht wie, na." Er übersetzte sich diesen Satz und antwortete:
"Gut ganz wieder schon es geht mir."
"Sehen sie, Herr Doktor, das ist es was wir meinen", rief seine Mutter.
"Ja, ich höre es!" wandte sich Doktor Schneider wieder an Maximilian.
"Verstehst du, was wir reden?"
Maximilian nickte nach einer Weile, denn er mußte den Satz erst im Kopf umdrehen.
"Dann erzähl etwas!" schlug Doktor Schneider vor.
Maximilian überlegte und begann:
"Gefallen Kopf den auf Blumentopf ein mir ist heute. Beule eine ich habe seither. Komisch so reden alle. Verkehrt irgendwie Sprecher die reden Radio im auch. Soll denken ich was mehr nicht schon weiß ich."

Doktor Schneider schüttelte den Kopf.

"Was ist das?" drängte Frau Thaler.
"Tja...", zögerte Doktor Schneider, "ich bin kein Fachmann für ... solche Verletzungen. Da müssen sie mit Maximilian zu einem Facharzt gehen. Ich schreibe ihnen eine Überweisung. Er soll auf jeden Fall im Bett liegen bleiben."
"Glauben sie, daß es etwas Ernstes ist?" fragte die Mutter besorgt.
"Nein, Frau Thaler, machen sie sich keine Sorgen. Aber wir müssen herausfinden, was hinter ... dieser Sache steckt! Vielleicht ist es der Schock nach der Verletzung."

Doktor Schneider wandte sich wieder an Maximilian: "Du gehst morgen mit deinen Eltern zu einem Facharzt!"

Maximilian schaute ihn unsicher an.

"Facharzt morgen gehen", sagte Doktor Schneider betont langsam.
"Gehen Facharzt einem zu morgen soll ich!" nickte Maximilian.
"Genau", sagte Doktor Schneider, "untersuchen wird er. Schlafen jetzt."

"Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen machen", wandte sich Doktor Schneider wieder an Maximilians Eltern. "Es kommt sicher alles wieder in Ordnung. Und jetzt lassen wir ihn am besten allein. Er soll schlafen. Vielleicht gibt sich alles von selber."

Maximilian lag noch lange wach und es gingen ihm die seltsamsten Gedanken durch den Kopf. Er fand irgendwie Gefallen an der Sache. Er sagte sich kurze Sätze vor und drehte sie in Gedanken um. Wenn er sie dann aussprach, dann klangen sie für ihn verkehrt.

Es war eindeutig. Seit dem Blumentopf war alles verkehrt.


 

Bei Professor Freundlich: Ein komplizierter Fall

Als Maximilians Mutter am nächsten Morgen in sein Zimmer kam und die Rollos hochzog, war er schon eine geraume Zeit wach. Maximilian hatte versucht, sich auf das Kommende vorzubereiten. Er übte, wenigstens das "Morgen guten" vor dem Sprechen umzudrehen.

"Guten Morgen, Mutti", begrüßte er sie.
"Guten Morgen, Maximilian. Wie geht es dir denn heute?"
"Gut ganz schon es geht mir, danke, ", antwortete er.
"Der Facharzt wird sicher wissen, was man dagegen tun kann!"
"Lustig ganz es finde ich", entgegnete Maximilian.
"Auf die Dauer wirst du aber ... damit Probleme bekommen! Denk nur an die Schule!"
"Gedacht nicht gar noch ich habe daran!"
"Aber es wird alles gut werden!" tröstete ihn die Mutter.

Beim Frühstück mit seinen Eltern sprach Maximilian nur sehr wenig. Er versuchte, in kurzen Sätzen zu reden, doch es gelang ihm, höchstens zwei Wörter in die "richtige" Reihenfolge zu bringen. Das war für die Zuhörer aber noch verwirrender, denn die wußten nie, was nun verkehrt und was nun richtig war.

"Der Facharzt wird sicher eine Lösung finden", ermutigte ihn sein Vater. "Ich habe mir einen Urlaubstag genommen, um dich zu begleiten."

Im Wartezimmer des Arztes war Maximilian doch ein wenig mulmig zumute. An der Tür hatte er das Schild gelesen.

Prof. Dr. Werner Freundlich
Facharzt für Psychiatrie
und
Neurologie

Sein Vater konnte oder wollte ihm auch nicht erklären, was Psychiatrie und Neurologie ist. Sie nahmen im Wartezimmer Platz. Maximilian nahm ein Comic-Heft und versuchte ein wenig zu lesen.

"Verkehrt auch schreiben die!" stellte er fest und war wieder ein wenig mehr enttäuscht.

Die Sprechstundenhilfe rief Maximilian und seinen Vater auf und führte sie in das Zimmer des Professors.

Der Professor schüttelte beiden die Hand und erklärte:
"Doktor Schneider hat mich schon angerufen und mir von dem Fall berichtet."

"Jetzt ich bin Fall ein also", dachte Maximilian.

Professor Freundlich war ein kleiner rundlicher Mann mit einem Schnurrbart und einer großen Brille. Er trug keinen weißen Mantel, wie es Maximilian von einem Arzt erwartet hatte.

Maximilian war schon einige Male bei einem Arzt gewesen. Er stellte auch fest, daß es hier gar nicht so wie bei Ärzten roch. Das Zimmer sah auch eher aus wie das Büro seines Vaters. Nur ein Bett stand im Büro seines Vater nicht.

Professor Freundlich bat die beiden Platz zu nehmen.

"Du hast einen Blumenkasten auf deinen Kopf bekommen", wandte er sich an Maximilian.
"Blumentopf ein war es, Blumenkasten kein, nein!" antwortete Maximilian, nachdem er den Satz des Professor umgedreht hatte.

Professor Freundlich lächelte.

"Es ist doch hoffentlich nichts Schlimmes?" fragte Maximilians Vater.

Professor Freundlich nahm ein Diktiergerät und schaltete es ein.

"Du verstehst, was ich sage?" wandte er sich an Maximilian.
"Ungefähr ja", antwortete dieser.

Professor Freundlich überlegte.

"Hat sich noch etwas verändert?"

Maximilian zögerte.

"Wie geht es dir beim Zuhören?" fragte Professor Freundlich nach.
"Verkehrt reden alle!" antwortete Maximilian. "Ich kann umdrehen alles!"
"Ich verstehe. Du weißt, daß dich die anderen nur verstehen, wenn du verkehrt redest."

Maximilian nickte nach einer kleinen Pause, in der er den Satz umgedreht hatte.

"Wie ist es beim Lesen?" fragte Professor Freundlich.
"Verkehrt auch!" antwortete Maximilian.

Professor Freundlich nahm ein Buch aus einem Regal.
Er schlug eine Seite auf: "Lies vor! Oder besser: Vor lies!"
Maximilian las:
"Es lebte einmal ein kleines Gespenst. Dieses Gespenst wohnte in einer Schule. In der Nacht kroch es in die Bänke und brachte die Bücher und Hefte durcheinander. Tagsüber neckte es die Kinder. Wenn es eine Ansage gab, huschte es von einem Schüler zum anderen und vertauschte die Buchstaben. Die Kinder merkten es erst, wenn die Lehrerin mit der roten Tinte die vielen vertauschten Buchstaben ausbesserte. Die Kinder waren...

"Das genügt!" unterbrach ihn Professor Freundlich. "Hast du verstanden?"
"Ganz nicht", antwortete Maximilian.
"Und jetzt lies einmal jeden Satz von hinten nach vorne."

Maximilian begann abermals zu lesen:
"Gespenst kleines ein einmal lebte es. Schule einer in wohnte Gespenst dieses. Durcheinander Hefte und Bücher die brachte und Bänke die in es kroch Nacht der in. Buchstaben die vertauschte..."

"Jetzt verstehst du", fragte Professor Freundlich.
"Ja!" strahlte Maximilian.
"So ein Fall ist mir zwar noch nicht untergekommen, aber ich denke, wir werden eine Lösung für das Problem finden", wandte sich der Arzt an Maximilians Vater.

Professor Freundlich nahm einen Schreibblock und einen Bleistift und reichte ihn Maximilian.

"So, jetzt schreiben!"
"Schreiben ich soll was?" fragte dieser.
"Willst du was!" antwortete Professor Freundlich.

Maximilian überlegte kurz. Dann schrieb er:

"Problem ein habe ich. Verkehrt ist alles. Zurecht schon aber damit komme ich."

Maximilian reichte dem Professor den Block.

"Ja, das gleiche Phänomen!" stellte er fest. "Wie gesagt, ich habe so einen Fall auch noch nicht erlebt. Ich werde jetzt ein paar Tests mit dir machen. Vielleicht sehe ich dann mehr!"

Über eine Stunde lang mußte Maximilian Fragen beantworten. Er mußte Bilder beschreiben, die ihm der Professor zeigte. Er mußte versuchen, in Tintenklecksen sinnvolle Dinge zu erkennen. Allmählich machte es Maximilian Spaß.

Professor Freundlich versuchte, die Fragen verkehrt zu stellen. Und wenn Maximilian dann die Antwort in seinem Kopf umdrehte, dann klang es so, als ob der Professor einen Blumentopf auf den Kopf bekommen hätte und nicht Maximilian.

Als Maximilian mit seinem Vater nach Hause fuhr, stellte er stolz fest:
"Besonderes etwas bin ich, gesagt hat Professor der!"


In der Schule

Maximilian mußte noch zwei Tage im Bett liegen bleiben. Doktor Schneider kam jeden Tag und untersuchte seine Beule.

Schließlich stellte er fest: "Morgen kann er wieder in die Schule gehen!" und fügte gleich hinzu: "Gehen Schule in morgen", damit ihn auch Maximilian verstand.

Maximilians Klassenkameraden hatten von Boris erfahren, was geschehen war. Sie umringten Maximilian, als er in die Klasse kam.

"Sag was!"
"Ich möchte das auch hören!"
"Bist du wirklich verrückt?"

Maximilian genoß es, daß sich alle so für sein Erlebnis interessierten. Er gab ihnen bereitwillig Kostproben seiner neuen Fähigkeit. Besonderen Erfolg hatte er mit dem Aufsagen von Gedichten. Die Klassenkameraden bogen sich vor Lachen. Sie bemerkten gar nicht, daß der Lehrer schon in die Klasse gekommen war.

Erschrocken stürzten alle auf ihre Plätze.

"Es ist mir eine große Freude, dich wieder begrüßen zu dürfen!" sagte der Lehrer zu Maximilian.

"Am besten ist, wir schreiben gleich einen Aufsatz. Thema: Wenn Blumentöpfe durch die Gegend fliegen."

"Das ist eine Spezialität von Max!" rief Boris vorlaut und alle lachten.
"Müssen wir jetzt auch kehrvert schreiben?" fragte Gerald lachend.

"An die Arbeit!" mahnte der Lehrer.
Die Federn der Schüler kratzten hurtig über das Papier, nur hie und da kicherte einer.

Maximilian schrieb die Überschrift: "Fliegen Gegend die durch Blumentöpfe wenn."

Er begann, sein Erlebnis zu beschreiben. Natürlich verkehrt. Für ihn war es natürlich nicht verkehrt - im Gegenteil, alles andere war für ihn verkehrt.

Maximilian war in Deutsch eher ein durchschnittlicher Schüler. Aber das war sein Thema. Und Professor Wandervogel hatte gesagt, er soll sich nicht von den anderen verwirren lassen, sondern alles so tun, wie er es für richtig hält.

Als der Lehrer sich im Verlauf der Stunde über seine Schulter beugte, wurde ihm trotzdem heiß. Aber der Lehrer sagte nichts, sondern nickte nur kurz und wandte sich Maximilians Banknachbarn Boris zu.

Am Ende der Stunde schrieb Maximilian noch kurz entschlossen an den oberen Rand des Blattes: "Lesen verkehrt bitte Sätze die", und setzte drei Rufzeichen davor.

Am nächsten Schultag nach der großen Pause gab der Lehrer die Aufsätze zurück. Als er Maximilian seine Arbeit überreichte, sagte er bedeutungsvoll: "Das ist die beste Geschichte, die du je geschrieben hast."

Maximilian wurde ganz rot im Gesicht.

"Bitte lies einmal deinen Aufsatz vor!"

Maximilian räusperte sich und begann zu lesen. Er hatte schon Übung darin, die Sätze von hinten nach vorne zu lesen.
"Wenn Blumentöpfe durch die Gegend fliegen. Vor ein paar Tagen hatte ich ein seltsames Erlebnis. Ich stand vor unserem Haus, da..."

Bei dieser Methode verstand er zwar nur sehr schwer, was er las, doch dafür verstand die Klasse seinen Aufsatz.

Die Klasse hörte aufmerksam zu, nur bei der Beschreibung, wie er verkehrt zu sprechen versuchte, damit ihn die anderen verstünden, lachten alle. Diese Sätze hatte Maximilian in seinem Heft nämlich richtig geschrieben, er las sie aber jetzt verkehrt vor.

Oder war es umgekehrt?

Am Ende wußten der Lehrer und seine Mitschüler nicht mehr, ob sie verkehrt redeten oder Maximilian, oder ob sie richtig hörten oder Maximilian falsch las.

Die ersten Schultage nach seinem Unfall genoß Maximilian, denn er stand immer wieder im Mittelpunkt. Aber wie alles Ungewohnte und Neue nützte sich auch das Interesse an seiner ungewöhnlichen Fertigkeit nach einiger Zeit ab. Die Lehrer bemühten sich sehr, auf seine verkehrte Sichtweise - oder besser - Hörweise der Welt einzustellen.

 


Ein Wochenende bei Freunden

Jedes Wochenende fuhr Maximilian mit seinen Eltern ins Mühlviertel. Sie besaßen dort ein Wochenendhäuschen mit einem großen Garten. Maximilian war immer sehr traurig, wenn sich ein Wochenende dem Ende zuneigte und er wieder zurück in die Stadt und in die Schule mußte. Maximilian ging zwar gerne zur Schule, aber die war doch nicht mit der unendlichen Freiheit zu vergleichen, die er auf dem Lande genießen konnte.

An jedem Montag dachte er noch mit Wehmut an das vergangene Wochenende und es geschah häufig, daß ihn der Lehrer aus seinen Wochenendträumen wieder in den Schulalltag zurückholen mußte. Am Dienstag aber begann er sich schon zu freuen. Am Mittwoch dachte er: die Hälfte der Woche ist schon geschafft. Und am Donnerstag zählte er schon die Stunden, bis er zu seinen Eltern ins Auto steigen konnte, wenn es wieder aufs Land ging.

Er freute sich auf das Baumhaus, den nahen Wald und die Felsen, auf denen man so gut klettern konnte. Besonders aber freute er sich auf die Freunde, mit denen er zusammen sein konnte. Zwar waren es auch Mädchen, die er im allgemeinen für kindisch hielt, aber denen konnte er mit seinen Kunststücken immer imponieren. Und Maximilian war gerade in einem Alter, in denen das sehr wichtig war.

Als sich dieses Mal die Woche dem Ende zuneigte, wurde es ihm ein wenig mulmig in der Magengrube. Zwar hatten seine Klassenkameraden sehr hilfreich reagiert, aber was würden seine Wochenendfreunde sagen, wenn er so verkehrt daherredete? Er hatte zwar keine Angst, aber er hatte in den letzten Tagen erfahren, daß nicht alle Menschen Verständnis für seine "verkehrte" Lage hatten. So schwankten seine Gefühle zwischen Freude und Unsicherheit.

Es fiel auch seiner Mutter auf, daß Maximilian nicht so oft wie sonst vom Wochenende sprach.

"Fahren Mühlviertel ins nicht Wochenende diesem an wir sollten vielleicht", sagte seine Mutter.
"Warum?" erwiderte Maximilian?
"Unfalls deines wegen, na!"
"Besser wieder schon es geht mir", beteuerte Maximilian.

Er war froh, daß seine Mutter dieses Thema nicht mehr anschnitt. Und als am Freitag mittags der Vater von der Arbeit nach Hause kam, schleppte Maximilian gleich seinen Rücksack mit Spielsachen in die Garage und verstaute ihn im Kofferraum. Er redete die letzten Tage viel weniger als sonst, um seine Eltern nicht an seinen Unfall zu erinnern. Er seufzte erleichtert, als die Mutter wie an jedem Freitag die Kühltasche packte und den Vater bat, sie im Wagen zu verstauen.

In Freistadt angekommen stürmte Maximilian in den Garten.

"Auf aber paß," warnte ihn seine Mutter. "Schonen dich mußt du!"

Aber das hörte Maximilian schon gar nicht mehr, als er sich durch das Loch im Zaun zwängte und auf den nahen Wald zulief. Hinter dichtem Gebüsch war der Zugang zu seinem Baumhaus, das er im vorigen Frühjahr mit seinen Freunden gebaut hatte. Maximilian schob die Äste beiseite und zwängte sich in das Dickicht. Er tastete nach dem Ast, vom dem aus er den Baum hochklettern konnte. Maximilian war ein geübter Kletterer und bald saß er, wegen seiner Hast ein wenig außer Atem, geschützt im Baumhaus und blickte hinüber zu der Lichtung, über die seine Freunde kommen mußten.

Er war meistens der erste. Maximilian lauschte, ob seine Freunde schon kamen, aber er hörte nur das sanfte Rauschen in den Wipfeln über ihm und das Summen der Insekten. Es war wie an jedem Freitag. War es wirklich wie immer? Er dachte nach. Was würden seine Freunde sagen, wenn sie von seinem Unfall hörten? Würden sie über ihn lachen? Es war ja wirklich zu verrückt. Wie in den letzten Tagen öfters fragte er sich, ob er nicht alles nur träumte.

"Hallo, Max!" rief eine helle Knabenstimme.

Über seinen Gedanken hatte er nicht bemerkt, daß Felix schon den Baum hochkletterte. Maximilian sah den blonden Pagenkopf des Freundes unter sich. Keuchend erklomm dieser den Baum und ließ sich bald neben Maximilian nieder.

"Die Weiber kommen gleich! Wo ist die Munition?" fragte Felix.

Felix war meistens der zweite und sie pflegten mit Tannenzapfen nach den Mädchen zu werfen, wenn diese sich ihrem Baumhaus näherten. Sie hatten zwar nichts gegen Mädchen, aber ein Baumhaus war nur etwas für Buben und das mußte gegen weibliche Angreifer verteidigt werden.

Von ihrem Hochsitz aus sahen die beiden, wie zwei Mädchen lachend und kichernd über die Lichtung gelaufen kamen. Felix nahm einen Zapfen und schleuderte ihn hinüber.

"Daneben! Ätsch! Daneben!" rief Katharina.

Katharina war Felix' ältere Schwester.

"Komm Judith, hinter den Busch!"

Das zweite Mädchen huschte zu Katharina hinter einen Busch und rief: "Wir kommen gleich hinauf!"

Es war das gleiche Spiel wie an jedem Wochenende. Die Mädchen würden immer wieder versuchen, sich dem Baum mit dem Baumhaus zu nähern und Maximilian und Felix würden sie mit ihrer Tannenzapfenmunition abwehren. Dabei war es ein ungeschriebenes Gesetz, daß sich die Mädchen nach dem dritten Versuch schmollend zurückziehen: "Na dann eben nicht! Aber wenn ihr Hunger habt, dann braucht ihr gar nicht zu uns kommen!"

Dazu muß man wissen, daß Judiths Vater Bäcker in Freistadt war und er die besten Hot dogs weit und breit backte. Und Judith brachte immer welche zu ihren Wochenendspielen mit - genug, alle vom Spielen und der gesunden Luft hungrige Mägen zu stopfen. Die Buben mußten schließlich betteln kommen und erst nach langem Hin und Her bekamen sie ihren Anteil ab - auch das war ein Spiel.

Aber so weit war es noch nicht! Als sich die Mädchen lachend und spottend zurückgezogen hatten, saßen Felix und Maximilian lauschend in ihrem Baumhaus.

"Heute wird es ein Gewitter geben", begann Felix.

Maximilian nickte.

"Du bist heute so schweigsam? Hast etwas?"

Maximilian schüttelte den Kopf. Sie saßen eine Weile schweigsam nebeneinander und freuten sich, daß wieder einmal ein Wochenende ohne Schule und Hausaufgaben begonnen hatte.

"Wo Fritz nur bleibt!" versuchte es Felix erneut, ein Gespräch zu beginnen.

Maximilian aber schwieg. Die Bäume rauschten und die Vögel fütterten unter aufgeregtem Rufen ihre Jungen.

"Ich schau einmal, wo er bleibt", sagte Felix und kletterte vorsichtig aus dem Baumhaus. Maximilian blieb zurück. Bald war Felix im Unterholz verschwunden und Maximilian dachte nach. Vielleicht erinnerte er sich an den Unfall, vielleicht dachte er darüber nach, wie er es seinen Freunden beibringen sollte, daß er jetzt ein verkehrter Maximilian war.

"Hallo Max!" drang eine Stimme zu ihm herauf.

Es war Fritz, der den Baum keuchend und prustend hochkletterte. In seinem Schlepptau folgte Felix.

"Ich hab deine Mutter getroffen", begann Fritz, nachdem die beiden Buben noch schwer atmend neben Maximilian saßen. "Du hast einen Unfall gehabt?"

Maximilian nickte.

"Komm, erzähl!" drängte Felix.
"Das ach! Gefallen Kopf den auf Blumentopf ein ist mir!"
"Was ist gefallen?" fragte Fritz.
"Gefallen Kopf den auf Blumentopf ein ist mir!"
"Du redest aber komisch!" sagte Felix.
"Passiert es ist Woche vorige! Verkehrt alles ist seither!"
Fritz lachte.
"Er ist unter die Ausländer gegangen!"
"Lustig nicht gar ist das!"
"Entschuldige, ich hab's nicht so gemeint!"

Langsam und unter allerlei Mißverständnissen, über die er selbst lachen mußte, erzählte Maximilian seinen Freunden die ganze Geschichte. Nicht nur daß Felix und Fritz erst seine Sätze umdrehen mußten, auch Maximilian mußte ihre Fragen erst übersetzen.

Sie betasteten Maximilians Beule am Kopf.
"Gehabt Glück du hast da!" meinte Fritz und versuchte, sich auf Maximilians verkehrte Denkwelt einzustellen.

"Glück verdammtes!" pflichtete Felix bei.
"Das ist toll! Ach: Toll ist das!" meinte Fritz. "Da machen wir uns eine Geheimsprache draus! Weiber die werden wundern sich!"

Gemeinsam kletterten sie aus dem Baumhaus und machten sich auf die Suche nach den beiden Mädchen. Sie brauchten dabei nur ihrer Nase nachzugehen, denn die Hot dogs waren frisch aus der Backstube und verbreiteten ihren Duft in dem kleinen Wäldchen.

"Überfall ein ist das!" riefen die Buben, als sie das Versteck der Mädchen stürmten.

Wie gewöhnlich taten die Mädchen so, als ob sie überrascht worden wären. Sie hatten die drei Buben schon lange heranschleichen gehört. Aber sie spielten bei diesem allwöchentlichen Überfall mit, denn dieser Überfall war das Zeichen, daß ein Wochenende mit viel gemeinsamem Spaß begonnen hatte.

"Nein, ihr bekommt diesmal nichts! Wir dürfen wir ja auch nicht in euer Baumhaus!"
"Gewalt wir brauchen, willig nicht ihr seid!" drohten die Buben.
"Ihr spinnt!" meinte Judith.
"Ihr spinnt wirklich!" pflichtete ihre Freundin bei.
"Wie ihr immer spinnt!" betonte Judith.
"Spinnen wir nicht, spinnt ihr!" erwiderte Felix.
"Genau ganz!" stimmte Fritz zu.
"Kopf im richtig ganz nicht seid ihr!" stellte Katharina fest, die das Spiel der Buben durchschaute.

So ging es eine ganze Weile hin und her, bis alle zu lachen begannen.

"Wenn ihr Hot dogs wollt, dann hört jetzt damit auf. Man wird ja ganz konfus im Kopf", fordere Katharina die Buben auf.

"Ich kann ja aufhören und der Fritz auch, aber der Max muß dann verhungern", erwiderte Felix.
"Wieso verhungern?"
"Weil ... weil ...", prustete Felix, "weil der nicht anders reden kann!"
"Quatsch keinen Blödsinn! Es ist doch kein Problem, wieder normal zu reden! Alle können normal reden, wenn sie wollen", wandte sie ein, denn sie war die Älteste von allen und auch die Klügste, wie sie meinte.
"Problem ein schon das ist mich für!" sagte Maximilian.
"Verhungern mußt du", spottete Felix, der der Jüngste war.
Katharina schüttelte den Kopf. "Mit euch ist heute nichts anzufangen."
"Ich hör ja schon auf", sagte Felix, "aber der Max kann wirklich nicht anders!"
"Wieso kann er nicht anders?"
"Ihm ist ein Blumenbeet auf den Kopf gefallen!"
"Blumentopf ein," verbesserte Maximilian.
"Dir ist ein Blumentopf auf den Kopf gefallen?"

Maximilian nickte und erzählte abermals seine Geschichte, zum wievielten Mal wohl schon?

Schließlich wußten auch die Mädchen, was Maximilian alles widerfahren war. Und weil sie Spaß verstanden, vergaßen sie wie üblich die kriegerische Begrüßung durch die Buben und teilten die duftenden Hot dogs mit ihnen.

"Und was sagen deine Lehrer dazu?" fragte Katharina, die eine gute Schülerin war. "Bekommst du jetzt statt einem 'sehr gut' ein 'gut sehr'?"

"Nein", lachte Maximilian. "Alles verstehen sie! Vorübergehen wieder bald soll alles. Wenigstens ich hoffe!"

Wie jedes Wochenende, an dem man viel erlebt, ging auch dieses schnell vorbei. Dieses vielleicht sogar noch schneller als die anderen.

"Wiedersehen auf! Mal nächsten zum bis! Schon uns freuen wir!" riefen sie beim Abschied durcheinander.

Alle fuhren zurück in die Stadt und die Schule verschluckte sie und ihre Träume im Alltag.


 

Im Kaufhaus

Maximilians Eltern bemühten sich, Maximilian in seiner schwierigen Lage zu helfen. Wenn sie mit ihm sprachen, dann drehten sie die Sätze um. Besonders seiner Mutter gelang es bald, genauso zu sprechen wie er. Sie konnte es natürlich nicht so perfekt wie Maximilian, aber bei kurzen Sätzen gelang es ihr vollkommen.

"Einkaufen wir fahren heute", kündigte die Mutter an.
"Mich freue ich, fein!" rief Maximilian, denn er fuhr gerne einkaufen.
"Du brauchst neue Schuhe", sagte seine Mutter.

Die alten Schuhe drückten ihn seit geraumer Zeit. Sie sahen durch das Fußballspielen nach der Schule auch schon recht mitgenommen aus.

"Auto ferngesteuerte das auch dann ich bekomme?" fragte Maximilian.
"Sehen werden wir!" bremste die Mutter.
"Versprochen lange so schon mir es hast du!" bettelte Maximilian.
"Kaufen Kleid neues ein mir möchte ich", sagte die Mutter. "Haben Auto das du kannst, bleibt übrig Geld noch dann wenn...."

Sie fuhren in ein großes Kaufhaus mit vielen Stockwerken.
Sie mußten lange nach einer Verkäuferin suchen. Geduldig probierte Maximilian ein Paar nach dem anderen. Seine Mutter suchte elegante Schuhe aus, die Maximilian nicht so recht gefielen. Er schüttelte den Kopf.

"Die machen einen schönen Fuß!" stellte die Verkäuferin fest.
"Schuhe schöne sehr sind das", bestätigte die Mutter.
"Nicht mir gefallen die", protestierte Maximilian.
"Mokassins schwarzen die einmal probier dann", schlug seine Mutter vor.
"Tragen Klasse meiner in Kinder die sie wie, sein Sportschuhe so sollen es!" tat Maximilian seine Vorstellungen kund.

Er zeigte auf einen großen Berg von bunten Schuhen, die gerade im Sonderangebot waren:

"Solche tragen Kinder alle!"
"So immer doch du schwitzt denen in aber", entgegnete die Mutter.
"Probieren einmal mich sie laß", bat Maximilian.

Die Verkäuferin hatte verwundert gehört, wie Maximilian und seine Mutter sprachen. Sie dachte, daß die beiden Ausländer wären.

"Große Mode sein", sagte sie daher, "viele Kinder tragen! Aus Italien kommen"
"Gut also!" gab die Mutter nach. "Einmal sie probier."

Die Verkäuferin brachte einige Paare bunter Sportschuhe.

"Sehr sportlich sein. Auch billig!" stellte sie fest.
"Ich möchte die, ja!" war Maximilian begeistert und schlüpfte hinein.

Maximilians Mutter wandte sich an die Verkäuferin: "Halten die auch etwas aus?"
"Qualität gut! Nix durchgehen Wasser!" versicherte die Verkäuferin.
"Ja sag Mama, bitte!" bat Maximilian.

Die Mutter gab endlich nach.

"Du gleich anbehalten?" fragte die Verkäuferin.
"Anbehalten gleich!" bestätigte Maximilian.

Die Verkäuferin verpackte seine alten Schuhe in einer Schachtel.

"Viel billiger sein!" sagte die Verkäuferin, als Maximilians Mutter bezahlte.

Die Verkäuferin schenkte Maximilian einen großen Luftballon mit der Aufschrift: CUM A HIN.

"Auto das jetzt, bitte", bat Maximilian.
"Später!" antwortete die Mutter. "Kleid mein zuerst."

Maximilian wußte, daß seine Mutter immer sehr lange brauchte, bis sie etwas Passendes gefunden hatte.

"Voraus Spielwarenabteilung die in schon gehe ich!" schlug Maximilian vor.

Maximilians Mutter zögerte.

"Bitte, bitte!" drängte Maximilian.
"Schon geh! Schauen Augen den mit nur aber!" gab sie schließlich nach.

Maximilian fuhr mit der Rolltreppe in das nächste Stockwerk. Dort befand sich die Spielwarenabteilung, die er besonders liebte. Und dort war eine kleine Rennstrecke aufgebaut, auf der man mit ferngesteuerten Autos eine Probefahrt machen konnte.

Er hatte Glück, denn es drängten sich nicht wie sonst viele Kinder um die Rennbahn. Er nahm eine Fernsteuerung und stellte den Wagen an den Start.

Er gab gleich Vollgas und der Wagen sauste mit durchdrehenden Reifen los. In der ersten Kurve kam sein Wagen ins Schleudern. Wenn er nämlich nach links steuerte, drehte sich der Wagen in die andere Richtung.

Da schoß es Maximilian durch den Kopf: "Verkehrt nur nicht höre und rede ich, rechts und links auch vertausche ich sondern."

Er mußte sich daran gewöhnen, daß er den Wagen nach links lenken mußte, wenn eine Rechtskurve kam, und nach rechts, wenn der Wagen durch eine Linkskurve sauste.

"Machen wir ein Wettrennen?" fragte ein Bub, der hinter ihm stand und ihn beobachtet hatte.
"Gern ja", antwortete Maximilian, "Auto rote das du nimm, gelben dem mit fahre ich!"

Der Bub sah ihn verwundert an, setzte aber doch das gelbe Auto in die Spur.

Nebeneinander sausten die beiden Autos über die Bahn.

"Ich habe gewonnen", rief der Bub.
"Rennen ein noch wir machen?" fragte Maximilian.

Der Bub nickte und los gings. Dieses Mal fuhr Maximilians gelbes Auto als erstes über die Ziellinie.

"Gewonnen habe ich!" rief er jubelnd.
"Bist du ein Ausländer?" fragte der Bub.
"Nein", erwiderte Maximilian.
"Weil du so komisch redest."
"Gefallen Kopf den auf Blumentopf ein ist mir."

Der Bub sah ihn noch verwunderter an.

"Gefallen Kopf den auf Blumentopf ein ist mir", wiederholte Maximilian.
"Ach, wenn das so ist ...", staunte der Bub und verstand gar nichts.
"Ja! Das ist so! Gehen jetzt muß ich! Mutter meine kommt da. Servus!"

Maximilian lief zu seiner Mutter und der Bub blieb kopfschüttelnd zurück.

"Ein Blumentopf auf den Kopf gefallen ... Der spinnt wohl ein bißchen."

Aber das hörte Maximilian gar nicht mehr, denn er brannte darauf, endlich das ferngesteuerte Auto zu bekommen, das ihm seine Mutter versprochen hatte.


In der Turnstunde: Maximilian steht Kopf

Maximilian hatte am Anfang sehr viel Spaß mit seinen engsten Freunden und schon bald fiel keinem mehr seine verkehrte Sprechweise auf, ja, seine Freunde paßten sich so gut seinem Reden und Denken an, daß sie selber nicht mehr wußten, ob sie oder Maximilian verkehrt sprachen oder ob sie oder Maximilian verkehrt hörten.

Es geschah in einer Turnstunde. Maximilian war ein guter Turner. Er war der schnellste Kletterer an der Sprossenwand und am Tau, aber auch beim Geräteturnen und beim Bodenturnen war er einer der Gewandtesten.

Dieses Mal übte die Klasse den Kopfstand. Der Turnlehrer wußte, daß man den Schülern mit einem Wettbewerb besonders anspornen konnte.

"Heute wollen wir ausprobieren, wer den Handstand am längsten halten kann!" rief Professor Schweiger.

"Uije!" klagte Boris, der kein besonders geübter Turner war. "Da schießt mir das Blut immer in den Kopf!"
"Du kannst ja aufhören, wenn es dir zuviel wird", sagte der Lehrer.
Die Buben schleppten unter lautem Geschrei die schweren Matten in den Rand des Turnsaals und nahmen Aufstellung.

"Wenn ich pfeife, stoppe ich die Zeit!" sagte Professor Schweiger.
"Wenn ich aber nicht hoch komme?" jammerte Klaus, der der Schwerste in der Klasse war.
"Dann helfe ich dir", erwiderte der Lehrer.
"Alles bereit?"
"Ja!" riefen die Schüler, die der Ehrgeiz gepackt hatte.

Der Lehrer nahm die Pfeife in den Mund. Gleichzeitig mit dem Pfiff drückte er die große Stoppuhr, die an einem langen Band um seinen Hals hing. Die meisten Schüler knieten neben der Wand nieder, beugten sich vornüber, stützten sich mit den Händen ab und stützten sich mit den Füßen an der Wand ab.

"Ich komm nicht hoch", rief Klaus.
Professor Schweiger eilte hinzu und half Klaus in die Höhe, indem er ihn an den Beinen nahm und einfach auf den Kopf hinstellte.

"So, jetzt mußt du ihn nur noch halten!"

Der Lehrer ging von einem Schüler zum anderen und half mit, bis die ganze Klasse beinahe wie die Kerzen standen.

Nach einer halben Minute hörte man den ersten Plumps. Es war wie immer Klaus, der als erster aufgab und sich auf die Matte rollen ließ. Nach und nach verließen auch die anderen die Kräfte und das Gleichgewicht.

Nur noch Alfred, Boris und Maximilian hielten aus.

"Schon drei Minuten", verkündete der Lehrer. "Wer am längsten aushält, darf sich als Erster seine Mitspieler für die Völkerballmannschaft für unser abschließendes Match aussuchen!"

Boris fiel als nächster um.

"Drei Minuten fünfundzwanzig. Das ist eine gute Zeit, Boris", lobte der Lehrer.

Die Klasse versammelte sich im Halbrund um Maximilian und Alfred, um sie anzufeuern.

Maximilian schwankte ein wenig, aber er blinzelte zu seinem Gegner hinüber, der sich noch gut hielt, sodaß er die Zähne zusammenbiß und alle Kräfte zusammennahm.

"Gleich sind es fünf Minuten", verkündete Professor Schweiger.

Da knickten Alfred die Hände ein und er mußte sich trotz heftigen Sträubens mit dem Kopf abstützen.

"Hurra, ich habe gewonnen!" preßte Maximilian zwischen den Zähnen hervor.

"Bravo", sagte der Turnlehrer. "Glaubst du, daß du ihn noch länger halten kannst?"

"Ich werde es probieren! Ich werde es probieren!" preßte er hervor.

Schließlich mußte auch Maximilian aufgeben.

"Sechs Minuten und zwölf Sekunden! Das ist ein neuer Rekord für diese Klasse! Ein Applaus für unseren Besten!" forderte Professor Schweiger die Mitschüler auf.

In den Jubel um Maximilian hinein rief Boris: "Aber Max kann ja wieder normal reden!"

Das war im Eifer des Wettkampfes niemandem aufgefallen.

"Das ist ein Wunder", rief Peter ein wenig vorlaut.
"Normal wieder rede ich?" fragte Maximilian. "Nicht doch es gibt das!"

"Aber ja! Wie du den Kopfstand gemacht hast!" sagte Klaus.
"Aufgefallen nicht gar mir ist das", antwortete Maximilian verkehrt wie immer.

"Das müssen wir nochmals ausprobieren!" rief Professor Schweiger. "Probier noch einmal den Kopfstand!"

Maximilian machte unter dem gespannten Blick seiner Klassenkameraden nochmals einen Kopfstand.

"Jetzt sag was!" forderte ihn Boris auf.
"Was soll ich denn sagen?" antwortete Maximilian.
"Es funktioniert! Jetzt redest du wieder normal", bestätigte der Lehrer.
"Aber ich kann doch nicht die ganze Zeit Kopfstand machen, damit mich alle normal verstehen!"
"Allerdings", stimmte Professor Schweiger zu.

Maximilian beendete den Versuch.
"Nein! Nicht wirklich geht das!" resignierte er.
"Maximilian ist ein medizinische Wunder!" platzte Peter heraus.
"Ja! Ein Wunder! Aber jetzt Schluß damit! Wir wollen unser Völkerballspiel machen!"
"Ja, spielen wir", riefen alle durcheinander.

Maximilian durfte sich als erster seine Mannschaft zusammenstellen und es war kein Wunder, daß sie das Spiel gewannen, denn er hatte sich natürlich die Besten ausgesucht.

"Erzähl es deinen Eltern", forderte ihn Professor Schweiger am Ende der Turnstunde auf.
"Machen ich werde daß ja!" seufzte Maximilian. "Problems des Lösung keine ist das aber!"
"Da recht du hast", stimmte der Lehrer zu, der noch wenig Übung im Verkehrtsprechen hatte. "Lösung keine."

Beim nächsten Besuch bei Professor Freundlich berichtete Maximilian von seiner neuen Erfahrung mit dem Kopfstand. Da mußte Maximilian sogleich einen Kopfstand machen und sprechen. Tatsächlich, wenn Maximilian auf dem Kopf stand, dann redete er normal. Auch wenn ihm etwas vorgelesen wurde, verstand er es wie früher, wie vor dem Blumentopf.

Aber das war keine Lösung. Denn wie Maximilian richtig sagte: Ich kann doch nicht ewig auf Händen gehen, nur damit ich mit den anderen normal reden kann. Dann sehen mich die anderen erst recht als verkehrt an.

Der Professor war sehr erstaunt und hatte schon bald viele Erklärungen für das Phänomen gefunden, aber er mußte alle wieder verwerfen. Maximilian war und blieb ein Rätsel.

Es sei ein Glück, meinte Professor Freundlich am Ende der Untersuchung und um ihn zu trösten, daß er nicht auch die Worte verkehrt aussprach, sondern nur die Sätze. Unvorstellbar, wenn er etwa die Silben vertauschte, also seinen Namen etwa Anlimixima Lertha. Oder gar, wenn er seinen Namen "Nailimixam Relaht" oder "Relaht Nailimixam" sprechen oder schreiben müßte.

Aber das war nun wirklich kein Trost.


 

Hilfreiche Freunde und ein Plan

Maximilians Freunde hatten am Anfang noch über ihn gelacht und fanden es lustig und komisch. Aber bald erkannten sie, daß Maximilian sehr darunter litt, denn zwar war er im Kreis seiner Freunde akzeptiert und alle hatten sich schon daran gewöhnt, ja, sie hatten sogar Spaß an der ganzen Sache, aber immer wieder erfuhren sie von Problemen, die Max im Umgang mit anderen Menschen hatte. Menschen, die ihn nicht kannten und ihn einfach für verkehrt, wenn nicht gar für verrückt hielten.

Am schlimmsten war es, wenn diese Menschen glaubten, daß sie Maximilian zum Narren halten wollte. Maximilian vermied es daher, mit anderen Menschen als den ihm vertrauten zusammenzutreffen. Schließlich begann er sogar, sich vor seinen Freunden zurückzuziehen.

In den ersten Wochen nach dem Tag X, wie ihn Maximilian selber nannte, oder dem "Tag des Blumentopfes", wie ihn seine Freunde bezeichneten, war Maximilian das Hauptgesprächsthema. Er wurde eingeladen, sogar von Schulkameraden, die ihn vorher nicht einmal ignoriert hatten.

Aber er merkte bald, daß sie ihn wie eine Zirkusattraktion vorführen wollten. Sie meinten es sicher nicht böse, aber in einer kleinen Stadt wie jener, in der Maximilian wohnte, sprach sich alles schnell herum.

Maximilian hatte immer öfter das Gefühl, daß die Menschen sich nach ihm umdrehten oder die Köpfe zusammensteckten und sagten: Das ist der, der verkehrt redet! Wißt ihr, das ist der, dem ein Blumentopf auf den Kopf gefallen ist. Wahrscheinlich bildete er sich das auch nur ein, aber wer wollte ihm das verdenken?

Zwar gefiel es ihm manchmal und er genoß es, im Mittelpunkt zu stehen, aber wie ein kariertes Zebra angestarrt zu werden oder wie ein Zwergelefant bestaunt zu werden, das war seine Sache nicht. Zumindest nicht auf Dauer.

Zu seinem Glück hatte aber Maximilian auch Freunde wie Boris oder Alexander, die sich bemühten, ihn ganz normal zu behandeln. Sie versuchten selber, einfache Sätze verkehrt zu sprechen und wenn sie mit Maximilian redeten, dann benutzten sie so kurze Sätze wie möglich. Maximilian spürte, daß die beiden ihm helfen wollten, aber er fühlte auch das Mitleid, das sie mit ihm hatten. Und das ertrug Maximilian nicht, denn er wollte einfach ein Freund sein und nicht bemitleidet werden. Es konnte einfach nicht so sein wie früher. Da konnten sich alle noch so sehr bemühen.

Auch seine Lehrer bemühten sich, auf seine schwierige Lage einzugehen und ihm den Schulalltag so leicht wie möglich zu machen. Professor Schweiger, der Turnlehrer, überlegte in seiner Freizeit sogar, einen verkehrten Sessel zu konstruieren, in dem Maximilian mit dem Kopf nach unten hängen könnte, um "wie ein normaler Schüler" dem Unterricht folgen zu können.

Als eines Tages Boris und Alexander sich nach einem Besuch bei Maximilian verabschiedet hatten, blieben sie an der nächsten Straßenecke stehen.

"Es muß etwas geschehen, Boris", sagte Alexander.
"Aber was?" erwiderte Boris.
"Es muß doch eine Möglichkeit geben, dem armen Teufel zu helfen."
"Aber wie?"

Ratlos standen die beiden noch einige Zeit nebeneinander, dann gingen sie nach einem kurzen Gruß langsam auseinander.

"Ich hab's!" rief Boris, machte kehrt und lief Alexander hinterher.
"Ich hab's!" wiederholte er, als er seinen Freund eingeholt hatte.
"Was hast du?" fragte dieser überrascht.
"Ich hab die Lösung!"
"Welche Lösung?"
"Na, wie Maximilian wieder normal wird."
"Wir schenken ihm ein Tonbandgerät, mit dem kann er alles aufnehmen, was die anderen sagen oder was er sagt und braucht es dann nur verkehrt abspielen, damit ihn die anderen verstehen!"
"Das ist keine sehr gute Idee", widersprach Alexander.
"Wieso?"
"Weil dann auch ... die Wörter ... selber ... ganz verkehrt sind - ich hab das schon einmal gehört ... und außerdem gibt es keine normalen Tonbandgeräte, mit denen man etwas verkehrt abspielen kann."
"Du hast recht", erinnerte sich Boris, "ich hab das auch schon gehört ..."

Noch ratloser standen die beiden Freunde beisammen und grußlos gingen sie ihrer Wege.

Beide lagen an diesem Tag vor dem Einschlafen lange in ihren Betten wach und überlegten, was sie tun könnten, um Maximilian zu helfen.

"Vielleicht ist die Idee von Professor Schweiger doch nicht so schlecht ...", überlegte Boris.
"Vielleicht könnte man mit einem Spiegel für Max alles umdrehen ..." dachte Alexander.
Vielleicht könnte man ein neues Hörgerät bauen, das alles verkehrt ..."

Vielleicht ... vielleicht ... vielleicht ...
Es war keine Lösung in Sicht. Irgendwann schliefen die beiden ein und träumten verkehrte Träume, träumten von technischen Gerätschaften und von fliegenden Blumentöpfen ...
Alexander wachte plötzlich auf. "Fliegende Blumentöpfe!" schoß es ihm durch den Kopf. "Das ist es. ja, das ist es."

Er erinnerte sich daran, daß seine Mutter ihm einmal von Medikamenten erzählt hatte, homatischen, möpatischen oder so ähnlich hießen die. Die funktionieren dadurch, daß sie das auslösen, wogegen sie eingesetzt werden. Wenn man von einer Biene gestochen wird, dann schluckt man ein wenig Bienengift und schon hört der Schmerz auf. Das hatte er schon selber erlebt. Boris erinnerte sich auch an Onkel Hans, der immer mit einem Hammer auf die Wasserpumpe schlug, damit sie wieder in Gang käme.

Das müßte doch auch bei Maximilian funktionieren. Einfach noch einen Blumentopf auf den Kopf schmeißen, natürlich nicht ganz so fest wie beim Unfall, dann würde sich im Kopf von Maximilian wieder alles umdrehen, dann würde wieder alles so wie früher!

Boris war ganz aufgeregt. Am liebsten wäre er aufgestanden, um Alexander anzurufen und seine Idee zu erzählen. Aber es war schon weit nach Mitternacht und außerdem müßte alles genau geplant werden. Boris fiel in einen unruhigen Schlaf, in dem die Blumentöpfe nur so durch die Gegend flogen.

Am nächsten Morgen lief er gleich nach dem Frühstück, das er rasch hinunterschlang, zu Alexander.

"Ich hab's!" rief er.
"Was hast du?" erwiderte sein Freund.
"Na, die Lösung! Wir schmeißen Maximilian noch einmal einen Blumentopf auf den Kopf ..."
"Spinnst du?" schüttelte Alexander den Kopf.
"Nein, nein," widersprach Boris und erzählte seinem skeptischen Freund, was er sich in der letzten Nacht sich ausgedacht hatte.

Der schüttelte anfangs den Kopf, sagte dann aber:

"Ich habe auch von diesen Medikamenten gehört, aber die heißen homöopathisch. Wenn ich Schnupfen habe und die Nase rinnt, dann muß ich auch immer Kügelchen mit Zwiebeln schlucken."
"Genau, das meine ich!" bestätigte Boris begeistert.
"Aber das müssen wir gut vorbereiten!"
"Maximilian darf von unserem Plan aber nichts erfahren!"
"Auf keinen Fall!"

Als die beiden Freunde Maximilian auf dem Schulweg trafen, warfen sie sich bedeutungsschwere Blicke zu. Maximilian merkte bald, daß seine Freunde irgendein Geheimnis hatten, aber er dachte, daß auch seine besten Freunde sich jetzt von ihm abwandten und ihn für verrückt hielten.

Er war darüber traurig, aber in seiner Lage war er zu sehr damit beschäftigt, den Unfall und seine Folgen zu verdauen, daß er nur insgeheim den Kopf schüttelte und dachte: "Verdenken nicht ihnen es kann ich. Geworden verrückt wirklich ich bin vielleicht!"


Maximilian nimmt sein Schicksal in die eigenen Hände

Allmählich kehrte in Maximilians Umgebung der Alltag ein. Maximilian gelang es immer besser, die anderen zu verstehen und alles, was sie sagten, sogleich im Kopf umzudrehen. Nur beim Sprechen hatte er weiter große Probleme.

Es war, als ob die Wörter in seinem Kopf wie mit Gummibändern aneinander gefesselt wären und sich dagegen sträubten, ihren Platz zu verlassen. Immer wenn er versuchte, die Reihenfolge der Wörter zu vertauschen, wurden sie an ihren alten Platz zurückgezogen.

So sehr er sich bemühte, er konnte höchstens zwei oder drei Wörter verkehrt sagen. Aber das verwirrte die anderen mehr als es ihnen half, denn man erwartete von ihm, daß er verkehrt redete und wenn er dann doch einen "richtigen" Satz herausbrachte, dann drehten die Zuhörer den Satz um und dann war er doch wieder verkehrt.

Er mußte einmal in der Woche zu Professor Freundlich, der mit ihm die verschiedensten Übungen machte Er mußte lesen, schreiben, Zeichnungen anfertigen. Vor allem aber ermutigte ihn der Professor dazu, sein Mißgeschick zu akzeptieren und nicht dagegen anzukämpfen. Wie gesagt, es gibt einfach Dinge zwischen Himmel und Erde, die man nicht so einfach erklären kann. Und vielleicht würde eines Tages alles wieder so wie früher. Er müßte nur Geduld haben.

"Man muß nur daran glauben, fest daran glauben", sagte Professor Freundlich.
"Abwarten und Tee trinken," sagte Maximilians Großmutter.
"Es wird sicher alles wieder gut!" tröstete ihn seine Mutter.
"Man muß das Schicksal in seine eigenen Hände nehmen!" ermutigte ihn sein Vater.

Maximilian zog sich immer mehr zurück und das konnte man ihm nicht verdenken.

"Ich muß etwas tun!" sagte er zu sich selber. "Ich muß etwas tun!"

Jeden Tag, wenn er von der Schule nach Haus gekommen war, erledigte er seine Hausaufgaben, die ihm trotz der verkehrten Aufgaben immer besser von der Hand gingen. Dann nahm er ein Buch und las daraus Sätze verkehrt vor. Er begann, zwei oder drei Seiten auswendig zu lernen und sie verkehrt aufzusagen. Er übte wie ein Besessener und seine Mutter machte sich schon Sorgen, daß er nicht wie früher stundenlang vor dem Fernseher saß oder mit seinen Freunden spielen ging.

"Die werden staunen!" dachte er. "Staunen werden die!
Die werden ihr Wunder erleben! Erleben Wunder ihr werden die."

Er drehte in Gedanken immer längere Sätze um, sogar Gedichte, die er früher nur unter großen Mühen und mit wenig Freude gelernt hatte, konnte er jetzt schon perfekt und "richtig" aufsagen, auch wenn sie für ihn selber natürlich noch immer verkehrt waren.

"An meinem nächsten Geburtstag werde ich alle damit überraschen. Überraschen damit alle ich werde Geburtstag nächsten meinem an!"

Schon zwei Wochen vor seinem Geburtstag malte und schrieb er die Einladungen.

"Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr am 23. April zu mir kommt und mit mir meinen Geburtstag feiert", schrieb er. Verkehrt natürlich. Denn es sollte ja keiner seiner Freunde etwas von seinem Plan ahnen. Die Überraschung würde perfekt sein.

Als Maximilian in einer Unterrichtspause Boris und Alexander die Einladungen überreichte, konnte er es sich nicht verkneifen, ihnen eine "Super-Überraschung" anzukündigen.

Maximilian machte sich nun bei den Begegnungen mit den Freunden nicht mehr die Mühe, seine verkehrten Gedanken umzudrehen, damit sie ihn verstünden. Vielmehr betonte er besonders, daß er verkehrt redete. Das führte zwar dazu, daß sie die Hoffnungslosigkeit seines Falles umso deutlicher erkannten, aber umso größer würde dann die Überraschung sein, die er heimlich für sie vorbereitet hatte.

"Du Boris," sagte Alexander, "die Geburtstagsfeier ist eine gute Gelegenheit für unsere Heilung!"
"Genau, das wird Maximilian bestimmt doppelt freuen, wenn wir ihm gerade an seinem Geburtstag wieder normal machen."
"Und da fällt es auch keinem auf, wenn wir mit einem Blumentopf auftauchen!" betonte Alexander.
"Tarnung ist alles!" sagte Boris.

Maximilian merkte, daß Boris und Alexander in den Tagen vor seinem Geburtstag heimlich die Köpfe zusammensteckten, aber er fühlte sich nicht mehr so ausgeschlossen, denn er wußte ja: Ab seinem Geburtstag würde sein Leben wieder normal werden, da würde aus einem verkehrten Maximilian wieder der normale werden.

Maximilians Mutter war zwar erstaunt, daß er dieses Jahr zu seinem Geburtstag die ganze Klasse eingeladen hatte, aber sie akzeptierte seufzend die aufwendige Vorbereitungsarbeit, denn sie wollte ja, daß Maximilian wieder mehr "unter die Leute" ging, sich nicht mehr so abkapselte. Denn das hatte ihr in den letzten Wochen am meisten Sorge bereitet.


Die Geburtstagsfeier und noch ein fliegender Blumentopf

Endlich war es so weit. Die Lampions waren aufgehängt, die Kuchen gebacken, die Getränke gekühlt. Maximilian hatte dieses Mal fleißig mitgeholfen, die Wohnung "feiergerecht" vorzubereiten.

Als die ersten Kinder an der Wohnungstür klingelten, lief ihnen Maximilian entgegen und rief: "Euch grüß! Herein kommt! Kuchen tollen einen gibt es! Tiramisu leckeres ein auch!"

Boris und Alexander kamen zuletzt. Sie hatten den Blumenstock, den sie von ihrem Taschengeld gekauft hatten, ein paarmal in Seidenpapier gewickelt, denn es sollte ja nicht allzu weh tun! Sie stellten den Blumentopf im Vorzimmer in eine Ecke, denn sie wollten einen günstigen Zeitpunkt abwarten, ihren Plan auszuführen.

Der Kindernachmittag verlief unter Spielen, Plaudern und Herumtollen wie im Flug. Da das Wetter mitspielte, zog die ganze Schar bald in den großen Hof, wo die Buben sogar Fußballspielen konnten. Maximilians Mutter war das ganz recht, denn in der Wohnung waren über zwanzig Kinder das reinste Chaos. Sie mußte nach einem umgestürzten Becher aufwischen oder Kuchenreste vom Teppichboden entfernen, für Kuchennachschub sorgen und neugierige Kinder davon abhalten, das elterliche Schlafzimmer in einen Polsterschlachtkampfplatz zu verwandeln.

"Jetzt ist eine gute Gelegenheit", dachte Maximilian und holte aus dem Schuppen einen alten Tisch, den er unter dem Balkon der elterlichen Wohnung aufstellte.

"Herhören einmal alle!" rief er und kletterte auf den Tisch. "Euch für Überraschung eine habe ich!"

Es dauerte eine Weile, bis alle Kinder sich um den Tisch versammelt hatten.

"Boris und Alexander, ihr seid wo?" blickte er sich suchend um.

Die beiden waren in die Wohnung zurückgelaufen und holten den Blumentopf aus dem Versteck. Sie liefen auf den Balkon, unter dem Maximilian auf dem Tisch stand und wartete, bis alle um ihn herumstanden.

"Jetzt!" sagte Alexander.

Boris beugte sich weit über das stählerne Geländer und ließ den Blumentopf fallen.

"Liebe Freunde! Ich habe eine Überraschung ..."

Maximilian konnte den begonnenen Satz nicht zu Ende sprechen, denn in diesem Augenblick traf ihn der Blumentopf.

Ein Volltreffer.

Boris hatte gut gezielt. Maximilian sackte lautlos zusammen.

Ein vielstimmiges Geschrei begleitete den Tumult, der nun entstand.

"Seid ihr verrückt!"
"Boris, spinnst du?"

Alle riefen durcheinander und beugten sich über Boris, der glücklicherweise nicht vom Tisch gefallen war, denn Peter hatte ihn aufgefangen und auf den Steinboden gelegt.

Maximilians Mutter kam auf den Balkon gestürzt. Sie sah, daß Maximilian regungslos auf dem Boden lag. Sie lief sofort durch die Wohnung und über die Stiegen in den Hof und beugte sich über ihren Sohn.

Dieser schlug gerade die Augen auf.
"Gottseidank! Was ist denn passiert?"

Die Augen aller richteten sich auf Boris und Alexander, die gerade durch die Hoftüre kamen.

"Der Boris hat dem Max etwas auf den Kopf geschmissen!" rief ein Mädchen.
"Ja bist du denn verrückt geworden, Boris", schimpfte Maximilians Mutter.

"Ich ... wir haben ihm doch nur helfen wollen", stotterte Boris.
"Jetzt wird alles wieder gut!" unterstützte Alexander seinen Freund.
"Wir haben den Blumentopf auch besonders gut eingewickelt, damit es nicht allzu weh tut!"
"Besonders gut eingewickelt", bestätigte Alexander.
"Sag doch was, Max", forderte Boris Maximilian auf. "Jetzt kannst du bestimmt wieder normal reden!"

Maximilian hatte alles noch nicht so richtig mitbekommen und versuchte seine Gedanken zu ordnen.

"Euch für Überraschung eine habe ich! Sprechen normal wieder ich kann heute ab" sagte er langsam, die ersten Sätze seiner geplanten Rede wiederholend.
"Na Gottseidank, es ist alles in Ordnung!" sagte Maximilians Mutter erleichtert.

"Ordnung in alles ist es!" wiederholte Maximilian.
"Es hat nicht geklappt", flüsterte Boris zu Alexander.
"Geklappt nicht hat was?" fragte Maximilian.
"Wir wollten dir helfen, wieder normal zu reden!"
"Wir haben geglaubt, daß ein zweiter Blumentopf wieder alles in Ordnung bringt!"

Maximilian wurde schwarz vor den Augen.

Alles war umsonst, dachte er. Die Tränen stiegen ihm in die Augen.

"Weh dir es tut?" fragte seine Mutter.

Maximilian verstand nicht sogleich, denn der Satz seiner Mutter war für ihn verkehrt. Schon wieder verkehrt oder noch immer verkehrt? Maximilian wußte nicht mehr, was er denken sollte. Verkehrt war doch nicht verkehrt, oder war nicht verkehrt jetzt wieder verkehrt?

Boris hatte inzwischen den Blumentopf aus dem Seidenpapier ausgewickelt und überreichte ihn Maximilian, der sich inzwischen aufgerichtet hatte. Der Topf hatte nur einen leichten Sprung und die Erde war herausgefallen.

"Geburtstag zum Gute alles!" sagte er kleinlaut. "Leid uns tut es! Helfen nur wirklich dir wollten wir!"

"Danke! Gesagt nichts mir ihr habt warum?"
"Sein Überraschung eine doch sollte es!" erwiderte Boris.
"Funktioniert nicht bestimmt es hätte dann!" fügte Alexander hinzu.

Maximilian hielt sich die Ohren zu.

"Ich glaube, es ist besser, ihr geht jetzt nach Hause!" sagte die Mutter zu den Kindern.

"Nochmals alles Gute!" sagten einige.
"Besserung baldige!" die anderen.
"Sein denn es sollte Überraschung eine für was?" fragte Peter.

Maximilian schüttelt nur den Kopf.

Als seine Mutter nach der mißglückten Geburtstagsfeier die Wohnung aufräumte, sah sie ein paarmal in Maximilians Zimmer. Der lag mit offenen Augen auf seinem Bett und starrte an die Zimmerdecke.

"Erfahrung schon ja du hast Blumentöpfen mit!" ermutigte sie ihn.

Aber Maximilian hörte gar nichts, wollte nichts mehr hören. Jetzt begann alles wieder von vorne! Es war zum Heulen. "Erschüttern nichts kann Indianer einen!" dachte er dann trotzig. "Blumentopf ein einmal nicht! Nicht gar schon Blumentopf ein!"


Wie die Geschichte weitergegangen ist, wie die Geschichte weitergegangen sein könnte ...

Die Geschichte ist natürlich noch nicht zu Ende. Ich habe lange überlegt, ob ich sie weitererzählen soll. Aber dann habe ich mir gedacht, vielleicht fällt dir selber ein Schluß ein.

Vielleicht kam doch der Tag, an dem für Maximilian alles wieder ganz normal war. An dem er wie alle anderen redete und alle anderen ihn wieder verstanden.

Vielleicht hat sich auch die Welt umgedreht und Maximilian konnte sich mit seinen verkehrten Gedanken in ihr zurechtfinden wie zuvor.

Vielleicht hat er gelernt, das normale und das verkehrte gleichermaßen zu verstehen. So wie jedes Ding zwei Seiten hat und es durchaus nicht schaden kann, einmal alles umzudrehen.

Vielleicht hat er auch gelernt, daß vieles in der Welt verkehrt ist und es immer wieder notwendig ist, manches auf den Kopf zu stellen. Oder sich selber auf den Kopf zu stellen, damit alles wieder aufrecht ist.

Vielleicht hat er verstanden, daß es Boris und Alexander ja nur gut mit ihm gemeint haben. Und daß auch das verkehrt sein kann, wenn etwas im verkehrten Augenblick geschieht.

Vielleicht ... vielleicht ... vielleicht ...

Ist ausgegangen Geschichte die wie, besten am ihr wißt bestimmt.

 

Die Geschichte ohne die Leselinien: "Der verkehrte Maximilian"


©opyright Linz 1996 Werner Stangl