DER STANDARD, 17. November 1999



OBERÖSTERREICH

Eklat um Jugendbericht

Kinder- und Jugendanwältin fordert Senkung des Schutzalters für Homosexuelle


STANDARD-Mitarbeiterin Lisa Nimmervoll

Linz - Zu einem Politikum wurde der Tätigkeitsbericht der oberösterreichischen Kinder- und Jugendanwältin für das Jahr 1998. Stein des Anstoßes für VP und FP ist ein in den Bericht integrierter Forderungskatalog der Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs. In diesem wird die Aufnahme der UN-Kinderrechtskonvention sowohl in die Bundes- als auch in die Landes-Verfassungen, die Abschaffung der Schubhaft für minderjährige Flüchtlinge und auch die Senkung des Schutzalters für homosexuelle männliche Jugendliche von derzeit 18 auf 16 Jahre (wie bei Mädchen) verlangt.

Im Sozialausschuss des oberösterreichischen Landtages sorgte die Diskussion des Berichts von Jugendanwältin Claudia Stangl-Taller für gehörigen Wirbel. Einmütig haben VP und FP angesichts der Schutzalter-Forderung Stangl-Taller empfohlen, den inkriminierten Teil "umzuarbeiten und diese Forderung aus dem eigentlichen Arbeitsbericht zu streichen", so ÖVP-Klubobmann Josef Stockinger, anderenfalls werde der Bericht vom Landtag nicht zur Kenntnis genommen. "Die Kinderanwaltschaft soll die Rechte der Kinder und Jugendlichen schützen. Die Forderung, homosexuelle Kontakte mit Jugendlichen straffrei zu stellen, sind keinesfalls Aufgabe der Kinderanwältin", meinte Stockinger, dem sich die Freiheitlichen anschlossen.

Der Sprecher der Hosi-Linz, Rainer Bartel, kritisierte die VP-FP-Forderung nach einem entschärften Bericht "als Affront gegen unabhängige ExpertInnen. Notwendiger Jugendschutz wird mit dem diskriminierenden, menschenrechtswidrigen Sonder-Mindestalter für schwule Sexualität unseriös vermischt."

Für Doris Eisenriegler von den Grünen stellt dieser "demokratiepolitische Maulkorb an die weisungsfreie Jugendanwältin Zensur dar". Die Vorsitzende des Sozialausschusses, Gertrude Schrei- berhuber (SP), sieht Anzeichen einer "Rechtskoalition, die mittels politischer Mehrheit die Jugendanwältin parteipolitisch disziplinieren will". Stangl-Taller wollte aufgrund der vertraulichen Ausschusssitzung nicht Stellung nehmen.


© DER STANDARD, 17. November 1999