Ich sitze in der Badewanne, und mein
Gesicht spiegelt sich in der Armatur. Das Wasser ist so
heiß, daß sich meine Brille beschlüge, trüge
ich sie. Natürlich sitze ich nicht in der Badewanne - denn
wenn ich in der Badewanne säße, könnte ich nicht
die Bildschirmlady meines screensavers beobachten, die jetzt auf
dem Papierkorb sitzt.
Angenommen, ich säße in der
Badewanne und die Bildschirmlady wäre keine Bildschirmlady
sondern eine Badewannenlady, dann änderten sich die
Geschichte und meine Perspektive mit ihr. So aber ist die
Bildschirmlady von meinem Badewannensitzen hoffnungslos getrennt
und ich kann nicht das erleben, was ich erleben könnte,
säße ich in der Badewanne und die Bildschirmlady
wäre nicht bloß auf dem Bildschirm und bliese
Seifenblasen oder sonst was vor sich hin.
Fakt ist: ich sitze vor dem laptop und
tippe die Möglichkeiten in das Textverarbeitungsprogramm
statt in der Badewanne zu sitzen und die Möglichkeiten der
Bildschirmlady zu nützen. Die Möglichkeiten, die ich
hätte, wäre sie nicht eine Bildschirmlady sondern eine
Badewannenlady. Ich verzichte auf die Möglichkeiten und
untersuche die Spiegelungen in der Armatur, die bar jeder Illusion
die verzerrte Wirklichkeit seitenverkehrt in mein Gehirn
projizieren. Ich schließe die Augen und taste mich von einer
Alternative zur anderen, während meine dahinfliegenden
Gedanken die möglichen Richtungen vorgeben, die sich
ergäben, säße ich eben nicht in der Badewanne mit
der Spiegelung meiner Realität, einer Möglichkeit unter
vielen.
In Wahrheit sitze ich in einem
Gefängnis der Gedanken, die sich in den Seifenblasen auf der
Wasseroberfläche des Badewassers spiegeln. Aber was ist die
Wahrheit in einem Gedankengefängnis? Die Bildschirmlady
bläst die Seifenblasen - oder sind es Kaugummiblasen? Die
Bildschirmauflösung läßt keine Entscheidung zu -
quer über den offenen Text der Textverarbeitung. Ich kann die
Wahrheiten selber definieren, da ich die Wahl habe. Die Wahl
zwischen Badewanne und Textverarbeitung. Habe ich eine Wahl? Sind
nicht die Richtungen der Gedanken beliebig wie zahlreich,
zahlreich wie die Blasen des Seifenschaums auf der
Wasseroberfläche? Was wäre wenn?
Mein "Angenommen" ist nur ein
subjektiver Minimalismus an Freiheit, eine Vorspiegelung von
Alternativen, die alle in meiner empfundenen Wahllosigkeit
münden. Freiheit, bzw. das Postulat von Freiheit ist nur eine
Illusion wie die Pixel auf dem Bildschirm. Wahllosigkeit? Will ich
denn überhaupt wählen? Habe ich einen Rest von Energie
behalten, der mir die Kraft gäbe, zwischen Alternativen
überhaupt zu unterscheiden. Sind nicht alle Alternativen die
gleiche Fiktion, nur eine minimale Variation des Gleichen?
Projiziere ich die Alternativen in meine
Gegenwart wie andere ihre Lebenslügen in die Vergangenheit
einordnen, fein säuberlich eine schlüssige Chronologie
zeichnend, die die Glaubwürdigkeit der eigenen Illusionen
erhöhen soll? Zeichne ich eine Struktur von
Wahrscheinlichkeiten in eine Landkarte von Atlantis, das von
schemenhaften Chimären bewohnt wird?
Habe ich die Wahl, mich von den
Konjunktiven zu lösen? Der Fiktion meiner Gegenwart, jener
bloß möglichen hin- und hertanzenden Bilder, die sich
in meinen Gedanken zu Realitäten formen wie die Projektionen
der Lichtpunkte an den Fenstern meiner Bewußtheit? Wie die
Tropfen an der Armatur der Badewanne, die eine meiner
Realitäten widerspiegelt, perlen die Standpunkte an der
glatten Oberfläche der Zeit ab und sammeln sich im Meer der
Möglichkeiten in meiner Badewanne. Woran kann ich die eine
Möglichkeit erkennen? Die einen festen Standpunkt verleiht,
die mich aus der Uferlosigkeit der Alternativen erlöst.
Ich setze die vom Dampf beschlagene
Brille auf, um klarer zu sehen.