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Fritz Riemanns "Grundformen der Angst"

Fritz Riemann, ein Tiefenpsychologe, geht davon aus, daß zwar alle Menschen individuelle Ängste haben, daß es aber auch viele Ängste gibt, die allen Menschen gemeinsam sind. So vielfältig demnach des Phänomen Angst sich auch darstellt - es gibt praktisch nichts, wovor man nicht Angst entwickeln kann - geht es doch meist immer um Varianten ganz bestimmter Grundängste.

Die Existenz von Ängsten ist weitgehend unabhängig von Kultur und Zeitalter, was sich ändert sind lediglich die Angstobjekte. Waren es früher Naturgewalten, die den Menschen Angst machten, sind es heute Bakterien, Verkehrsunfälle oder Einsamkeit, die Angst auslösen. Ängste sind dabei grundsätzlich nichts Negatives, sondern sie lassen Menschen beispielsweise auch über sich selbst hinaus wachsen.

Ursache aller Ängste ist das Faktum, daß menschliches Leben und dessen Gestaltung vier Grundforderungen unterliegt, die einander antinomisch als polare Gegensätze zugeordnet sind und sich so gleichzeitig ergänzen:

Riemann erläutert diese Notwendigkeiten und die damit verbundenen Ängste anhand des Gleichnisses der vier Bewegungen der Erde:

Riemann nimmt nun an, daß diese vier Bewegungen unbewußten Triebkräften und latenten Forderungen des Menschen entsprechen, die sich alle als Ängste unseres Lebens manifestieren:

Aus den vier Grundformen der Angst lassen sich vier Persönlichkeitsstrukturen ableiten. Personen, deren grundlegendes Problem die Angst vor der Hingabe ist, werden zu schizoiden Persönlichkeiten, die die Selbstbewahrung überbewerten. Die Angst vor der Selbstwerdung kann zur depressiven Persönlichkeitsstruktur führen. Bei den zwanghaften Persönlichkeiten wird die Angst vor der Wandlung zur dauerhaften Sorge. Aus der Angst vor der Notwendigkeit kann schließlich eine hysterischer Persönlichkeitstyp entstehen. Jeweils zwei Angstformen sind zu einem Gegensatzpaar zusammengefaßt, die sich dichotom gegenüber stehen. Das erste Angst-Paar besteht aus der Angst des depressiven und des schizoiden Menschen, das zweite aus der Angst des zwanghaften und des hysterischen Menschen. 

Der depressive Mensch: Die Erde umkreist die Sonne. Das Zentrum der Rotation liegt außerhalb der Erde. Genau dieser Effekt tritt auch bei einigen menschlichen Persönlichkeiten auf: Sie rotieren im übertragenen Sinne um andere Menschen herum. Dabei versuchen sie die Rotation um sich selbst herum so weit wie möglich zu unterbinden. Diese Menschen sind im weitesten Sinne als Gruppenmenschen zu bezeichnen. Die zugrundeliegende Angst ist die Angst vor der Selbstwerdung, die als Ungeborgenheit und Isolation erlebt wird. Die gefühlsmäßige Trennung von seiner sozialen Umwelt, also Einsamkeit, bedeutet für ihn einen kleinen Tod. 

Der schizoide Mensch: Die Erde rotiert um sich selbst und hat somit das Zentrum der Rotation in sich. Übertragen auf die menschliche Psyche bedeutet dies, daß der betroffene Mensch mit seinen Gedanken und Gefühlen um sich selbst kreist; dabei versucht er die Rotation um andere Menschen so weit wie möglich zu vermeiden. Hier finden wir häufig Einzelgänger. Seine typische Grundangst liegt darin, daß er sich vor der Selbsthingabe fürchtet, die er als Ich-Verlust und Abhängigkeit erlebt. Ein Ich-Verlust bedeutet für ihn nichts anderes als ein psychologischer Tod. 

Der zwanghafte Mensch strebt die Dauer an, möchte sich in dieser Welt häuslich niederlassen und die Zukunft planen. Sein Wunsch ist eine feste, verläßliche, Zukunft. So wie die Zentripetalkraft möchte er alles verdichten, auf das es sich nicht mehr bewegt, damit eine Stabilität gegeben ist. Seine Angst betrifft die Vergänglichkeit, das Irrationale und Unvorhergesehene. Alles Neue ist für ihn ein Wagnis und planen ins Ungewisse ist ihm ein Greuel. In seinem Erleben ist die Vergänglichkeit gleich einem Tod.

Der hysterische Mensch: Er ist immer bereit, sich zu wandeln, Veränderungen und Entwicklung zu bejahen, Vertrautes aufzugeben und alles nur als einen Durchgang zu erleben. Das Neue hat für ihn einen unwiderstehlichen Reiz, das Unbekannte zieht ihn magisch an. Damit verbunden ist die Angst vor Ordnung, Notwendigkeiten, Regeln und Festlegungen. Sein Freiheitsdrang schlägt um in die Angst vor dem Tod als Erstarrung. 

Da sich diese Grundängste nie gänzlich vermeiden lassen und sie auch wichtig für unsere Entwicklung sind, "bezahlen" wir jeden Versuch, ihnen auszuweichen, mit vielen kleinen, banalen Ängsten. In der Verschiebung, Verharmlosung und karikierenden Verzerrung der Daseinsängste erscheinen diese neurotischen Ängste manchmal als unsinnig, dennoch sollten sie als Alarmzeichen und Hinweis verstanden werden, daß wir auf irgendeine Weise etwas Unvermeidliches vermeiden wollen, anstatt uns damit auseinander zu setzen.

Neben diesem Dilemma des Unvermeidlichen der Ängste stellt auch das Leben zwei Forderungen an den Menschen, die in Konkurrenz zueinander stehen: Je mehr ein Mensch der Forderung nach Selbstwerdung nachkommt und die damit verbundene Angst (Geborgenheitsverlust, Isolierung von der sozialen Gruppe) überwindet oder verdrängt, desto mehr wird er sich zu einer schizoiden Persönlichkeit entwicklen und  desto weniger kann er der Forderung nach Selbst-Hingabe erfüllen und umso mehr Angst hat er vor dieser Selbsthingabe und umgekehrt. Das Ziel ist eine Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Aspekten: Wer genauso schizoid wie depressiv ist und genauso zwanghaft, wie hysterisch wird von Fritz Riemann als ein seelisch gesunder Mensch beschrieben.

Die Riemannschen Grundstrukturen sind als idealtypische Abstraktionen aufzufassen, die in "reiner" Form nicht existieren. Riemann betont, daß seine Grundstrukturen nicht gut oder schlecht, sondern alle vier wichtig und nützlich für die verschiedenen Lebensbedürfnisse sind. Störungen sind in zweierlei Richtung denkbar: Überausprägungen oder Einseitigkeiten, die auch als relative Über- bzw. Unterausprägungen aufgefaßt werden können (vgl. Sponsel 2001).

Riemann versteht seine Typologisierung nicht als ein endgültiges Schema an, dem man nicht mehr entrinnen kann, aber wer gelernt hat, Gegenkräfte wie Mut, Vertrauen, Erkenntnis, Macht, Hoffnung, Glaube und Liebe zu entwickeln, kann mit diesen Ängsten umgehen und sie als Schritte in der menschlichen Entwicklung erkennen. Wer jedoch zu früh altersunangemessene Ängste erleben mußte und in seiner Umgebung keine Hilfe fand, mit diesen umzugehen, wird auch später neue Ängste als viel gefährdender erleben. Gelingt es einer Person gar nicht, mit einer Angstform umzugehen, kann diese zur vorherrschenden Angstform in deren Leben werden und so die Persönlichkeit bestimmen.

Diese Typologie spielt auch bei Partnerschaften und in der Partnerwahl eine Rolle, wobei das Grundproblem darin liegen kann, daß in solchen Beziehungen die Tendenz besteht, die ohnehin vorhandene Grundtendenzen des Typus noch zu verstärken.

Wenn sich schizoide und depressive Partner anziehen, dann ahnt möglicherweise der Schizoide instinktiv die Liebesbereitschaft und Liebesfähigkeit des Depressiven, seine Opferbereitschaft, sein einfühlendes ich-Bemühen. Hier kann er sich aufgehoben fühlen. Andererseits fasziniert den Depressiven am Schizoiden, daß dieser etwas lebt, was er sich nicht zu leben gewagt hat: unabhängiges Individuum zu sein, ohne Verlustangst und Schuldgefühle. Zugleich spürt er, daß hier jemand ist, der seine Liebesbereitschaft dringend braucht. Eine solche Konstellation kann gelingen aber auch in die Katastrophe führen, denn wenn sich der Schizoide zu sehr eingeengt fühlt, wird er sich zu lösen versuchen, was dazu führt, daß der Depressive sich vernachlässigt fühlend näher an den Schizoiden herankommen möchte.

Wenn sich zwanghafte und hysterische Partner instinktiv anziehen, dann fasziniert den Zwanghaften die Buntheit, Lebendigkeit, die Risikofreudigkeit und die Aufgeschlossenheit des hysterischen Gegentypus, denn er selbst erlebt sich häufig als unnötig eingeengt. Der Hysterische wiederum ist fasziniert vom Zwanghaften aufgrund dessen Ruhe, Stabilität, Solidität, der Konsequenz und Verläßlichkeit, die ihm selber so fehlen. Diese Konstellation kann kritisch werden, wenn der Zwanghafte sich ebenso behaupten möchte wie der Hysterische, wobei der Zwanghafte immer pedantischer und der Hysterische immer sprunghafter wird, weil er den Eindruck hat, der Zwanghafte möchte ihm den Freiraum, den er zum Atmen braucht, wegnehmen.

Quellen:
Riemann, Fritz (1990). Grundformen der Angst. München: Ernst-Reinhardt-Verlag.
Sponsel, R. (2001). Die vier Grundstrukturen nach Fritz Riemann's Grundformen der Angst. IP-GIPT. Erlangen: http://www.sgipt.org/gipt/
diffpsy/cst/cst0.htm (03-06-08)

Siehe dazu auch
Angst - Psychologische Erklärungsmodelle

Rudolf Sponsel: CST-Charakter-Struktur-Test
WWW: http://www.iec-verlag.de/cst/cst0.html (03-06-08)

Nach Sponsel klingen die Riemann'schen Begriffe vor allem in den Ohren von Laien nach Krankhaftigkeit und erschweren eine normalpsychologische Interpretation, obwohl das System grundsätzlich als solches entworfen und entwickelt wurde. Er liefert folgende normalpsychologische Detailinterpretation der Strukturen:

Z: Angst vor der Veränderung.
Perfektion und Optimierung, Kontrolle, Macht und Beherrschung, Richtig und Falsch, Recht und Ordnung, Gewissenhaftigkeit (skrupulös), Sicherheit, Vorsicht, Leistung, Ehrgeiz, Ausdauer, Hartnäckigkeit, Streitbarkeit, Geld, Besitz, Materie, Bodenständiges, Konservatives, Tradition, Ordnung, Sauberkeit, Sparsamkeit, Geiz, Sachlichkeit, Wahrnehmbares, Konkretes, Konsequenz, zuverlässig. 

H: Angst vor der Endgültigkeit.
Leichtes, mühloses, anregendes Leben, (äußere) Freiheit, Ungebundenheit, Spannung, Erlebnishunger, Abwechslung, Abenteuer, neue Reize, Aktivität, Impulsivität, Unternehmungsgeist, Risiko, Kontakt, Spontaneität, Begeisterung, Gefallen, Mittelpunkt, Beeindruckbarkeit, Theatralik, Show, Wirkung, Effekt, Ideen, Kreativ, Flüchtig, oberflächlich, flexibel, aufgeschlossen für Neuerungen, revolutionär. 

S: Angst vor Nähe.
Innere Freiheit und Unabhängigkeit, Autonomie, Distanz, Abgrenzen, Selbstbestimmung, Selbstbewahrung, Eigenwelt und Phantasie (bis zu verschroben, bizarr, maniriert), Individualität, Gefühls- und Ausdrucksbeherrschung trotz oder wegen intensiver Gefühle, Ambivalenz und Ringen um innere Einheit, Identität und Harmonie, sensibel, hochsensitiv, Konsequenz, sachlich, rational, logisch, abstrakt, innerlich unsicher, äußerlich selbstbewußt (bis arrogant wirkend).

D: Angst vor der Selbstwerdung.
Geborgenheit, Anpassung, Anlehnung, Harmonie, Kooperationsfähig, Hingabefähig, gefühlvoll, warmherzig, Mitgefühl, Anteilnahme, vorsichtig, Friede, Ausgleich, sorgend, funktionierend, Liebe, Einfühlung, Treue, Führung suchend, brav, einordnen, unterordnen, behütet und behütend, naiv, gutgläubig, unselbständig, zögerlich.

rebell.tv Riemann Angst VideoDie Persönlichkeitstypen nach Riemann im rebell.tv Leider nicht mehr online!

Eine originelle Veranschaullichung der Persönlichkeitstypen nach Riemann findet sich auf dem (((rebell.tv))), wobei dieser Web-TV-Sender nach einer Eigendefinition zwar kein Telekolleg darstellt, aber dennoch recht lehrreich ist: "rebell.tv ist viel mehr ein zettelkasten. hier arbeiten wir uns lediglich in eine neue denkfigur ein. und wir legen unsere einträge so ab, dass andere mit ihren zettelkästen (hinweisen, anregungen, erweiterungen, präzisierungen etc.) anschliessen können. in diesem sinne bauen wir hier keine "lehrvideos" auf, auch wenn wir durchaus am lernen sind. im unterschied zur pädagogik oder dem journalismus: als sozialarbeitende ist es uns eine selbstverständlichkeit davon auszugehen, dass unsere "zuschauenden", das "publikum", die "zielgruppe" oder "konsumenten" (erstens weder publikum, zielgruppe, konsumenten etc. sind, zweitens aber - und wichtiger - stets) mehr sieht, als wir selbst!"

 

Der depressive Mensch

Der schizoide Mensch

Der zwanghafte Mensch

Der hysterische Mensch

Wunsch nach Zuneigung und menschlicher Nähe
"Ich will nicht alleine sein!"

starker Drang nach Unabhängigkeit
"Ich bin das Maß aller Dinge!"

Angst vor Risiko und Veränderung

liebt die ständige Abwechslung
"Ich will Freiheit und Risiko, Traditionen und Konzepte engen mich ein."

Vermeidung von Konflikten
"Ich hasse Streit!"

vermeidet Emotionen und menschliche Nähe

liebt präzise Planung

steht gerne im Mittelpunkt
"Ich möchte bewundert und anerkannt werden."

Vogel-Strauß-Mentalität

sachlich, kühl und objektiv

Vorurteile, Dogmatismus

Veränderung der Veränderung willen

selbstlos und geduldig

aggressiv und arrogant

Perfektionist und konsequent korrekt

gibt Versprechungen, die er nicht einhält

denkt erst an andere, dann an sich

fehlender Enthusiasmus

Entschlußunfähigkeit

"Rösselsprünge" im Denken

verhält sich kindlich-hilflos

gleichgültig gegenüber Kritik
"Nur ich weiß, was richtig ist!"

Detailfetischismus

Imponiergehabe und Starallüren

wenig Selbstwertgefühl

starkes Selbstwertgefühl

Ein "Nein" bleibt ein "Nein"

oberflächlich und leicht zu beeinflussen

einfühlsam und hilfsbereit

vertritt seine Überzugung klar und kompromißlos

ordentlich und fleissig

will sofortige Bedürfnisbefriedigung

schlicht und anspruchslos

unsentimental, ironisch-sarkastisch

beständig und zuverlässig

nur das Hier und jetzt zählt

relativ wenig Egoismus

scharfe Beobachtungsgabe

verantwortungsbewußt

lebhaft, spontan und charmant

Berufswahl nach Riemanntypus

Der depressive Mensch

Der schizoide Mensch

Der zwanghafte Mensch

Der hysterische Mensch

mütterlich, sorglich
helfend, dienend, pflegend
aufopferungsfähig, geduldig
einfühlend
Verlustangst, geht Spannungen aus dem Weg (vermeidet Auseinandersetzungen)
Bescheidenheit, Verzichtsbereitschaft
Friedfertigkeit, Selbstlosigkeit, Mitgefühl und Mitleid
kann warten

keinen nahen Kontakt mit anderen
theoretisch abstrakt
immer bereit sich auf gegen plötzliche Überraschungen abzuschirmen
scharfe Beobachtungsgabe
kühle Sachlichkeit
kritischer Blick für Tatsachen
Angst vor mitmenschlicher Nähe

alles im Namen der Ordnung, der Zucht und des Gesetzes
Genauigkeit, Solidität, Präzision, Sorgfalt
Verantwortung, Übersicht
Ausdauer, Gründlichkeit, Geduld
hohe Sachkenntnis
zuverlässig
Vorsicht, Voraussicht, zielbewußte Planung
Angst vor Risiko

persönlichkeitsgebunden
elastisch, auf den Augenblick ausgerichtet
Wendigkeit, kontaktfreudig
Anpassungsfähigkeit
Geltungsbedürfnis zum Ausdruck bringen
persönlich zu wirken
Unfähigkeit, Bedürfnisspannungen zu ertragen
Angst vor dem Endgültigen

Ärzte, Geistliche, Pädagogen
Gärtner, Förster
Gastwirte
allg. in der Lebensmittelbranche
gemeinnützige Tätigkeiten

Naturwissenschaftler
Astronom, Physiker
Mathematiker, Ingenieur

in Berufen, die Macht verleihen: Politiker, Militärs
Polizei, Beamter, Richter
Geistlicher, Pädagogen
Staatsanwälte, Handwerker
Juristen, Naturwissenschaftler

Fotomodell, Mannequins
Geschäftsführer
Schmuck- und Verschönerungs-Gewerbe
Hotelwesen

[Quelle: http://www.gabal-rganhalt.de/download/online-netzwerk-download/grundformen-der-angst.pdf]

Riemanns Grundformen und Kommunikation: Das Riemann-Thomann-Modell

Menschen unterscheiden sich auch in der Art, was sie innerlich empfinden und brauchen, um sich im Gespräch und im zwischenmenschlichen Miteinander wohl zu fühlen. Um menschliche Unterschiede und ihre Auswirkungen auf Kommunikation und Beziehungen zu verstehen, wurde das Riemann-Thomann-Modell entwickelt. Danach lassen sich in Analogie zu den Grundformen der Angst vier menschliche Grundausrichtungen beobachten: das Bedürfnis nach Nähe (z.B. zwischenmenschlicher Kontakt, Harmonie, Geborgenheit), nach Distanz (z.B. Unabhängigkeit, Ruhe, Individualität), nach Dauer (z.B. Ordnung, Regelmäßigkeiten, Kontrolle) und nach Wechsel (z.B. Abwechslung, Spontaneität, Kreativität). Im zwischenmenschlichen Geschehen werden oft nur ein oder zwei davon aktiviert, die dann sichtbar und als Unterschiede zwischen Menschen spürbar werden. Je nach Ausprägung der Grundausrichtungen sind entsprechende Bedürfnisse (Motivationen) Werte und "Lebensphilosophien" vorherrschend und zeigen sich im zwischenmenschlichen Verhalten. Damit verbunden sind auch die Art und Weise, mit Krisen und Missstimmungen umzugehen. Je nach persönlicher Ausgangslage fälltdie Richtung der Persönlichkeitsentwicklung für verschiedene Menschen unterschiedlich aus: Was der eine zur Erweiterung seiner Persönlichkeit dringend benötigt, hat der andere unter Umständen zuviel.

Grundformen der Angst bei Freud

Für Freud ist Angst stets eine „Angst vor etwas“. Es haftet ihr immer der Charakter der Unbestimmtheit und Objektlosigkeit an. Auch Freud wechselt im Sprachgebrauch von Angst zu Furcht, wenn sich die Angst auf ein konkretes Objekt fixiert. Bezogen auf seine Theorie vom „Es“ (das Unbewusste), „Ich“ (das Bewusste) und „Über-Ich“ (das Gewissen, der verinnerlichte Teil der Persönlichkeit) unterscheidet Freud drei verschiedene Arten von Angst.

Primärangst: Entwicklungsgeschichtlich die erste Angst. Sie entsteht beim Trauma der Geburt, bei der durch einen Klaps auf den Hintern die Atmung aktiviert und der Puls beschleunigt werden soll (Freud, 2000). Diese erste Angstreaktion wird zum Vorbild für alle zukünftigen Angstreaktionen, da auch beim Erwachsenen mit dem Gefühl der aufsteigenden Angst ein erhöhter Puls und eine beschleunigte Atmung einhergehen. Die Erinnerung des Menschen an das Trauma der Geburt signalisiert dadurch eine Gefahr.

Realangst: Das „Ich“ nimmt hierbei Vorgänge der Umwelt auf, die auf Grund seiner Erfahrung eine Beeinträchtigung des Organismus erwarten lassen (Freud, 2000). Die Realangst bezieht sich immer auf eine Gefahr, die wir schon kennen. In der Realangst entwickeln sich zwei Reaktionen: der Angstausbruch und die Schutzhandlung. Zweckmäßig arbeiten beide Reaktionen normalerweise zusammen, indem die eine das Signal für das Einsetzen der anderen gibt. Allerdings kann es bei einem Angstausbruch auch zu einer Angstlähmung kommen, die dann die Einleitung der Schutzhandlung verhindert.

Neurotische Angst: Im Gegensatz zum zweiten Angsttyp beschreibt Freud mit der neurotischen Angst die Angst vor einer Gefahr, die wir noch nicht kennen (Freud, 2000). Diese Form der Angst resultiert aus der menschlichen Psyche bei der Triebregungen des „Es“ wahrgenommen werden, die jedoch auf keine real existierende Gefahr ausgerichtet sind. Diese Alarmsignale werden dennoch vom „Ich“ mit Erfahrungen früherer Gefahren verbunden, die zu Beeinträchtigungen des Organismus führten. In der heutigen Literatur findet man die neurotische Angst unter dem Begriff der Phobie. Auch diese Form der Angst hat ihre Ursache in der menschlichen Psyche. Als Alarmsignal wird diese Angst ausgelöst, wenn Handlungen und Gedanken des „Ich“ vom „Über-Ich“ als moralisch nicht tragbar empfunden werden.

Quellen & Literatur

Freud, Sigmund (2000). Hemmung: Symptom und Angst. Frankfurt.
Thomann, Chr. & Schulz von Thun, F. (2003). Klärungshilfe 1. Handbuch für Therapeuten, Gesprächshelfer und Moderatoren in schwierigen Gesprächen. Rowohlt.
http://www.schulz-von-thun.de/mod-riemthom.html (05-12-11)
http://www.schulz-von-thun.de/img/mod-img/rietom.jpg (05-12-11)
http://www.merz-bau.de/images/angst_projektarbeit.pdf (09-06-03)



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