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Arbeitsverhalten in Begabtenklassen

Die Vorstellung, dass Hochbegabte wesentlich bessere Schulleistungen zeigen als ihre MitschülerInnen, ist unter Lehrkräften weit verbreitet. Als hochbegab“ betrachtet zu werden, ist gleichzeitig auch oft mit ungünstigen emotionalen Komplikationen assoziiert. Manche jungen Menschen entscheiden sich dafür, die Anforderungen, die dieses Etikett mit sich brachte, zu erfüllen, andere haben das Gefühl, den Erwartungen nicht gerecht werden zu können, und wählen, um zu glänzen, eine Karriere, die weit unter ihren Möglichkeiten liegt. Andere wieder ignorieren ihr Potenzial einfach, um sich an ihre heimische Kultur anzupassen, in der es für Hochbegabte keinen Platz gibt. Die Hochbegabten, die nicht als solche etikettiert werden, haben es offensichtlich leichter, denn sie werden auch eher als menschliche Wesen wahrgenommen und nicht nur als Lernmaschinen (vgl. Freeman, 2005).

Diese vorliegende Untersuchung sollte zeigen, ob sich das Arbeitsverhalten von Schülerinnen und Schüler aus gymnasialen Begabtenklassen im Unterricht von Schülerinnen und Schülern aus normalen Gymnasialklassen unterscheidet. Die Ergebnisse zeigen, dass es keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Merkmale Aufmerksamkeit, Störverhalten und Mitarbeit gab. Jedoch konnte festgestellt werden, dass Schülerinnen und Schüler der Begabtenklassen den Unterricht weniger oft störten als Schülerinnen und Schüler der regulären Gymnasialklassen.

 

Bis jetzt gibt es noch kaum empirische Untersuchungen zum Arbeitsverhalten hochbegabter Schülerinnen und Schüler. Einzig eine Studie von Perleth und Sierwald (1992) zeigte, dass es kaum Unterschiede im Arbeitsverhalten zwischen hochbegabten Schülerinnen und Schülern und normalen Schülerinnen und Schülern gab.

Ziel dieser Untersuchung war, das Arbeitsverhalten von Schülerinnen und Schülern aus hochbegabten Klassen im Unterricht mittels eines standardisierten Beobachtungsbogens zu untersuchen. Um das Arbeitsverhalten im Unterricht beobachten zu können, wurden als Merkmale Aufmerksamkeit, Mitarbeit und Störverhalten festgelegt.

Seit 2001 führt das Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg einen Modellversuch zur Förderung besonders Begabter durch. Dies wird zum Beispiel durch die Erweiterung des Lehrstoffes und durch Differenzierung der einzelnen Schülerinnen und Schüler nach ihren Fähigkeiten erreicht. Dabei wurden die Jahrgangsstufen 5 bis 10 zweier Begabtenklassen durch die Universität Würzburg wissenschaftlich begleitet (vgl. Pröscholdt, Stumpf & Schneider, 2011, S. 58). Des Weiteren wurden zwei normale Parallelklassen als Vergleichsgruppen in die Untersuchung miteinbezogen. Je eine Begabtenklasse und eine Kontrollklasse aus dem siebten und sechsten Jahrgang wurden zur Untersuchung herangezogen. Als vergleichbare Unterrichtsfächer wurden Englisch, Deutsch und Mathematik ausgewählt.

Die Kontrollklasse der 7. Klasse umfasst 12 Knaben und 17 Mädchen, die Begabtenklasse 14 Knaben und 6 Mädchen. In der 6. Klasse befinden sich in der Begabtenklasse 16 Knaben und 5 Mädchen in der Kontrollklasse 24 Knaben und 10 Mädchen. Die Schülerinnen und Schüler der älteren Begabtenklasse waren mit 12,9 Jahren im Durchschnitt um 0,5 Jahre jünger als die der Kontrollklasse desselben Jahrgangs. Beim jüngeren Jahrgang war der Unterschied des Durchschnittsalters mit 0,6 Jahren ähnlich.

“Die Schülerinnen und Schüler der Begabten- und Kontrollklassen unterschieden sich statistisch in beiden Kohorten (Jahrgängen) weder hinsichtlich der Anzahl wiederholter Klassen, des höchsten Bildungsabschlusses der Mutter noch der Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Muttersprache Deutsch“ (Pröscholdt, Stumpf & Schneider, 2011, S. 59).

Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass sich auch in den Begabtenklassen Schülerinnen und Schüler mit durchschnittlichem IQ befinden und umgekehrt in den normalen Gymnasialklassen auch hochintelligente Schülerinnen und Schüler sitzen. Daher können die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht auf die unterschiedlichen Begabungsniveaus zurückgeführt werden (vgl. Pröscholdt, Stumpf & Schneider, 2011, S. 59).

Die Beobachtung umfasste 12 Schulstunden, wobei die ersten drei Schulstunden nicht in die Ergebnisse der Untersuchung miteinflossen, da hier das Ergebnis durch den Störfaktor der Beobachtung verzerrt worden wäre. Die Auswertung wurde mittels des Pearson-Chi² berechnet.

Parallel zu dieser Untersuchung wurden Lehrerchecklisten erstellt. Dabei mussten die Lehrkräfte jeden Schüler ihrer Klasse auf einer 5-stufigen Skala bezüglich der drei Kriterien Aufmerksamkeit, Störverhalten und Mitarbeit einschätzen. Die Auswertung der Lehrerchecklisten zeigte, dass sich die Ergebnisse von der Untersuchung hinsichtlich dieser drei Kriterien nicht signifikant von den Ergebnissen der Lehrerchecklisten unterscheiden.

Im 7. Jahrgang betrug das Aufmerksamkeitsverhalten der Schülerinnen und Schüler in den Kontrollklassen anteilig 61,3 % und in den Begabtenklassen 53,8 %. Im 6. Jahrgang betrug der Unterschied zwischen Begabtenklasse und Kontrollklasse anteilig 66,3 % zu 60,3 %. Daher kann nicht von einem einheitlichen signifikanten Zusammenhang von Aufmerksamkeit und Klassenart gesprochen werden. Ebenso war auch kein deutlicher Zusammenhang von Unaufmerksamkeit und Klassenart zu erkennen.

Bei der Betrachtung des Störverhaltens und der Klassenart hingegen wurde ein signifikanter Unterschied deutlich. Im 7. Jahrgang lag das Störverhalten anteilig bei der Kontrollklasse bei 9,6 %, bei der Begabtenklasse hingegen nur bei 5,1 %. Im 6. Jahrgang war der Unterschied anteilig noch größer; 10,0 % bei der Kontrollklasse und nur 4,7 % bei der Begabtenklasse. Daraus kann ein mäßiger Zusammenhang zwischen Störverhalten und Klassenart abgeleitet werden. Dies bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler der Kontrollklassen deutlich mehr den Unterricht störten als Schülerinnen und Schüler der Begabtenklasse.


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Literatur

Döring, Klaus Walter (1989). Lehrerverhalten. Weinheim: Deutscher Studienverlag.

Dubs, Rolf (1995). Lehrerverhalten. Zürich: Verlag des Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes.

Freeman, J. (2005). Permission to be gifted: How conceptions of giftedness can change lives. In R. Sternberg & J. Davidson (Eds.), Conceptions of giftedness (pp. 80–97). Cambridge, NY: Cambridge University Press.

Pröscholdt M., Stumpf E. & Schneider W. (2011). Das Arbeitsverhalten in homogenen Begabtenklassen. Eine systematische Verhaltensbeobachtung im Unterricht. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 43 (2), 55-67.



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